Livereview: Scorpions
03. August 2011, Avenches – Rock Oz'Arènes
By Tinu
8'000 Fans sollen es gewesen sein, welche beim 20. Rock Oz'Arènes am Mittwochabend zusammen mit den Scorpions das Amphitheater zum Rocken brachten. Dieser Event, der am folgenden Tag durch Motörhead, Clawfinger, Shakra und Katmandu nochmals das Fürchten bekam, glich einem grossen Volksfest. Dazu muss man allen Verantwortlichen ein grosses Kompliment aussprechen, denn bei der Parkplatzzufahrt wie auch bei der Passausgabe lief alles problemlos ab.

Auch das Wetter hielt sich, denn mit Ausnahme ein paar weniger Tropfen blieb alles trocken und die Jungs um Sänger Klaus Meine und Gitarrist Rudolf Schenker boten eine Show, die sich sehen und hören lassen konnte. Sie sind noch immer auf ihrer mehrjährigen Abschiedstournee und haben sich auch an diesem Abend von ihrer besten Seite gezeigt. Anhand des Zeitplans sollten die Hannoveraner aber nur eine Stunde spielen. Dies entpuppte sich aber Gott sei Dank als Fehlinformation und so drückte das Quintett knapp 100 Minuten auf die Tube. Allerdings, und das geht als einziger Wermutstropfen durch, fielen dabei vier Songs dem kürzeren Zeitplan, im Vergleich zu anderen Konzerten, zum Opfer. So wurde neben «Loving You Sunday Morning», auch «Dynamite», «When The Smoke Is Going Down» und «Always Somewhere» von der Liste gestrichen, die an anderer Stelle noch gespielt wurden. Schade! Ansonsten boten Klaus Meine, Rudolf Schenker, Matthias Jabs (g), Pawel Maciwoda (b) und James Kottak (d) die identische Show wie im Zürcher-Hallenstadion-Gig vom 10. November 2010. – Abgesehen davon, dass damals «Loving You Sunday Morning» und das fulminante «Dynamite» gespielt wurden. – Wer diesen Live-Bericht auf Metal Factory schon gelesen hat, der weiss was er verpasst hat.

In Zürich, wie auch in Avenches. Konzentrieren wir uns also auf die Dinge, welche noch besser waren. Zum Beispiel die Bühnenpräsentation. Nicht, dass sie in Zürich schlecht war, aber das Ganze hinterliess einen noch eingespielteren und tighteren Eindruck. Speziell Pawel bewegt sich mehr und die lockere gebundene Krawatte von Klaus baumelte lässiger und vitaler am Hals. Die Schweizer Fahne, welche James nach «Coast To Coast» vor sein Schlagzeug legte, schien grösser zu sein und selbst die eigentlich fast identischen Ansagen, versprühten in französischer Sprache ein anderes Flair. «Bon Soir! Common ça va?», begrüsste Mister Meine die zahlreich Erschienenen, die sich erneut aus Jung und Alt, Rocker, Metaller und Mainstream-Publikum zusammensetzte. Speziell in den ersten Reihen hatte es viele Boys und Girls, die sehr wahrscheinlich damals beim Hören des grossen Hit «Wind Of Change» von Papa zu Mama gewechselt haben.

Es waren an diesem Abend nicht nur die Balladen, welche den grössten Zuspruch bekamen. Wie zum Beispiel «Holiday», welches komplett gespielt wurde, «Still Loving You», «Wind Of Change», oder die das gleiche Hitpotenzial aufweisende «The Best Is Yet To Come». Diese Ballade hat das Zeug «Still Loving You» und auch «Wind Of Change» in den Schatten zu stellen. Denn alleine die lauten Chöre mit «Heya-Heyo» liessen vielen das Blut in den Adern gefrieren. Es waren auch die härteren Tracks der Sorte «The Zoo», «Coast To Coast» (das Instrumental mit drei Gitarren) «Raised On Rock», «Tease Me Please Me», «Blackout», «Big City Nights» und der ebdgültige Rausschmeisser «Rock You Like A Hurricane», die bestens beim Publikum ankamen. Dafür sorgte das Eröffnungstrio mit «Sting In The Tail», «Make It Real» und «Bad Boys Running Wild», das von der ersten Sekunde zündete und allen klar machte, heute Abend wird GEROCKT!

Von einer Balladenband ist und war bei den Scorpions nie zu sprechen. Auch wenn einige das immer wieder gerne anders sehen. Die breitgefächerte Fanschicht hat längst akzeptiert, dass der Skorpion eine hart rockende Mannschaft ist. Immer wieder ein Hingucker ist Matthias Jabs, der mit seinen Solodarbietungen ein ums andere Mal überrascht und überzeugt. Kein anderer bringt es fertig, dermassen gefühlvoll und locker seine Soli zu spielen und in ihnen dermassen aufzugehen. Ebenso wie das Trommeltier James. Sein Solo wurde erneut durch eine bebilderte Achterbahnfahrt der letzten mehr als 30 Jahre umfassenden Scorpions-Geschichte untermalt. Dabei verwandelte James sich immer wieder in den Hauptdarsteller des jeweiligen Scorpions-Plattencovers. Sein Solo, so interessant es auch war, geriet dabei aber fast in den Hintergrund. Als er am Schluss wieder mal sein «Rock'n Roll Forever» Shirt auszog und auf seinem Rücken das gleiche Tattoo erschien, kannte die Euphorie im Amphitheater kein Halten mehr. Und das auf zwei kleineren und einer sehr grossen Leinwand für alle ersichtlich. Die Stimmung heizte Mister Kottak schon beim Spiel «welche Seite schreit lauter» an. «Back in Swiss! Three words! YOU KICK ASS!» Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Tja und die beiden Veteranen, Klaus und Rudolf scheinen sich vor jedem Konzert eine Blutauffrischung zu verabreichen. Mister Meine sang wie zu seinen besten Zeiten und Rudolf, rannte, poste und hüpfte wie ein junger Stier auf der Bühne rum. Ganz klar, wenn die Jungs nächstens abtreten werden, wird es keine Truppe geben, welche die Scorpions auch nur ansatzweise ersetzen könnte. Alleine die weltbekannte Scorpions-Pyramide am Ende von «Big City Nights» liess das Amphitheater Kopfstehen und manifestierte die Weltherrschaft des Rock dieser Combo. Und diese hatten sie schon in den Achtziger Jahren. Das belegte der als Intro verwendete Film, als Szenen vom damaligen San-Bernardino-Festival (1983) gezeigt wurden, bei dem über 325'000 Zuschauer dabei waren. Ich hoffe, dass ich die Jungs noch ein paar Mal zu sehen bekomme. Denn der rockige Stachel ist noch immer jeden Rappen wert. Wenn immer die Jungs ihre Gitarren in den Schrank stellen werden, es wird mit einem grossen Knall sein, dessen bin ich mir absolut sicher und davor wird es noch einige, nicht minder kleinere Erdbeben geben.

Setliste Scorpions: «Sting In The Tail», «Make It Real», «Bad Boys Running Wild», «The Zoo», «Coast To Coast», «The Best Is Yet To Come», «Holiday», «Raised on Rock», «Tease Me Please Me», «Kottak Attack», «Blackout», «Six String Sting», «Big City Nights», «Still Loving You», «Wind Of Change», «Rock You Like A Hurricane»