Livereview: Open Air Waldenburg
19. August 2005, Waldenburg BL
By Kissi
Es ist eine Tatsache, dass die Schweiz das Land mit den verhältnismässig meisten Open Airs und Festivals ist. Leider findet man darunter nur ganz selten solche, die sich auf harten, E-Gitarren-lastigen Sound spezialisieren und so blieb uns oft nur der Ausweg, ins Ausland zu flüchten. Doch gibt es auch in diesem Fall Ausnahmen und so präsentierte die "Benefiz Waldenburg am 19. August die "Metal-Night" als Teil des zweitägigen "Open Air Waldenburg". Wartete man letztes Jahr mit ausschliesslich Schweizer Rockgrössen auf (Pure Inc., Shakra & Krokus), so wurde heuer ein weitaus bunteres Programm serviert. Death Metal in Form der einheimischen Darkmoon, groovender Hardcore/Thrash mit Ektomorf und Fun Metal in Gestalt der unverwechselbearen Verteidigern des Blöedsinns: J.B.O.!

Beinahe etwas grotesk präsentierte sich mir die ganze Sache: Zwischen dichten Wäldern und Kuhweiden befand sich, einfach so, inmitten eines Waldes, eine Lichtung, auf derer eine Bühne, ein Festzelt und mehrere Food/Nonfood-Stände standen. Zehn Minuten vor dem Beginn des Auftrittes der ersten Band (die einheimischen Darkmoon aus Pratteln hatten die Ehre zugeteilt bekommen, den munteren Reigen zu eröffnen) zählte das Gelände vielleicht knapp 100 Leute, wobei ein nicht bescheidener Teil davon zur Veranstaltungs-Crew zu zählen war.

Darkmoon
Genau um 20.00 Uhr, als die vier Recken aus dem nahe gelegenen Pratteln starten wollten, entschied sich der dieses Jahr gar nicht wohlgesonnene Petrus, es, wie so oft in diesem Sommer, regnen zu lassen. Das störte die Laune des Dunkelmondes aber nicht im Geringsten und das Quartett zeigte sich spiel- und bewegungsfreudig. Dabei traten sie mit ihrem Sound (Black/Death mit Dark Metal Elementen) bei dem überwiegend aus J.B.O.-Fans bestehenden Publikum nicht gerade offene Türen sein, schafften es jedoch gleichwohl, die Mehrheit der Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen und vor der Bühne einen ersten Moshpit anzustacheln. Vor allem Fronthühne Matthias Borer sammelte fleissig Sympathiepunkte mit seinen gut platzierten Ansagen und den charmanten Hinweisen auf den sich neben der Bühne befindenden Merchandise-Stand (der, wie der Grossteil der Festival-Infrastruktur, ziemlich improvisiert wirkte). Doch auch der Rest der Band glänzte auf der Bühne, vor allem durch die markante Präzision, mit derer sie ihren technisch doch nicht ganz anspruchslosen Death Metal runter zockten. Natürlich wurde zwischen den Songs auch nicht versäumt, reichlich Werbung für das im September erschienene Debüt-Album "Of bitterness and hate" zu machen, das bei CCP-Records erschienen ist.

Ektomorf
Wenn ein Veranstalter Ektomorf bucht, kann er sich einer bangenden, springenden und super gelaunten Meute vor der Bühne sicher sein, denn die Ungaren sind mit Sicherheit eine der momentan besten Live-Nummern im Metal-Zirkus. So brachten die Gebrüder Farkas Zoltan (v/g) und Csaba (b) auch an diesem Abend den Mob zum Kochen und das Gelände füllte sich bei schon nächtlichen Verhältnissen auf etwa 400 Leute an. Sowohl am Boden, als auch auf der Bühne wurde zu Zoltan's "Jump"-Growls gesprungen und gehüpft, was das Zeug hielt und Live-Granaten wie "Gipsy", "Burn" oder "Show your fists", zu welchen natürlich hunderte von Fäusten in die Höhe schossen, wurden allesamt abgefeiert, trotz des garstigen Wetters, das die mit Holzspähnen bestreute Lichtung in ein kleines Moor verwandelte. Dies quittierte man jedoch umgehend mit unzähligen Mittelfingern, die während "Fuck you all" den Himmel beleidigten. Den Höhepunkt stellte natürlich "I know them" dar, das lauthals mitgegröhlt wurde und einen energiegeladenen Gig beendete, der nicht nur beim Publikum Eindruck hinterliess, sondern auch der Band imponierte, grinste diese doch im Kollektiv übers ganze Gesicht und bekundete immer wieder, wie geil doch die Schweizer seien.

J.B.O.
Es würde schwer werden, dieses Musterbeispiel von einem Live-Auftritt heute noch zu übertreffen, doch wer J.B.O. kennt, weiss, dass sie eine Liga für sich sind und es immer wieder zustande bringen, alle Erwartungen zu übertreffen. Doch zuerst wurde es erstmal wie gewohnt. Wie erwartet (ich sah die Rosa Armee Fraktion dieses Jahr schon im Alpen-Rock und am Earthshaker Open Air) starteten die in rosa Tarnanzüge gehüllte Band ihre Show mit "Verteidiger des Blöedsinns". Das Publikum sprang gleich an und kletterte in der Stimmungsskala gleich auf den Höchststand. "United States of Blöedsinn" und "Bolle" fuhren dieses Hoch fort, bevor das gewohnte Medley aus Gassenhauer- und Schlagermelodien folgte, das in ein beeindruckendes Gitarrensolo-Duell zwischen Vito und Hannes ausartete, das unter dem Motto "wer kann mehr Metalklassiker?" das Publikum belustigte. Die Band genoss ihren Headliner-Status sichtlich, um dann die altbekannte Hommage an Rammstein (inklusive Feuerspucken!) ("Ein bisschen Frieden") runter zu brettern, bevor es mit dem Hoffnarr wieder ein bisschen ruhiger, jedoch nicht weniger lustig wurde. Mit "Liebe ist süss" bekam das nun schon auf etwa 550 Leute angewachsene Publikum ein eher selten gespieltes Lied zu hören. Wer hätte gedacht, dass es möglich ist, eine Meute Metalfans dazu zu bringen, "Lebt denn der alte Vito noch?" zu intonieren. J.B.O. besassen dabei keinerlei Probleme, das Publikum frass ihnen aus der Hand und vergass die nun auftretende Kälte vollends. Neue Stücke wie "Kickers of ass" und das "Glaubensbekenntnis" (natürlich mit Priester Vito) wurden ebenso frenetisch bejubelt, wie Songs älteren Jahrgangs, seien das "Wir ham 'ne Party" oder das unplugged vorgetragene "Ein guter Tag zum Sterben", und beim Klassiker "Arschloch und Spass dabei" blieb keine Kehle stumm. Unfreiwillig zum Lacher wurde auch Bassist Ralph Bach, der zeitweise sogar vergass, weswegen er überhaupt auf der Bühne stand und seinen Bass während "Gänseblümchen" nutzlos an der Seite baumeln liess..., Unterhaltung pur! Als dann Hannes mit Sprechchören bejubelt wurde, dachte er, selbstlos wie er zu sein scheint, an den Rest der Band und wurde kurzerhand zum Dirigent des "VitoWolframRalph"-Chors, der mehrere Minuten lang anhielt und den Schluss des regulären Sets bestritt. "Ein Fest" war dann wohl das passendste Lied, das man jetzt bringen konnte und so feierten Publikum wie Band eine riesengrosse Party, bevor "J.B.O." den Abschluss machten. Dabei liess die Band das wegen Platzmangel nicht verwendete Logo aufblasen, was dazu führte, dass Drummer Wolfram nur noch hinter dem "O" gesichtet werden konnte und der Rest der Band vielleicht noch je einen Quadratmeter Platz zum Spielen besass. Zwar kannte das Gros der Zuschauer den nur auf "Explizite Lyrik" zu findenden Song nicht wirklich, doch die Band störte dies aber herzlich wenig und zog die Nummer trotzdem im die Länge, was am Ende zu 1 Stunde und circa 35 Minuten Spielzeit führte.

Geschafft von diesem Auftritt, entschied sich meine Mitfahrgelegenheit zur Heimreise, was dazu führte, dass ich die angesehene AC/DC-Coverband Live Wire leider nicht mehr abfeiern durfte. Nach diesem Abend ist klar, dass man sich das "Open Air Waldenburg" nächstes Jahr fest in den privaten Festivalkalender einplanen muss. Klar, was Infrastruktur und Grösse anbelangt, kann man es nicht mit den Grossen der Schweiz vergleichen, was jedoch das Billing und die Atmosphäre anbelangt, stellt das nun zum vierten Mal stattgefundene Konzert die Mehrheit der Massenfestivals hingegen in den Schatten!

Set-Liste J.B.O.: "Verteidiger des Blöedsinns", "United States of Blöedsinn", "Bolle", "Schlager-Medley", "Ein bisschen Frieden", "Hofnarr", "Liebe ist süss", "Lebt denn der alte Vito noch?", "Kickers of ass", "Glaubensbekenntnis", "Wir ham 'ne Party", "Arschloch und Spass dabei", "Ich will Lärm", "Gänseblümchen", "Ein guter Tag zum Sterben", "Ein Fest", "J.B.O".