Livereview: Pretty Maids - Pink Cream 69

27. März 2018, Pratteln – Z7
By Tinu
Gut gelaunt steuerte ich an diesem Dienstagabend auf das Gelände des Z7 zu. Nanu?! Ein Krankenwagen direkt vor dem Backstage-Eingang?! Das konnte ja nichts Gutes bedeuten. Und es tat es auch nicht, denn wenig später wurde von den Notfallleuten ein Rollstuhl durch die Türe geschoben, auf welchem Sänger Ronnie Atkins sass. Und dies nicht unbedingt in guter Verfassung. Was war passiert? Was war los? Niemand schien die Antworten zu kennen. Irgendwie sickerte durch, dass Ronnie einen Tag zuvor umgefallen war und sich dabei den Kopf auf einem Steinboden aufgeschlagen hatte.

Was aber wirklich die Ursache des Übels war, liess uns der Sänger ein paar Tage später über Facebook wissen: "Eine Gehirnerschütterung in Verbindung mit einem zu hohen Blutdruck und offensichtlichem Austrocknen hat mein System einfach zum Einsturz gebracht". - Von unserer Seite her wünschen wir Ronnie nur das Beste und dass er schon bald wieder die Bühnen der Welt mit seiner Stimme und seinem Charme verzaubern kann! - Was war an diesem Abend nun zu tun, sprich sollte man das Konzert absagen? Die getroffene Entscheidung war sicherlich die Fanfreundlichste. Pink Cream 69 spielten einen längeren Gig, die Tickets behalten ihre Gültigkeit und können beim Ersatzkonzert nochmals verwendet werden. Dies verkündeten Pretty Maids direkt nach dem Konzert von PC69. Auch wenn die Band sich sehr fanfreundlich gab, am Merch-Stand noch signierte und für Fotos posierte, der Schock sass den Herren offensichtlich noch immer im Nacken!

Pink Cream 69
So war es dann an den Karlsruhern von Pink Cream 69, sich der Aufgabe zu stellen, einen eigentlich unter schlechten Grundvoraussetzungen stehenden Konzertabend zu retten. Und die Jungs um Sänger David Readman lösten diese Aufgabe mit Bravour. Von Beginn weg spielte sich die Truppe in einen Rausch und profitierte dabei von der unglaublichen Schlagkraft von Trommler Chris Schmidt. Es ist Freude pur, dem Schlagzeuger zuzusehen, mit welcher Wucht, Hingabe und Energie er auf sein Arbeitswerkzeug eindrischt und dabei einen unglaublichen Rhythmus vorgibt. Auf diesem konnte sich Bassist Dennis Ward (neuerdings mit Bart) optimal austoben. Die Beiden legten somit einen perfekten Teppich, auf dem sich Alfred Koffler und Uwe Reitenauer mit ihren sechs Saiten blindlings stellen konnten. Es ist immer wieder beeindruckend, wie Alfred mit seiner Fokalen Dystonie umgeht und noch immer seine tollen Solos spielt. Mit Uwe steht seit 2003 ein sehr talentierter Gitarrist in den Reihen von Pink Cream 69, und das macht den Sound noch fetter, was speziell bei den Soloparts immer wieder für mehr Druck sorgt.

Mit dem Opener («We Bow The None») des aktuellen Studioalbums «Headstrong» startete der Fünfer in den Abend und machte gleich keine Gefangenen. Von der ersten Sekunde war der Groove spürbar, wie auch die Spielfreude. Der Zeremonienmeister war logischerweise David, der auf sehr sympathische Art das Publikum in seinen Bann zog und dabei wie ein Gott sang. "We need your hands!", war eine der vielen Ansagen, bei der man sich durchaus fragen konnte, wieso sie nicht in Deutsch getätigt wurden. "Ich fühle mich wohler, wenn ich die Ansagen auf Englisch machen kann, als auf Deutsch, selbst wenn ich nun schon über zwanzig Jahre in Deutschland lebe", erklärte mir der gebürtige Engländer nach der Show. Mit den beiden Althits aus der Andi Deris-Ära, «Welcome The Night» und «Keep Your Eyes On The Twisted», ging es weiter, und schon da wurde klar, dass die Pinkies nichts anbrennen lassen. Die Mischung in der Setliste war nahezu perfekt, bedenkt man, dass nach fast dreissig Jahren doch einiges an tollem Material geschrieben wurde und die Herren somit locker einen dreistündigen Gig spielen müssten. Vom neuen Werk wurden fünf Tracks gespielt, die sich locker mit den Klassikern messen lassen können. Zudem stammten vom Debüt «Welcome The Night», von «One Size Fits All» wurden «Livin' My Life For You», «Do You Like It Like That» und «Talk To The Moon» gespielt, während aus «Games People Play» mit dem schon erwähnten «Keep Your Eyes On The Twisted» die Stimmung angeheizt wurde. Die restlichen Lieder, stammten aus der Readman-Phase. So wurden aus «Electrified», «Shame» und «Break The Silence», aus «Sonic Dynamite», «Lost In Illusion» und «The Spirit» vorgetragen und vom vorletzten Werk «Ceremonial» erklang «Special». Klar hätten sich viele auch Lieder von «In10sity», «Thunderdome», oder «Endangared» gewünscht. Aber dann hätte man tatsächlich die drei Stunden geknackt.

Als Special-Effects feuerten PC69 unzählige Pyros ab, die aber grundsätzlich für den Headliner Pretty Maids gedacht waren. Ein schöner Zusatzbonus, bei dem es sich David nicht nehmen liess, ab und an im Funkenregen zu stehen. Von Lied zu Lied stieg die Stimmung, und das gut gefühlte Z7 bedankte sich lautstark bei Pink Cream 69 für eine wirklich tolle Vorstellung. Da stellt sich einem die Frage, wieso die Pinkies in all den Jahren doch nie den ganz so grossen Durchbruch schafften, den sie verdient gehabt hätten. Auch wenn die Herren ihren Stil, nach dem Ausstieg von Andi Deris (1994), ziemlich an die damalige Grunge-Phase anpassten, feierten sie mit «Electrified» (1998) ein sensationelles Comeback.

Der Abend wurde trotz der Hiobsbotschaft mehr als zufriedenstellend beendet. Dies dank den Deutschen, die sich auf das konzentrierten, was sie am besten können. Rocken! Rocken und nochmals rocken! Mit grossem Applaus wurde das Quintett verabschiedet, und ich bin mir sicher, dass sich die Truppe mit diesem Auftritt nochmals Zusatzpunkte erspielen konnte. Hoffentlich sehen wir Pink Cream 69 schon bald wieder auf einer eigenen «Headstrong»-Headliner-Tour. Gerüchten zu Folge soll dies in diesem Herbst soweit sein.

Setliste: «We Bow The None», «Welcome The Night», «Keep Your Eyes On The Twisted», «Path Of Destiny», «Talk To The Moon», «Lost In Illusions», «Special», «Man Of Sorrow», «The Spirit», «Walls Come Down», «Livin’ My Life For You», «Bloodsucker», «Do You Like It Like That», «Break The Silence», «Shame»