Livereview: Unheilig - VNV Nation - Rotersand
19. September 2010, Zürich - Volkshaus
By Maiya R.B.
Wenn Unheilig auf ihren Tourneen in der Schweiz Halt machen, dann kann man eigentlich immer mit einem vollen Haus rechnen. So auch an jenem Sonntag, der schwarzgekleidete Musikliebhaber in Scharen nach Zürich lockte.

Wie die Crew von Metal Factory bei einer kleinen Verpflegung vor dem Konzert festgestellt hat, waren passenderweise sogar die Kellnerinnen des nahegelegenen "Hooters" schwarz gekleidet, anstatt wie üblich orange-weiss. Das war wahrscheinlich eher ein Zufall, stellte aber irgendwie einen netten und passenden Gag dar. Der Grossteil der schwarzen Gestalten bildete bereits vor Türöffnung eine sehr lange Schlange vor dem Volkshaus, um sich die beiden Support Acts VNV Nation und Rotersand anzuschauen. Beide Bands heizten dem Publikum mächtig ein und sorgten gekonnt dafür, dass im Saal eine ausgelassene und enthusiastische Stimmung herrschte!

Nachdem VNV Nation und Rotersand sich verabschiedet hatten, wurde schleunigst alles abgeräumt und das wirklich wundervolle Bühnenbild von Unheilig aufgebaut. Der Bug eines Schiffes bildete das zentrale Element der Kulisse, während grosse Kerzen in schlichtem Weiss die Szenerie an beiden Seiten abrundeten und dem Gesamtbild eine gewisse Weichheit gaben. Spannend wurde die Warterei vor allem, weil regelmässig das Schiffshorn aus den Lautsprechern erklang und die markante Stimme des Grafen verkündete "Liebe Besucher! Bitte nehmen Sie ihre Plätze ein, in wenigen Minuten beginnt die Show!" Unauffällig kamen nacheinander die Musiker heraus, gefolgt vom Grafen selbst, der in (wie immer) sehr stilvollem Outfit aufgedreht wie ein Wirbelwind auf die Bühne sprang, um nach dem Intro "Das Meer" gleich den Kracher "Seenot" zum besten zu geben. Schon während des Intros rannen dem Grafen die ersten Schweisstropfen von der markanten Glatze runter, und so verschwand er vor dem dritten Stück kurz, um sein schönes Jackett abzulegen und in weissem Hemd weiter zu machen. Zu jedem Song wurde etwas passendes auf einer grossen Leinwand abgespielt, so wurden zu "Astronaut" herrliche Weltallbilder gezeigt, während zu "Grosse Freiheit" Aufnahmen der Hamburger Innenstadt und des Hafens für das visuelle Amusement sorgten. Das Publikum war bunt gemischt, so begegnete man von Kindern bis zu Rentnern jeder Altersgruppe. Fans der ersten Stunde (in edlen alten Unheilig-Shirts) sowie neue Fans (welche "Grosse Freiheit" lustigerweise für ein Debutalbum halten) waren gleichermassen vertreten und feierten zusammen die Freiheit, die Musik und den Grafen, welcher auf der Bühne strahlte wie ein Stern und jede erdenkliche Rolle verkörperte: hyperaktiven Übermut bei "Abwärts" ebenso gut wie den romantischen Barden der Neuzeit bei "Unter deiner Flagge".

Besondere Stimmung herrschte natürlich vor allem unter den älteren Fans, als das mitreissende "Freiheit" gespielt wurde. Leider muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass zuviele Songs der aktuellen "Grosse Freiheit" gespielt wurden, während beliebte ältere Hits wie "Spiegelbild" oder "Sage Ja" es nicht auf die Setlist schafften. Natürlich ist eine Tournee in erster Linie dazu da, das aktuelle Material vorzustellen, doch es wurde einen Tick zuwenig Rücksicht auf die treuen Fans der ersten Stunde genommen. Es war wie bei manchen Mobilfunkanbietern: Alles wird getan, um es den neuen Kunden bzw. Fans recht zu machen, während die alte Garde aussen vor bleibt. Dennoch, die Band gab musikalisch wirklich alles, hielt sich visuell aber stark im Hintergrund, wodurch der Graf zum Alleinunterhalter des Abends wurde. Er kommunizierte freundlich mit dem Publikum, schwang gekonnt die Hüften und hat sich durch seine scheinbar nie enden wollende Energie sicherlich unzählige Kalorien abtrainiert, denn je später der Abend wurde, desto mehr glich er dem stolzen Besitzer eines Sauna-Abonnements. Die Freude der Zuschauer war schon fast mit den Händen greifbar, und die Atmosphäre während des gesamten Konzertes war voller positiver Energie, welche man den Fans beim Verlassen des Saals so richtig ansah, wenn sie mit strahlenden Gesichtern und leuchtenden Augen nach draussen in die dunkle Nacht verschwanden. Freuen wir uns auf das nächste Konzert im Januar, wenn Unheilig mit der norwegischen Legende Apoptygma Berzerk die Stadthalle in Sursee heimsuchen!

Setliste (ohne Gewähr): Das Meer - Seenot - Schenk mir ein Wunder - Unter deiner Flagge - Feuerengel - Abwärts - Halt mich - An Deiner Seite - Freiheit - Astronaut - Grosse Freiheit - Kleine Puppe - Unter Feuer - Maschine - Für Immer - Lampenfieber - Geboren um zu leben - Mein Stern