Livereview: Slayer - Disparaged
05. August 2010, Zürich - Volkshaus
By Kissi (kis) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
54 Mitglieder zählt die Gruppe «Slayer sind im Volkshaus Zürich zuhause!!!» auf Facebook zwar nur, doch spricht deren Existenz doch Bände. In den 80ern brachte das legendäre Thrash-Quartett die nicht minder ehrwürdige Konzerthalle im Herzen Zürichs zum Beben. In den letzten Jahren hingegen suchte die weltböseste Truppe um Tom Araya immer wieder andere, neue Locations auf, um Klassiker wie «Rain In Blood» oder «Angel Of Death» zum Besten zu geben und dies nicht immer zur Freude der Fans bzw. Ohren. 2005 musste man im X-Tra für ein Bier tief in die Tasche greifen.

2006 und 2008 sorgten die grösseren Hallen in Winterthur, wo die «Unholy Alliance» gastierte, zwar für eindrücklich teuflische Live-Shows, drosselten aber auch die Energie durch ein zu gemischtes Publikum und auf sonnenbeschienenen Festival-Bühnen wie derer des Greenfields (2007) oder des Sonisphere (diesen Sommer) bekam Kerry Kings grimmiges Äusseres gar etwas Lächerliches. Deswegen die berechtigte Forderung, Slayer wieder im Volkshaus spielen zu lassen, was dann im August (nach mehrmaligem Verschieben aufgrund Tom Arayas wankendem Gesundheitszustand) auch endlich wahr wurde. Weit mehr als die 54 Gruppen-Mitglieder kamen und die Veteranen des Thrash prügelten das proppenvolle Volkshaus mit Riffs und Doublebass Drums zurück in die goldenen 80er. Zwar schade, dass der geplante Support The Haunted da nicht dabei sein konnte. Unsere heimischen Todesbleier Disparaged vertraten die Schweden aber wacker. (kis)


Disparaged
Man wünscht ja grundsätzlich Niemandem was Schlechtes, aber Disparaged dürften sich mit Sicherheit königlich darüber gefreut haben, dass sie in Zürich für die verhinderten The Haunted einspringen konnten! Wer will schon nicht im Vorprogramm der amerikanischen Kult-Thrasher Slayer spielen, zumal der Laden brechend voll war?!! Eben..., und deshalb liessen sich die Herren Kuzmic (v/g), Beier (g/v), Scheiber (b/v) und Lebovci (d) nicht zweimal bitten! Mit dem Opener «Caught In The Fire» vom letztjährigen, aktuellen Album «The Wrath Of God» legte das Todesblei-Quartett in bester Bolt Thrower Manier los. Obwohl die Lautstärke schon noch etwas mehr hätte vertragen können, klang die Soundwalze von Anfang an ziemlich tight. Beim zweiten Song «Reborn», der pfeilschnell aus der PA rauschte, musste Drummer Deniz Lebovci "Schwerarbeit" verrichten. Hier kamen die Trademarks von Disparaged eindrücklich zu Vorschein, will heissen nebst dem rasendem Grund-Tempo, dominierte ebenso knallhartes Riffing, zu dem auch Melody-Lines und etwas langsamere Parts gehörten. Obwohl das Ganze sehr kompakt vorgetragen wurde, verhielt sich das Publikum insgesamt sehr verhalten. Das erstaunte mich schon etwas, obwohl zum Beispiel der mega groovige Titeltrack «The Wrath Of God» (Bolt Thrower lassen auch hier überdeutlich grüssen) besser ankam und einmal auch sowas Ähnliches wie ein Circle Pit entstand. Mir persönlich gefielen mehr als einmal die mehrstimmigen Vocal-Parts und die exzellente Gitarrenarbeit, die mich von den Melodien her und zusammen mit den kräftigen Growls von Tomislav Kuzmic manchmal auch an Dan Swanö's brillantes Solowerk «Moontower» (1998) erinnerten. Mag ja sein, dass die Mehrzahl der Fans diese an sich fett vorgetragene halbe Support-Stunde bald vorübergehen sehen wollte, aber wer unter anderem solche Kracher wie «Under Foreign Flag» am Start hat, verdient klar mehr Aufmerksamkeit. Der Headliner unserer Jubiläums-Sause in Dietikon ("Metal Factory Festival") legte heute Abend in Zürich auf jeden Fall einen überzeugenden Auftritt hin, der locker auch die früher üblichen 45 Minuten (und nicht nur mickrige 30 Minütchen) hätte dauern dürfen. (rsl)

Setliste: «Caught In The Fire» - «Reborn» - «Under Foreign Flag» - «Salvation» - «Thy Will» - «Overlust» - «The Wrath Of God» - «Bringer Of Death».

Slayer
Nach Disparaged offenbarte sich dann doch, was sich seit den 80ern neben gesteigertem Bauchumfang und gelichtetem Haupt bei einigen geändert hat: Das Volkshaus ist jetzt rauchfrei, sodass man nicht nur zum Getränke holen, sondern auch zum Glimmstängel vernichten durchs Foyer muss, was zu mehreren Kontakten mit schweissnassen Rücken führte, die einem lieber erspart geblieben wären. Eindrücklich laut erschallten dann die "Slayer"-Chöre schon, kam man(n) mit Bier und Nikotin versorgt wieder zurück in die Halle. Ein Blick auf die Bühne verriet, dass die Herren Araya und Co. heute wohl auf Schnickschnack verzichten würden. Lediglich die obligaten Marshall-Wände (egal ob Attrappe oder echt) verrieten, dass der gefürchtete Tinnitus schon in den Startlöchern stand. Mit «World Painted Blood», dem Titeltrack ihrer aktuellen und dabei auch schon ein Jahr alten Scheibe, öffneten Slayer die Tore zur Hölle und wurden dabei von Beginn weg überraschend euphorisch abgefeiert, was auch für den zweiten Neuling, «Hate Worldwide» galt. Dann hatte es sich aber auch mit neuem Material, denn dieser Abend stand ganz im Zeichen alter Klassiker und einzig das groovende «Beauty Through Order» sollte aus dem neuen Jahrtausend noch folgen. Der Sound war eine Wand, die Riffs der bangenden Herren King/Hannemann kamen klar und druckvoll und als ein sichtlich gut gelaunter wie wiedererstarkter Tom Araya mit überschlagender Stimme «War Ensemble» gegen die Meute schrie, gab es kein Halten mehr! Die Fäuste schnellten in die Höhe, die Köpfe wackelten und die Temperatur im Volkshaus überschritt die Jahreshöchstmarke. Dass «Season In The Abyss» die insgesamt vielleicht die stärkste Platte des Teufel-Quartetts ist, muss man Fans nicht sagen und auch Slayer selbst schienen dies zu wissen.

Nicht weniger als fünf Nummern der Scheibe von 1990 standen heute nämlich auf der Setliste, das heisst nach «War Ensemble» noch «Expendable Youth», «Spirit Black», der Titeltrack und natürlich das diabolische «Dead Skin Mask», dessen Refrain Araya das Publikum zuerst a capella intonieren liess, bevor Schlachtmeister Kerry King das morbide Lick im kalten Lichte kreisender Scheinwerfer zu spielen begann. Etwas enttäuscht hatte mich unser werter Rockslave vor der Show darauf hingewiesen, dass «Hell Awaits», der Titeltrack des zweiten Slayer-Langeisens, auch an diesem Abend wohl schon wieder nicht zum Zuge kommen würde. Dass dies leider der Fall sein würde, glaubten auch viele andere Fans. Komplett aus dem Häuschen war man deshalb, als der Herrscher über das Doublebass, Dave Lombardo, den stoischen Rhythmus dieser Perle (jaaaaaaa..., rsl) von 1985 anschlug. «Mandatory Suicide», «Chemical Warfare» und das obligatorisch mit rotem Flutlicht untermalte «Raining Blood», ein Hit nach dem anderen, alle fast ohne Pausen aneinander gereiht, folgten und strapazierten die Nackenmuskeln noch heftiger, bevor ein weiterer Klassiker aus längst vergangenen Tagen folgte. Die Screams von «Aggressive Perfector» brachte Araya zwar nicht mehr so hoch wie auf «Haunting The Chapel» von 1984, mit seiner rohen Wut konnte es der Song aber ohne Weiteres mit dem erwartungsgemäss die Show abschliessenden «South Of Heaven» und «Angel Of Death» aufnehmen. Zwar tobte das Publikum danach noch eine ganze Weile, doch konnte man ein weiteres Erscheinen der Band nach diesem Doppel-Todesstoss kaum mehr erwarten. Zeitlich wäre zwar nach gerade einmal 80 Minuten schon noch Platz nach oben gewesen, körperlich allerdings fühlte man sich zu diesem Zeitpunkt, als hätte man gerade einen Boxkampf über die volle Distanz überstehen müssen. Ob es an dem wiedererstarkten Tom Araya, an der Setliste oder am äusserst dankbaren Publikum lag, Slayer bewiesen an diesem Abend unumstösslich, dass sie in der Schweiz an genau einem Ort spielen sollten und nirgendwo anders: dem Zürcher Volkshaus nämlich! (kis)

Setliste: «World Painted Blood» «Hate Worldwide» «War Ensemble» «Expendable Youth» «Dead Skin Mask» «Beauty Through Order» «Seasons In The Abyss» «Hell Awaits» «Spirit In Black» «Mandatory Suicide» «Chemical Warfare» «Raining Blood» «Aggressive Perfector» «South Of Heaven» «Angel Of Death».