Livereview: Paganfest 2013
 Alestorm - Arkona - Thyrfing - Ex Deo - Wolfchant - Bornholm

05. März 2013, Solothurn - Kofmehl
By Lucie W.   Photos: Daniela Storhmaier
Wir – meine fotografisch begabte Begleitung und ich – stellen uns schon mal auf einen Abend voller axt- und trinkhornschwingender und mit Fell und Leder angetaner Jugendlicher ein – und werde dann auch bei Ankunft im Kofmehl nicht enttäuscht. Der Kutten-Count des Abends liegt auch nach angestrengter Suche meinerseits bei armseligen zwei, dafür sieht man überall Eluveitie-, Alestorm- und Ex Deo-Shirts und eben viel totes Getier. Obwohl schon um 17 Uhr Türöffnung ist und wir einen Wochentag haben, steht der Parkplatz voll mit ebenfalls zu Eluveitie-Werbeträgern umgestalteten Autos und drinnen drängt man sich schon an der Bar und der Bühne und stellt sich auf einen kleinen musikalischen Marathon von immerhin sechs Bands an einem Abend ein.

Bornholm

Um 18 Uhr wird daher die erste Band Bornholm zwar noch recht verhalten aber immerhin schon von einigen Wikingern begrüsst. Die Ungarn lassen sich keineswegs von der anfänglichen Zurückhaltung des Publikums anstecken oder gar verunsichern, sondern bieten eine glaubwürdige Show mit viel Pathos und grossen Gesten, die von der grandiosen Bühnendeko ganz in schwarz-rot und den martialischen Lederoutfits mit Nieten und Schnallen perfekt unterstrichen werden. Mit jedem Song wurden die Zuschauer enthusiastischer, die authentische Band kann immer mehr überzeugen und begeistern. Leider ist der Sound nicht ganz so abgemischt, wie man es sich wünschen würde, die Stimme ist durchgängig zu leise, so dass der Sänger mehr durch seine Performance und seinen beim Headbangen sichtbaren Undercut auffällt als durch seine Stimme. Dennoch hinterlassen Bornholm– die sich seltsamerweise nach einer dänischen Insel benannt haben – mit ihrem kurzen Auftritt einen sehr guten Eindruck.

Wolfchant
Als zweite Band dürfen die Pagan-Heads Wolfchant begrüssen, die nach einem pompösen Intro gleich mit einer technischen Panne konfrontiert sind, was aber allseitig mit viel Gelassenheit und Humor überspielt wird. Als die Technik dann wieder mitmacht, reisst die Band sofort alle mit ihrer Energie und ihrem Enthusiasmus mit. Wolfchant haben ein klasse Alleinstellungsmerkmal: Sie haben zwei Sänger! Auf kleineren Bühnen hat die Band wohl einige Schwierigkeiten, denn mit der Besetzung zweimal Gesang, zweimal Gitarre, Bass, Drums und Keyboard – die letzteren drei glücklicherweise je nur einmal vorhanden – kommt man immerhin auf sieben gestandene Mannen, von denen vor allem die Sänger nicht nur durch ihre Statur, sondern auch durch ihr Charisma viel Platz in Anspruch nehmen. Da kommt man sich ab und an mal ein wenig in die Quere, aber Wolfchant machen ihren Job nicht erst seit gestern und erweisen sich als super eingespielte Kampftruppe. Mario „Lokhi“ Möginger kreischt und growlt, dass einem die Ohren wackeln, Michael „Nortwin“ Seifert singt clean mit ergreifenden, tief-sonorer Stimme, und wenn die beiden einen Refrain gemeinsam anstimmen, ist Gänsehaut-Feeling angesagt! Die Texte von Wolfchant sind teils englisch, teils aber auch deutsch, und vor allem im letzteren Fall werden die beiden Sänger vom Publikum lautstark unterstützt. Auch der instrumentale Teil der Truppe liefert eine hervorragende Leistung ab und das befellte Publikum bekundet entsprechende Begeisterung, ab dem 3. Song bildet sich sogar ein erster kleiner Moshpit. Vor allem der letzte Song „A Pagan Storm“ erweist sich als einer der Gassenhauer der Truppe, genauso wie das Trinklied „Never Too Drunk“, das sich zu einem immer schneller werdenden Tempo steigert, bis man taumelnd: „Genug, genug, lasst uns ausruhen!“ ausrufen möchte... Zum Schluss verweist man noch auf das neue Album „Element“ und lässt ein angeheitertes und beglücktes Kofmehl zurück.

Setlist: Devouring Flames, Embraced by Fire, Eremit, Element, Never Too Drunk, Autumns Breath , A Pagan Storm

Ex Deo
Mit der nächsten Band bleiben wir beim Thema Wölfe, wenn auch die Region des Geschehens in den Süden verlegt wird. Ex Deo, die sich ganz dem antiken Rom – dessen sagenhafter Gründer Romulus von einer Wölfin gesäugt worden sein soll – verschrieben haben, nehmen die Bühne im Sturm ein. Der Centurio Maurizio Iacono führt seine Legionäre mit Pathos und Leidenschaft an und die Menge tobt vor Begeisterung. Stilecht in Lederoutfits, die römischen Körperpanzerungen nachempfunden sind – im Falle des Sängers mit Unterrock aus Samt und Schienbeinschonern – überzeugen die Kanadier durch druckvollen, mächtigen Sound, der viel mehr als die beiden anderen Bands die Heimat der beteiligten Musiker im Death Metal belegt. Ex Deo ist aber längst nicht mehr nur das Nebenprojekt der Jungs von Kataklysm, sondern hat sich seine ganz eigene Fangemeinde innerhalb der Pagan-Szene erarbeitet, wie das Publikum mit seinen Schreien und auch der Anteil an Ex Deo-Shirts eindeutig beweisen. Dass die Mannen nicht erst seit gestern Musik machen, zeigen vor allem die tighte Spielweise, die äusserst professionelle Performance und die genialen Gitarrensoli. Da nimmt man auch kaum wahr, dass Ex Deo im Vergleich zu den beiden vorherigen Bands ganz schön wenig Bühnen-Klimbim rumstehen haben, zwei bescheidene Standarten und ein Backdrop sind schon alles. Mehr ist auch nicht nötig, denn das Kofmehl haben sie durch ihre Präsenz auch so komplett gefesselt.

Setlist: Intro (Preliator; Original Artist: Globus), I, Caligvla, The Tiberius Cliff (Exile to Capri), Pollice Verso (Damnatio ad Bestia), The Final War (The Battle of Actium), Per Oculos Aquila, Romulus

Thyrfing
Nach den Römern gehört die Bühne den Schweden von Thyrfing, deren neues Album „De Ödeslösa“ im CD.Review hier bei Metal Factory starke – und verdiente – 8 Punkte eingeheimst hat. Und auch live können die Skandinavier voll überzeugen – für uns mit Abstand die beste Band des ganzen Abends! Mit schwarzem Warpaint versehen und in abgetragenes Leder gehüllt, wird dem Publikum eine Wand aus Schwärze, Düsternis und Urkraft (übrigens der Name des 2000 erschienenen Albums von Thyrfing) entgegengeschleudert. Dabei kommen die Jungs trotzdem unglaublich souverän und locker rüber. Der einzige Wermutstropfen am Auftritt von Thyrfing ist, dass man leider die tragenden Melodielinien, die für ihren Sound so zentral sind, kaum ausmachen kann, und auch die sehr coolen, melodiösen Backing-Vocals ziemlich untergehen. Die Pagan-Heads scheinen meine Begeisterung für die Schweden nicht ganz so enthusiastisch zu teilen, ist die Menge doch um einiges verhaltener als bei den vorherigen Bands, wahrscheinlich, weil Thyrfing eben etwas düsterer sind und Schunkelmusik von ihnen so weit entfernt ist wie Berlusconi vom heiligen Stuhl.

Setlist: Mot Helgrind, The Voyager, Kaos Återkomst, Griftefrid, Mjölner, Veners Förfall, Far åt Helvete, Storms of Asgard, Going Berserker


Arkona (kein Bild)
Das, was Thyrfing an Ethno- und Folk-Elementen fehlt, hat die nächste Band im Überfluss: Arkona stürmen als nächstes die Bretter. Angetan mit traditionellen Gewändern in bunten Farben machen die Russen alles, um die folk-begeisterten Zuschauer für sich zu gewinnen. Vor allem Sängerin Masha „Scream“ ist wie immer ein einziges Energiebündel, springt ungeachtet des gigantischen Felles auf ihren Schultern wie ein Derwisch über die Bühne und animiert das Publikum mit wildem Gebaren und Schreien zum Mitmachen. An ungewöhnlichen Instrumenten wird einiges geboten, neben der gewohnten Gitarre, Bass und Drums bekommt man einen Dudelsack zu hören, dann auch mal Flöten und Masha schlägt sogar selbst die Trommel. Ein schon reichlich geschafftes aber sehr zufriedenes Publikum harrt nach dem Auftritt dem Headliner Alestorm.

Setlist: Kolo Navi, Zakliatic, Goi, Rode, Goi!, Sva, Pamvat’, lay’sja Rus’!, Arkona, Stenka na Stenku, Yarilo

Alestorm
Als letzte Band des langen Pagan-Abends entern die Piraten von Alestorm die Bühne und werden mit lautstarkem Jubel empfangen. Kaum eine Band macht so viel Spass wie die Schotten mit ihrem „True Scottish Pirate Metal“! Es wird geschunkelt, gemosht und mitgesungen was das Zeug hält. So sind natürlich fast 90 Minuten Spielzeit nicht nur für die Musiker eine Herausforderung, sondern verlangen auch dem geneigten Fan die letzten Energiereserven ab. So ziehen denn auch wir geschwächt von einem Abend voller Wikinger, Piraten, Krieger und römischer Feldherren von dannen und fühle mich kulturell bereichert.

Setlist: The Quest, The Sunk’n Norwegian, Over the Seas, Shipwrecked, Nancy the Tavern Wench, irate Song, Back Through Time, Wenches & Mead, Keelhauled, Rumpelkombo, Captain Morgan’s Revenge, Rum