Livereview: W.A.S.P. - Rebellious Spirit - Lucky Bastardz

01. November 2014, Pratteln – Z7
By Tinu
Mit dem neuen Album «Golgotha» im Gepäck ging Mastermind Blackie Lawless wieder auf grosse Konzertreise. Es ist dabei immer das Gleiche. Kommt der Gesang nun vom Band oder doch nicht? Ganz ehrlich, es ist mir scheissegal. So lange Truppen wie Rhapsody oder Powerwolf ihre Musik mit Konservensounds unterstützen und dabei kein Hahn danach kräht, speziell beim fehlenden Bassisten der Wölfe, kann Blackie in meinen Augen tun und lassen, was er will! Das sah auch ein extrem gut gefülltes Z7 so. Die Stimmung war gigantisch und W.A.S.P. boten eine musikalische und optische (drei Videoscreens) Show der Sonderklasse. UND! Anstelle von knapp siebzig Minuten stand der Vierer dieses Mal knappe neunzig Minuten auf der Bühne.

Lucky Bastardz
Bevor W.A.S.P. aber auf die Stage stiegen, standen zuerst noch die Italiener von Lucky Bastardz auf der Bühne. Was als Support von Joe Lynn Turner noch klappte, ging an diesem Abend bei W.A.S.P. völlig in die Hosen. Die Italiener hatten sich nachträglich auf diese Tour rein geschmuggelt (es war der erste Abend für sie) und genau so spielten sie auch. Völlig überfordert auf der grossen Bühne, so als ob sie lieber zu Hause bei Mama Spaghetti essen würden. Kein Song blieb in Erinnerung, die Performance sah eher wie ein Proberaumauftritt aus, und der Applaus am Schluss verhallte kaum hörbar im Z7. Wie kann eine aufstrebende Band einen solch desolaten Eindruck hinterlassen? Hier hätten die Herren die Möglichkeit gehabt, nochmals beste Werbung in eigener Sache zu machen, aber die gute Erinnerung an den JLT-Gig, als Lucky Bastardz mit ihrem Skid Row-liken Sound cool abrockten, wurde mit diesem Auftritt begraben. Schade, da hätte ich mir lieber Chase The Ace gewünscht, die wissen, wie man bodenständigen Rock zelebriert und diesen huldigt.

Rebellious Spirit
Auch die Jungspunde von Rebellious Spirit hatten einen sehr schweren Stand. Die Truppe um Jannik sah ich zum ersten Mal am «Bang Your Head!!!»-Festival, morgens um 10.00 Uhr. Damals war ich echt begeistert von den Jungs, weil einfach alles passte. Was folgte war eine Support-Tour für Axel Rudi Pell und eine starke Ernüchterung meinerseits, weil sich der Vierer zu stark in den Sounds verzettelte. Man wollte zwar oldschool sein, aber zugleich auch modern, und hier biss sich die Katze in den eigenen Schwanz. Auch an diesem Abend war dies das grosse Problem von Rebellious Spirit. Verfolgt man nun die 80er-Jahre oder will man doch eher mit modernen Sounds das junge Publikum begeistern? So richtig blieb auch kein Song hängen und hier kommt das zweite Manko der Truppe. Die Songs sind zwar alle ganz okay, verschwinden aber in der Flut an neuen Scheiben. Schade, denn auf der Bühne rocken die Jungs richtig geil los. Speziell Jannik hat stark an seinen Entertainerqualitäten gearbeitet und kann schon fast als kleiner Tobias Sammet angesehen werden. Das Posen mit seiner giftgrünen Gitarre beherrscht der Junge sehr gut, wie auch das Animieren des Publikums. «Wollt ihr eine Metalparty?» Irgendwie schon, aber dazu fehlten leider die Hits. Das musste Jannik auch beim missglückten Mitsingpart feststellen. Es wird sich weisen, wohin der Weg von Rebellious Spirit geht. Grundsätzlich weist der Vierer gute Tendenzen auf, aber an nicht ganz unwichtigen Dingen muss noch gefeilt werden! Kleiner Tipp, rockt frisch von der Leber weg, dann habt ihr die Leute ganz schnell auf eurer Seite. Alle könnt ihr sowieso nicht glücklich machen und für euch gewinnen.

W.A.S.P.
Was danach folgte, war eine Show, die an Professionalität nicht zu überbieten war. Auf drei grossen Videoscreens wurden immer wieder alte W.A.S.P.-Videos eingespielt, die teils synchron mit dem Gesang von Blackie abliefen. Ob dies dann Hits wie «The Real Me», «L.O.V.E. Machine», «I Don't Need No Doctor», oder «Wild Child» waren, es verlieh der Show einen zusätzlichen Reiz. Interessant war dabei auch anzusehen, wie die Band sich in den letzten dreissig Jahren verändert hat. Es steht kein Chris Holmes mehr auf der Bühne, bei dem man nie wusste, ob er gleich ins Publikum springt und einen Auserwählten angreift. Seit 2006 post Doug Blair wie ein Gott auf der Bühne und verzaubert mit seinem gefühlvollen Spiel die Massen. Speziell bei den eher langsamen Parts («Miss You») weiss der Gitarrist zu gefallen und hinterlässt offene Kauleisten. Der Sound war fett und druckvoll. Das Licht passend zu den einzelnen Songs. Mit Bassist Mike Duda steht seit 1996 ein nach wie vor wilder und bewegungsfreudiger Bassist auf der Bühne. Einer, der bei «Hellion» auch für ein paar Strophen den Leadgesang übernimmt und mit seiner ungezügelten Art zum festen Bestandteil der Band gehört. Neu in der Truppe ist Randy Black, der ehemalige Primal Fear- und Annihilator-Trommler, der einen ultrafetten Rhythmus vorgab und schon fast zum Dauergrinser mutierte. Auch wenn Randy eher die technisch versierte Powermaschine ist, verlieh er den groovigen Songs von W.A.S.P. ein fantastisches Flair und einen bodenständigen Groove. Vor ihm stand der Meister persönlich. Blackie Lawless, Mister W.A.S.P., der mit seiner ureigenen Stimme und seinem erhabenen Charisma durch die Show leitete. Trotz seiner Coolness rannten er und Mike immer wieder von links nach rechts, wenn Doug seine Solos spielte. Aber wenn Blackie sang, stand er in der Mitte der Bühne. Er kündete viele Klassiker, aber auch drei neue Songs («Last Runaway», «Miss You» sowie «Golgotha») an und hatte mit dem Track «Crazy» aus der vorletzten Studioscheibe «Babylon» einen zukünftigen Live-Klassiker im Programm. Die Verbindung zwischen dem Refrain «You gotta be crazy to say you love me» und den Videoeinspielungen von Elvis und Michael Jackson hatten schon was Autobiographisches. Das war ganz grosses Kino!

Es folgte Hit auf Hit, auch wenn der in den letzten Jahren obligate Rausschmeisser «Blind In Texas» nicht gespielt wurde, und es gab keinen Moment, in dem die Stimmung abflachte. «Miss You» ging dabei ebenso unter die Haut, wie das monumentale Titelstück der letzten Studioscheibe «Golgotha» mit seinen dramatischen Chören. Davor waren es die alten Hits der Frühphase, wie das Eröffnungsmedley, bestehend aus «On Your Knees», «Inside The Electric Circus» und «The Real Me», «Arena Of Pleasure» (mit erneut fantastischen Videobildern) und der Doublette «Hellion» und dem aus allen Kehlen mitgesungenen «I Don't Need No Doctor». Nach «Golgotha» verabschiedete sich Blackie mit einem knappen «Good night» und verschwand hinter der Bühne. Die Songs wurden ohne grosse Pausen gespielt. Es war wie ein Düsenjet, der übers Z7 donnerte. Kurz, gewaltig, spannend, mit einer imposanten Lichtshow und einem nachhaltigen Unterhaltungseffekt. Aber, das Konzert war ja noch nicht fertig. Die Kettensäge erklang und versetzte das Z7 in einen wahren Begeisterungssturm. «Chainsaw Charlie (Murders In The Rue Morgue)» wurde gespielt und mit dem mitgelieferten Film jagte dieses Lied jedem Zuschauer einen kalten Schauer über den Rücken. Spätestens hier hatte Blackie alle Besucher auf seiner Seite und keiner dachte an mögliche Playbacks. Wieder ging die Band von der Bühne und liess die Meute länger auf die letzten zwei Tracks warten. Das ist wahrlich der einzige Kritikpunkt, dass sich W.A.S.P. zwischen diesen Zugabeblöcken lang Zeit liessen, um wieder auf die Bühne zu kommen.

So stand Mister Lawless als Erster wieder auf der Stage und spielte das Eröffnungsriff von «Wild Child» an. Seien wir ehrlich, welche Band kann von sich behaupten, mit ein paar Tönen eine Halle völlig zum Ausrasten zu bringen? W.A.S.P. haben genau diese Tracks geschrieben und mit dem Opener («Wild Child») des zweiten Albums «The Last Command» ging es in den letzten Zugabeblock. «I'm a wild child, come and love me, I want you» wurde von jedem in Z7 mitgeschrien und das kollektive Durchdrehen kannte kein Halten mehr. Was sollte noch folgen? Genau, «I Wanna Be Somebody»! Es folgte ein Finale, das an Intensität nicht zu toppen war. W.A.S.P. spielten eine Show, die es in sich hatte und durch die unzähligen Hits keine Langeweile aufkommen liess. In dieser Form sind Blackie, Mike, Doug und Patrick kaum zu toppen, und man darf sich schon auf den nächsten Gig freuen, der garantiert ausverkauft sein wird!

Setliste: «On Your Knees/Inside The Electric Circus/The Real Me» - «L.O.V.E. Machine» - «Last Runaway» - «Crazy» - «The Titanic Overture (Intro)» - «Arena Of Pleasure» - «Miss You» - «Thunderhead (Intro)» - «Hellion/I Don't Need No Doctor» - «Golgotha» - «Chainsaw Charlie (Murders In The Rue Morgue)» -- «Wild Child» - «I Wanna Be Somebody».