Livereview: Return To Roots - Overkill - Insomnium - Deserted Fear

07. Dezember 2017, Pratteln – Z7
By Tinu
Erinnert ihr Euch noch an die Geschichte des alten Metal-Heads, der ziemlich genau vor einem Jahr Iced Earth auf der «MTV Headbangers Ball»-Tour sah und ihm die restlichen Bands ziemlich am Allerwertesten vorbei gingen? Auch dieses Jahr sollte der ergraute Metal-Freak einer seiner alten Helden hautnah erleben. Nämlich Bobby «Blitz» Ellsworth, zusammen mit seinem Abrisskommando von Overkill. Das schmucke Rahmenprogram um die New Jersey-Thrasher interessierte den Freak nicht die Bohne, und so wurde es für den 80iger Metaller eine ziemlich lange Wartezeit, bis er sich den Klängen seiner Helden hingeben konnte.

Deserted Fear
Als Erste standen die Deutschen von Deserted Fear auf der Bühne. Es war für die Ohren unseres Fans gar nicht einmal eine so schlechte musikalische Baustelle, denn zumindest gegen Ende des Gigs schienen die groovigeren Parts zu überwiegen und liessen die Beine im Takt mitwippen. Was unserem Storyhelden aber gar nicht behagte, war das Gegurgel und das gekeifte Geschrei von Shouter Manuel Glatter. Das Quartett liess seine Dismember-liken Songs mit einer Urgewalt erklingen, dass sich nur ganz Wenige daran erfreuten. Grundsätzlich schien die Zusammenstellung der Bands viele Fragen offen zu lassen. Startete mit Deserted Fear doch ein astreiner Death Metal Vertreter mit runtergestimmten Gitarren und bangenden Haaren. Somit eine Truppe, die sicherlich die Wenigsten begeistern konnte und für die Fans der beiden Haupt-Acts eher eine Belustigung war. Der Vierer war zwar bemüht, versuchte mit lockeren Sprüchen das Publikum aus der Reserve zu locken und liess den Rhythmus zwischen Blast-Speed und metallischem Groove erklingen. Viel blieb jedoch trotzdem nicht hängen, und so verstummte der Applaus sehr schnell. Entpuppte sich das Publikum bei Deserted Fear als eine ziemlich überschaubare Menge, füllte sich das Z7 zu Insomnium zusehends…

Insomnium
Die finnischen Melodic Death Metaller erinnerten stark an diese verspielten, mit Pink Floyd durchtränkten Suizid-Melodien. Mit wehenden Haaren, einer sympathischen Art und teils ruhigen und folkloristischen Sounds zogen Insomnium viel mehr Leute, als noch Deserted Fear. Unserem Banger gefielen die Finnen bedeutend besser, da sie es verstanden, leicht einprägsame Melodien zu schreiben, die einen gewissen Wiedererkennungsgrad besitzen. Dass unser Held dabei gleich zum Fan mutieren würde, wäre dann doch zu viel des Guten. Aber nach dem Brutal-Brocken von Deserted Fear war der Insomnium-Sound eine gute Abwechslung, und heimlich ertappte sich unser Metal-Held dabei, wie er sich an Momente von Sentenced erinnerte. Dass die Finnen an diesem Abend die Schweiz als besseres Publikum als die Franzosen betitelten, hatte sicher etwas Sympathisches, aber auch irgendwie etwas Vorhersehbares. Was würde die Band wohl am kommenden Abend in Deutschland sagen…? Fazit für den Banger: "Ein Song klingt wie der andere, besitzt sphärische Momente und macht Laune". Eine Laune, die aber schnell wieder verklingt, auch wenn der Applaus um einiges lauter war als bei Deserted Fear. Trotzdem sollte der absolute Höhepunkt noch folgen, und das war nicht nur in den Augen unseres Overkill-Freaks seine Lieblingsband…

Overkill
Erstaunlicherweise fühlte sich das Z7 bei Overkill sehr gut und leerte sich nach deren Performance auch gleich wieder. Es ging vielen so wie unserem Story-Helden, welche den weiten Weg nur unter die Räder nahmen, um Bobby (Gesang), D.D. (Bass), Derek (Gitarre), Dave (Gitarre) und Neutrommler Jason Bittner zu sehen und danach gleich wieder die Rückreise anzutreten. Mit «Mean, Green, Killing Machine» startete der Fünfer getreu dem Motto: "Vollgas! No bullshit" das Set. Mit welcher Wucht die Jungs ihr Material ins Z7 pfefferten, sucht Seinesgleichen, auch wenn man weiss, dass Bobby kurz vor seinem 60. Wiegenfest steht. Ein ganz wichtiger Bestandteil ist neuerdings Trommler Jason Bittner, der von Flotsam And Jetsam den Weg zu Overkill fand. Mit einer unglaublich präzisen Schlagkraft donnerte er den Beat ins Z7 und liess dabei seinem Donnerfuss ebenso viele Freiheiten, wie seinen Snare- und Becken-Schlägen. Mit D.D. als rhythmische Unterstützung am Bass, hat Jason einen sehr erfahrenen Mann in Sichtweite. Die Gitarrenfront hat an schneidenden Elementen nichts verloren, sondern lässt noch immer die Kreissäge aufheulen. Speziell Dave soliert sich dabei in den siebten Himmel. Die Riffs schnitten das Z7 feinsäuberlich in kleine Blöcke und hinterliessen keine Gefangenen. Vor ihnen dirigierte Bobby, neuerdings mit einem Schnurrbart, mit seinem kreischenden Gesang die Fans nach Belieben. Seine mechanischen Bewegungen gehören zu seiner Performance wie das Amen in der Kirche. Mit «Rotten To The Core» stieg der Lärmpegel im Z7 ins Unermessliche und zeigte, welche Power und Animationskraft dieser Song heute, nach über 33 Jahren, noch immer hat.

"You still out there? No pussies you motherfucker", krächzte der Sänger mit einem breiten Grinsen ins Z7 und liess die Stimmung überkochen. Mit «Electric Rattlesnake» und dem umverwüstlichen «Hello From The Gutter», welches von einer gnadenlosen und voranpeitschenden «Wrecking Crew»-Version abgelöst wurde, sorgten dafür, dass alle, ausnahmslos alle, sich glückselig in den Armen lagen. "Danke schön meine Freunde, alles klar?", wollte Mister Ellsworth in fast akzentfreiem Deutsch von seinen Fans wissen, um das Z7 anschliessend als "second home" von Overkill zu bezeichnen. «Goddamn Trouble» und «Ironbound», mit einem unglaublichen akustischen Mittelpart und fantastischen Doppel-Leads, sorgten für ein weiteres Freudenfeuer unter den Fans, bevor der Hassbolzen «Elimination», mit einem aufgepeitschten Derek ("what a crazy motherfucker!") an der Gitarre für grosses Aufsehen sorgte. Diese Nummer wurde nochmals eine Spur schneller vorgetragen, als auf Tonträger und ebnete den Weg für das abschliessende «Fuck You».

Overkill waren der eigentliche Headliner und mussten mit einer Spielzeit von knapp 55 Minuten leider viel zu früh von der Bühne. Wer auch immer die Konstellation zusammenstellte… Für die Fans war es ein Schlag ins Gesicht, dass Die US-Boys nicht als letzte Truppe auf die Bühne stiegen. So spielten die Cavalera-Boys vor mindestens einem Drittel weniger Publikum auf… Zumindest unser Overkill-Maniac verliess nach Overkill sehr zufrieden das Z7, interessierte sich nicht die Bohne für den «Affen-Thrash», wie er den Sound von Return To Roots "liebevoll" nannte und bekam an diesem Abend nach einer längeren Wartezeit, was er wollte, nämlich eine gehörige Portion US-Thrash.


Return To Roots
Es ist ja schon eine komische Geschichte. Da streiten sich die ach so familiären Jungs von Sepultura, dass zumindest Max (Gitarre, Gesang) und Igor (Schlagzeug) nichts mehr mit ihrer alten Truppe zu tun haben wollen und gehen dann doch unter dem Banner «Max And Igor Cavelera Return To Roots» auf Tour, um sich mit Songs ihrer alten Combo nochmals ein paar Dollars zu verdienen. Lustig auch die Story, dass Max vor dem Konzert den zwei bis drei Autogrammsammlern zuerst alles signieren wollte, bis seine Holde ein zünftiges Veto einreichte und bestimmt sagte: "NO SEPULTURA STUFF!" Was man davon halten soll, muss jeder für sich selber entscheiden. Zumindest in meinen Augen eine mehr als nur fragwürdige Aktion. Aber wie heisst es so schön? Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Danke Gloria!

Völlig bekifft bestiegen dann die Brasilianer die Bühne, um sich dem kompletten «Roots»-Album hinzugeben. Logisch wurde das Material mit einer Ur-Gewalt runtergedonnert. Logisch hatten die Sepultura-Fans ihre helle Freude daran. Logisch haben die Lieder, sofern sie einem gefallen, nichts von ihrer Magie verloren. Aber auf der Bühne stand alles andere als eine Band, sondern eher der bescheidene Versuch eines ehemaligen Sepultura-Members mit seinem Bruder und zwei Musikern eine Legende am Leben erhalten zu wollen, die mittlerweile längst viel geileres Material abliefert. Diese Meinung schien aber kaum jemand zu teilen, denn das Publikum hüpfte und kreischte zu den Tribal-Takten bis zum Schluss und gab sich einem grüngedunsteten Rausch hin. Trotzdem war das Element "Band" frappant. Mit Overkill stand eine Einheit, eine Macht auf der Bühne, während «Return To Roots» ein Projekt ist, bei welchem sich ein Musiker mit nicht ganz fremden Federn schmückte (mit denen er nichts mehr zu tun haben DARF!), und so einen mehr als nur faden Beigeschmack hinterliess.