Livereview: Threshold - Overtures - The Silent Wedding

15. November 2014, Aarau – KiFF
By Rockslave
 
Die Engländer gehören schon eine geraume Zeit zu den Speerspitzen des Progressive Metal und obwohl kaum zu glauben, wurde die Band Threshold 1988 von Mainman und Gitarrist Karl Groom gegründet. Lange fünf Jahre später erschien mit «Wounded Land» das legendäre Debüt. Der damalige Frontmann ist auch der heutige Sänger: Damian Wilson. Dass das so ist, hat eine an sich traurige Vorgeschichte, denn wenn sein 2007 ausgestiegener „Vorgänger“ Andrew „Mac“ McDermott 2011 nicht verstorben wäre, hätte eine Reunion mindestens theoretisch stattfinden können. Damian sprang damals jedoch umgehend ein, damit die anstehende Tour nicht gecancelt werden musste. Der Beginn gestaltete sich verständlicherweise etwas harzig, da dieser halt schon eine ganze Weile weg vom Fenster war und sich die Gunst der „Mac“-Fans zuerst hart erarbeiten musste. Auch meine Wenigkeit brauchte eine gewisse Zeit, um mit dem neuen alten Shouter klar zu kommen. Spätestens das hammergeile Comeback-Album «March Of Progress» von 2012 liess dann aber alle Kritiker verstummen und heuer war es mit dem oberamtlichen neuen Werk «For The Journey» nicht anders. Die beiden Vorbands Overtures und The Silent Wedding waren hingegen völlig unbeschriebene Blätter für mich.


The Silent Wedding

Was ist nur aus der einstigen Ferien-Traumdestination Griechenland geworden? Die wirtschaftlichen, politischen und letztlich auch gesellschaftlichen Probleme dauern schon eine ganze Weile an und ein glückliches Ende ist leider noch lange nicht in Sicht, im Gegenteil! Den bedauernswerten Griechen geht es wirklich nicht gut und doch gibt es zumindest oder wenigstens neben Firewind noch die eine oder andere weitere Hellas-Band die immerhin versucht, das Beste aus den misslichen Lebensumständen zu machen und etwas Gescheites auf die Beine zu stellen. The Silent Wedding stammen aus Athen und wurden 2006 gegründet. Zwei Jahre danach erschien eine erste selbstbetitelte EP und das Debüt-Album kam 2013 unter dem Titel «Livin‘ Experiments» auf den Markt. Stilistisch bewegen sich Marios Karanastasis (v), Jim Katsaros (g), Johnny Thermos (keyb), Stavros Karlis (b) und Renos Lialioutis (d) in der Schnittmenge zwischen Melodic und Progressive Metal. Der heutige Auftritt war der allererste in der Schweiz und wurde entsprechend auch als solcher erwähnt. Die sympathisch wirkende Truppe spielte vor einem bereits ordentlich gefüllten KiFF-Saal tight auf und vor allem Frontmann Marios entpuppte sich schon bald als wirklich guter Sänger, was bei diesem Sound unabdingbar ist. Die technischen Fertigkeiten der Kollegen standen dem in Nichts nach und überzeugten als Ganzes durchaus. Im Wissen darum, dass die erste Band des Abends bei einem normalen Dreier-Pack ohne „Special Guest“-Status normalerweise eine halbe Stunde Spielzeit erhält, erstaunte es an dieser Stelle, dass man «Gutter Ballet» von Savatage interpretierte. Da dies aber sehr gekonnt geschah, sorgten The Silent Wedding für einen weiteren Pluspunkt ihrer Darbietung und zeigten gleichzeitig auf, wo beim Songwriting noch eine Schippe mehr drauf gelegt werden sollte. Die Fans verabschiedeten den Opener dennoch mit einem mehr als nur warmen Applaus, den er sich redlich verdient hatte.

Setliste: «To Them» - «The Tale of Strahd» - «The Return (To Ithaca) » - «Gutter Ballet (Savatage Cover)» - «In Vitro».


Overtures
Die zweite Band stammt aus „bella Italia“ und auch diese hatte ich bisher überhaupt nicht auf dem Radar. Die Anfänge der Italiener reichen mit 2003 noch etwas weiter zurück und darum erstaunt es auch nicht, dass Overtures in der Zwischenzeit nebst dem einen oder anderen Sampler-Beitrag bereits drei Langrillen vorweisen können. Musikalisch liegt man etwa im gleichen Range wie The Silent Wedding, weist jedoch eher etwas power-metallischere Züge auf. Michele Guaitoli (v), Marco Falanga (g), Adriano Crasnich (g), Luka Klanjscek (b) und Andrea Cum (d) vermittelten, kaum auf die Bühne gestiegen, den eigentlich gleich sympathischen Eindruck wie ihre Vorgänger. Optisch stach derweil der junge grossgewachsene Bassist Luka (19 Jahre alt) heraus, der auch haartechnisch viel zu brav daher kam, dafür aber von Anfang an seinem 6-Stringer (!) ziemlich fette Grooves entlockte. Wie schon zuvor, war es nun an Frontgaul Michele Guaitoli, sich ebenso entsprechend in Szene zu setzen und das gelang nach kurzer Aufwärmzeit vorzüglich. Davon liessen sich auch die anderen Bandmembers bald anstecken und gemeinsam lieferten Overtures eine zweite gute Show an diesem Konzertabend ab, die mitunter mal von einigen Screams von Michele durchzogen war oder auch von schnellen Rhythmen mit Doublebass-Drums lebte. Ab und an schimmerte auch Proggiges durch, doch insgesamt war die Mucke der Italos tendenziell härter als die des Openers. Die beiden Gitarristen Marco und Adriano posten derweil ähnlich wie dies Audrey Horne’s Axtbrigade mit Arve Isdal und Thomas Tofthagen in Perfektion zelebriert. Obwohl die Performance sehr gefällig rüber kam und den inzwischen noch besser bevölkerten Saal in die richtige Anheizer-Stimmung versetzen konnte, merkt man dann halt bei fortschreitender Zeit, dass zwar nach 45 wirklich unterhaltsamen Minuten alles soweit in bester Ordnung ist, aber wenn die Songs eindringliche Passagen oder hitverdächtige Refrains vermissen lassen, dennoch was Wichtiges spürbar fehlt. Im kommenden Jahr steht auf jeden Fall ein brandneues Album ins Haus und da kann man, ja muss man sicher mal ein Auge drauf werfen wie ein Ohr hinhalten.

Setliste: «Intro» - «The Maze» - «Under The Northern Star» - «Saviour» - «Programmed To Serve» - «A Different Point Of View» - «The Oracle» - «Fly, Angel».


Threshold
Die Wahl des KiFF hätte für den Schweizer Tour-Halt der Threshold-Tour zum aktuellen Album «For The Journey» nicht besser sein können! Die heute Abend an sich (fast?) ausverkaufte Location bietet in der Regel stets ein intensives Konzerterlebnis, da man dort überwiegend keine Bühnenab-sperrungen benötigt. Das ist zwar jeweils für die FotographenInnen nicht so angenehm, aber die so mögliche Nähe zu den Musikern wiegt das längstens auf. Meine Wenigkeit und viele mehr freuten sich tierisch auf Threshold, denn sie sind bekanntlich in der Lage, ihren opulenten Tonträger-Sound auf der Bühne zu reproduzieren. Prog Metal ist ja grundsätzlich eine Stilrichtung, die oftmals eine eingeschworene Fangemeinde, ja mitweilen gar Prog-Nerds anzieht, doch der Sound der Englänger weist gegenüber Genre-Kollegen nebst den Genre-Musts oft mehr Wumms, sprich Härte auf (vor allem früher) und dies spricht eben nicht nur den gemeinen Progger an. So konnte man sich auf eine feine Retrospektive der älteren Kultalben bis hin zum grandiosen Neuwerk «For The Journey» freuen. Zum Aufmarsch der Band (mit einem aktuell ziemlich bärtigen Damian Wilson) wurde bereits lautstark applaudiert. Der Opener «Slipstream» fuhr dann gerade zu Beginn alle Trademarks auf, die man von Threshold gewohnt ist, nämlich eindringliche Melodien, Bombast und Gitarren. Das nachfolgende «The Hours» vom brillanten Vorgängerwerk «March Of Progress». Insgesamt wurden nicht weniger als neun Songs der letzten beiden Alben zelebriert. Das zeigte unmiss-verständlich auf, wie viel Selbstvertrauen in die Zukunft gesetzt wird. Damian Wilson ist mittlerweile klar aus dem Schatten der „Mac“-Ära heraus getreten und Karl Groom wird sich im Stillen wohl schon mehrmals glücklich darüber geschätzt haben, dass es wieder so gut läuft wie einst.

Dieser Verdienst gebührt natürlich der ganzen Band, dessen Line-Up nun seit 2007 konstant geblieben ist. Vor allem vermochte auch Gitarrist Pete Morten seinen Vorgänger und Ur-Mitglied Nick Midson adäquat zu ersetzen. Die Rhythm-Section mit Steve Anderson (b) und Johanne James (d) steht überdies seit 2003, respektive 2000 wie ein Fels in der Brandung. Es war einfach nur der pure Prog-Genuss, der sich ins KiFF ergoss. Eigentlich fehlten mir zum absoluten Glück nur noch der eine oder andere Song von meinem Lieblingsalbum «Clone», doch wenn solche Epen wie «Pilot In The Sky Of Dreams» oder das neue 12-minütige «The Box» im Set verbleiben, kann man dennoch mehr als nur zufrieden sein. Zudem bewies Damian Wilson seine unkomplizierte und fannahe Art mit einem beherzten Stagedive in die Fans hinein, was ja die wenigsten machen. Das setzt schon noch ein gerütteltes Mass an Vertrauen voraus, doch er wurde sprichwörtlich und lockerst auf Händen getragen. Zuvor kommunizierte und unterhielt er sein Publikum bestens. Bezeichnend schliesslich am Schluss, dass die beiden Zugaben «Turned To Dust» und «Ashes» wiederum von den beiden akustischen Göttergaben der Neuzeit stammten. Nach dem gut 100-minütigen Konzert hielt sich Damian noch eine Weile in der Venue auf und in einem lockeren Schwatz erfuhr ich dann noch von seiner zweiten Band Headspace, die auch einen auf progressiv macht, aber mehr in Richtung Rock als Metal. Dort ist übrigens Tastenmann Adam Wakeman mit dabei, der, man vermutet es bei dem Nachnamen, in der Tat der Sohn von Yes-Legende Rick Wakeman ist! Wer also noch nicht genug von Threshold kriegt, kann und sollte sich ebenso dem zweiten Steckenpferd des Herrn Wilson annehmen. Die 2015er Ausgabe von „70000 Tons Of Metal“ bietet übrigens bereits im kommenden Januar die nächste Möglichkeit, die Band live zu sehen.

Setliste: «Slipstream» - «The Hours» - «Liberty, Complacency, Dependency» - «Ground Control» - «Unforgiven» - «Long Way Home» - «Part Of The Chaos» - «Coda» - «Lost In Your Memory» - «Watchtower On The Moon» - «Pilot In The Sky Of Dreams» - «Mission Profile» - «The Box» -- «Turned To Dust» - «Ashes».