Livereview: Slayer - Lamb Of God - Anthrax - Obituary

21. November 2018, Zürich – Halle 622
By Rockslave (rsl), Oli H. (oli) & Leopold (leo) – All Pics by Rockslave
Immerhin standen heute Abend zwei von vier Bands der legendären „Big Four“ (Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax) gemeinsam auf der Bühne. Der Anlass dazu war jedoch überschattet von der Tatsache, dass Slayer unlängst bekannt gegeben hatten, sich bald einmal auflösen zu wollen. Entsprechend wurde dieser Auftritt in Zürich im Rahmen der „Final World Tour“ als „Final Show in Switzerland“ angepriesen, was die Wirkung auf die Ticketverkäufe nicht verfehlte. Das Konzert war im Nu ausverkauft und einige Fans zogen den (vermeintlich) Kürzeren, doch dazu später mehr. Für meine Wenigkeit und, wie sich noch heraus stellen sollte, auch für einige andere mehr, war dies die Premiere in der Halle 622, einer ehemaligen Werkhalle der ABB. Dort angekommen waren natürlich einige KollegenInnen aus dem Fotopit bereits anwesend und nach kurzem Smalltalk und ein paar Handshakes ging es durch die leere Halle parallel nebendran bereits nach vorne zur Bühne. Während das Licht, zusammen mit diesem verfluchten Rauchnebel, bei Obituary und Anthrax zur Herausforderung wurde, kamen Lamb Of God ordentlich in die Gänge und Slayer sehr ansprechend, zum Glück! (rsl)

Obituary

Den Startschuss des Abends gaben die kalifornischen Death Metal-Legenden von Obituary ab. Bereits schon um 18:10 Uhr, was relativ früh war, ertönten die ersten Akkorde von „Deadly Intentions“. Die Halle 622 war zu dem Zeitpunkt schon recht gut gefüllt und eine Schlange an Leuten bahnte sich desweilen draussen noch gemütlich einen Weg ins Lokal. Die Band um John und Donald Tardy versuchte währenddessen die Metalheads auf die restlichen Konzerte einzustimmen. Sichtlich gut gelaunt und trotz des doch schon fortgeschrittenen Alters, zog der Fünfer eine energiegeladene Show ab, die den Fans zu schmecken schien. Zumindest dem Publikum, das im ersten Drittel vor der Bühne platziert war. Leider, denn dies war beim zweiten Act des Abends auch der Fall, war die Lautstärke viel zu gering. In den vorderen Reihen war man noch gut bedient aber zur Mitte hin musste man sich schon ganz und gar auf den Sound konzentrieren, wenn man nicht immer das Gespräch der rumstehenden Fans im Ohr haben wollte. Dies fand ich persönlich etwas schade, denn Obituary haben gerade in den letzten Jahren wieder zu alter Stärke gefunden und ihre Shows sind immer eine geballte Ladung Power. Für meinen Geschmack hatten die Kalifornier etwas die Arschkarte gezogen aber einen trifft es ja immer. Nach etwa einer halben Stunde war dann auch schon wieder Schicht im Schacht und mit „Slowly We Rot“ verabschiedete sich das Quintett von seinen Schweizer Fans. Es wird sicherlich nicht das letzte Mal sein! (oli)

Setliste: «Deadly Intentions» - «Sentence Day» - «Chopped In Half» - «Straight To Hell» - «Find The Arise» - «I’m In Pain» - «Slowly We Rot».


Anthrax
Wow, also den Überraschungseffekt hatten die New Yorker auf Nummer sicher. Begannen die doch mit Panteras «Cowboys From Hell» als Intro, zwar nur angespielt, aber das liess doch die thrash-deathige Meute im Saale, beziehungsweise der Halle mal aufhorchen. Dann ging man nach der kurzen Begrüssung zum Opener «Caught In A Mosh» über. Huch, was war denn da los? Plötzlich war der Sound etwas matschig, unklar. Doch als Profi weiss man: Durchziehen und das taten Anthrax dann auch, und wie. Vom ersten Ton an erkannte man sehr schnell, dass die Jungs immer noch Spass an ihrer Mucke haben, und vor allem am heutigen Abend auf der Stage zu stehen und ab zu thrashen. Und auch der Soundtechniker am Mischpult hatte dann spätestens beim zweiten Song «Got The Time» den Dreh raus und entfernte gekonnt alle unklaren und matschigen Klänge, so dass sich die New Yorker-Party in Zürich so richtig schön warm laufen konnte und durfte. Der absolute Mosher folgte dann mit «Efilnikufesin (N.F.L.)», wo das Publikum teilweise auch mitmoshte und mitjohlte. Danach folgten «Be All, End All» und «Fight 'Em 'Til You Can't», wo man spätestens dann eben zugeben muss, dass Anthrax in der aktuellen Besetzung mit Charlie Benante, Scott Ian, Frank Bello, Joey Belladonna und Jonathan Donais eine absolut unschlagbare Truppe sind, zusammengeschweisst, eine geschlossene Einheit. Joey Belladonna ist der Spassmacher bester Generation auf der Stage, ein Animator, ein Derwisch und Publikumsunterhalter, sei es mit seinen Gesten oder mit der Unterhaltung mit dem Publikum, welches dann ab und an auch von Scott Ian untermauert und ergänzt wird, vor allem Scott Ian sichtlich Freude hatte, wieder in Zürich zu sein, was er bei einer erneuten Pause, und zwar vor «Antisocial», dem bekannten Trust-Cover. Zu guter Letzt durfte natürlich «Indians» nicht fehlen, und so ging ein denkwürdiger Gig von Anthrax absolut goil zu Ende. Auch das Backdrop war der Hammer an diesem Abend. Beim Abgang sorgte wieder der Song «Cowboys From Hell» von Pantera für die Untermalung. Diesen kurzen Auftritt haben die New Yorker gekonnt für sich ummünzen können und dürfen, denn in dieser Verfassung ist noch lange mit Anthrax zu rechnen. Sauber gemoshed! (leo)

Setliste: «Intro 'Cowboys From Hell' – Pantera» - «Caught In A Mosh» - «Got The Time» - «Efilnikufesin (N.F.L.)» - «Be All, End All» - «Fight 'Em 'Til You Can't» - «Antisocial - Trust» - «Indians» - «Outro 'Cowboys From Hell' – Pantera»


Lamb Of God
Nach Anthrax, den ersten Thrashern des Abends stand die „Pure American Metal“-Brigade von Lamb Of God auf der Liste, die mindestens ebenso kraftvoll wie brachial zu Werke ging. Auf sie war ich besonders gespannt, da es bereits im Vorfeld (auch noch in der Masse beim Anstehen) immer wieder kritische Stimmen gab, die mit ihrem Platz im Line-Up nicht einverstanden waren. Erstmals in angemessener Lautstärke und technisch auf sehr hohem Niveau, bretterten die Amis dann durch die Halle in Zürich. Etliche Zuschauer waren ob der Live-Qualitäten der Amerikaner sichtlich überrascht und diskutierten lautstark, dass „die“, live doch richtig was auf dem Kasten haben. Fronter Blythe feuerte immer wieder die Menge an und wirbelte dabei seine Dreadlock-Zotteln wild durch die Luft. Die wehenden Haare von Bassist John Campbell und Gitarrist Mark Morton auf der in blau getauchten Bühne, gehören dabei bereits vom Beginn an fest zum Programm. Die Songauswahl an diesem Abend konnte sich ebenfalls sehen lassen. Bei ihrem Gig konzentrierte sich das Quintett aus Virginia weitgehend auf seine drei Erfolgsalben „Ashes Of The Wake“, „Sacrament“ und „VII: Sturm und Drang“. Fast alle Tracks waren hoch an Energie und das Publikum musste sich zum Sound einfach bewegen, ob es nun wollte oder nicht. Es nahm einen schlichtweg mit und der Nacken war nach diesem Gig bestens geölt für den Headliner dieser Show. Im Laufe der ersten Stücke kündigte Sänger Blythe zudem an, dass Lamb Of God die Halle zerlegen wollen. Das Ganze war natürlich rein sprichwörtlich gemeint aber im musikalischen Sinne war die Ansage der Mannen um Saitenhexer Willie Adler und Ersatzdrummer Art Cruz mit ihrem ganz eigenen Metal-Stil durchaus kein leeres Versprechen. Von der Anfangsnummer „Omerta“ bis zum finalen „Redneck“ hüllten sie die Halle 622 in knallharte Gitarrenriffs und gewaltige Bass Drum-Salven. (oli)

Setliste: «Omerta» - «Ruin» - «Walk With Me In Hell» - «Now You've Got Something To Die For» - «512» - «Engage The Fear Machine» - «Blacken The Cursed Sun» - «Laid To Rest» «Redneck».


Slayer
Als es eindunkelte - nein nicht draussen - drinnen, in der Halle 622, in der Bühnenregion, ertönte das Intro von «Delusions From Saviour». Gestalten schlichen sich auf die Bühne und 'zack', waren die ersten Töne von «Repentless» erklungen. Es war eine mystische Audienz der Slayer-Herren, eine riesige Marshallwand, und später dann sich wechselnde Backdrops waren der Hammer an diesem ehrwürdigen Abend. Von der ersten Minute faszinierte sowohl die permanente Lichtshow als auch die Feuersäulen, welche stark imponierten..., und den Akteuren auf der Stage wohl einige Schweisstropfen zusätzlich bescherten. Nun, man spielte die bekannten Tracks vom immensen Palmares von Slayer durch, denn es folgten «Blood Red», «Disciple», «Mandatory Suicide» und «Hate Worldwide», als ich dann - wie bei Slayer-Shows gewohnt - Tom Araya sich das erste Mal dem Publikum zuwandte und kommunizierte. Aber eines merkte man sogleich, dass Gary Holt der eindeutige Derwisch der Band ist, auch auf der Bühne immer eine stete Spielfreude an den Tag legte sowie die Grimassenkommunikation mit der Meute in der Halle suchte und auch machte. So zählte dann auch Tom Araya mit 'Eins, Zwei, Drei' zu «War Ensemble» ein und die Thrash-Party nahm die nächsten Höhepunkte ins Visier. Auch hatten Slayer von Anfang an einen nahezu perfekten Sound. Danach folgten «Jihad», «When The Stillness Comes», um danach wieder die alten, bekannten und wohl auch vom Publikum meist geliebten Songs zurück zu kehren, und zwar mit «Postmortem» und «Black Magic», um dann zu «Payback» zu gelangen. Ja, auch hier war schnell mal auszumachen, in dieser Konstellation funktioneren Slayer einfach perfekt. Genau, bewusst wähle ich keine Vergangenheitsform, denn Slayer sind immer noch auf ihrer Tour. Slayer sind ja in aktueller Besetzung Tom Araya, Gary Holt, Kerry King und Paul Bostaph, und diese Einheit war an besagtem Abend eine granatengewaltige Thrasheinheit. Ja, jetzt kommen wohl die ersten Unkenrufe zu Jeff Hanneman. Ja, er prägte Slayer, dafür ehren wir ihn auch.

Aber da er weder geklont noch in Kopie erstellt worden ist, muss man sich damit begnügen, dass es diese Konstellation nie mehr geben würden, ja, seit seinem Tod im Jahre 2013. Dasselbe könnte man auch über Dave Lombardo lamentieren, oder etwa nicht? Also, das Leben geht weiter und Slayer haben sich korrekt auch in diese Sinn gehandelt. Damit sollte auch mal gut sein und sich dem Dargebotenen hingeben und darüber freuen, dass man Slayer auf der angekündigten Abschiedstour live nochmals sehen durfte. Aber genug philosophiert, das Hirn braucht nun weitere Thrashkracher und -nahrung, als dann man zu «Seasons In The Abyss», «Dittohead», «Dead Skin Mask» gelangten, und als die ersten Töne von «Hell Awaits» erklangen, war die Meute völlig am Ausflippen und Headbeangen. Dies waren auch der letzte Song im 'regulären' Setlist, aber jeder in der gefüllten Halle wusste, da kommt noch was, da kommt noch mehr. Ja, ich weiss, ich werde es auch erwähnen, dass Gary Holt die Gitarre mit dem Heineken-Hanneman-Logo spielte und das Backdrop ganz am Schluss, eben besagtes Heineken-Hanneman-Logo, enthüllt wurde. Schliesslich erklangen die ersten Töne von «South Of Heaven», «Raining Blood», «Chemical Warfare» und zu guter Letzt noch «Angel Of Death». Mein persönlicher Fave war ganz klar «Raining Blood», für mich die Thrash-Granate schlechthin und eben Slayer pur, für mich wohlbemerkt. Die steten Feuersäulen und die Lichtshow während allen Tracks machten schlussendlich diesen Abend einmalig, weil es ja aktuell bekanntlich die letzte Tour ist von Slayer. Nun, ich bin kein Wetteiferer, aber da ich bei den Scorpions nicht falsch gelegen habe, so sage ich mal progressiv: "Slayer, man sieht sich, vielleicht in vier oder fünf Jahren wieder... - so long, thänx für alles and cheers!" Na, wie denkt ihr wohl darüber? Auf jeden Fall, ein gelungener Event mit allen vier Bands. Obituary hatten den besten und klarsten Sound, Anthrax hatten am meisten Spass auf der Stage, Lamb Of God hatten den brutalsten und härtesten Sound, während Slayer ein sehr ausgewogene Setliste zu einer pompösen Show an diesem denkwürdigen Abend zelebrierten, der einem erst viel viel später nochmals sehr bewusst werden wird. (leo)

Setliste: «Repentless» - «'Blood Red» - «Disciple» - «Mandatory Suicide» - «Hate Worldwide» - «War Ensemble» - «Jihad» - «When The Stillness Comes» - «Postmortem» - «Black Magic» - «Payback» - «Seasons In The Abyss» - «Dittohead» - «Dead Skin Mask» - «Hell Awaits» -- «South Of Heaven» - «Raining Blood» - «Chemical Warfare» - «Angel Of Death».

Schlusswort: Die Abschiedstour von Slayer, passend «The Final World»-Tour genannt, wie sollte es anders auch sein, von den Thrash Metal Kings, den Slaytanics, auf eidgenössischem Boden. Das ist für gestandene Thrash Metal Freaks wie ein Pflichtfach in der Schule, das muss erlebt und zelebriert werden. Auch wenn das Ende nahe ist, die Eindrücke und viele Releases dieser Thrash-Titanen leben weiter..., und wer weiss, nimmt man das Beispiel von den Scorpions, so das mit 'finaler Tour' und so..., ja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber noch ist nicht aller Tage Abend. (leo)