Livereview: Nightwish - Pain
29. Februar 2008, Zürich Hallenstadion
By Rockslave
Die erste Tour nach der Ära Turunen war natürlich für beide, also die Band und ihre neue Sängerin Anette Olzon (Ex-Alyson Avenue) eine Bewährungsprobe wie Herausforderung zugleich. Nach dem vieldiskutierten Release des neuen Albums "Dark Passion Play" Ende September 2007 ging es mit den Meinungen und Spekulationen hoch her. Es bildeten sich zu Beginn gleich zwei Lager, die einerseits der geschassten Frontfrau die Treue hielten und andererseits nach vorne schauten und "die Neue da" voll unterstützten. Die erste Hürde mit dem Album wurde relativ leicht genommen, denn "Dark Passion Play" verkaufte sich wie warme Semmeln und kletterte auch in der Schweiz auf Platz 1 der Charts. Die Livegeschichte war/ist freilich ein anderes Thema und es war für uns Europäer ein Glücksfall, dass der erste Teil der Tour unter anderem in den Staaten absolviert wurde, denn so setzte eine eingespielte Truppe ihre Füsse wieder auf den heimischen Kontinent. Somit hatten es die Finnen mit ihrer schwedischen Leadstimme heute Abend in Zürich im erfreulicherweise ausverkauften Hallenstadion in der Hand, den entsprechenden Eindruck zu hinterlassen. Zuvor waren noch Pain, die Band um Producer-Ikone Peter Tägtgren (Hypocrisy)am Start, die ich bis anhin weder auf CD noch live je gesehen hatte. Die Vermutung, es könnte dabei ziemlich ruppig zu und her gehen, bestätigte sich nicht!

Pain
Als in der bereits ordentlich gefüllten Halle zum ersten Mal das Licht ausging, versuchten draussen noch etliche Fans ein Ticket von der Strasse zu ergattern, was aber offenbar schnell abebbte, denn nicht Wenige mussten sich enttäuscht und unverrichteter Dinge wieder vom Acker machen. Glücklicher durften sich also alle anderen schätzen, die heute Abend mit dabei waren. Eigentlich hätten Pain einen normalen 45-Minuten Auftritt spielen können, aber bereits im Fotograben kam mir zu Ohren, dass der geplante Beginn noch zehn Minuten verschoben wurde. Auf die Bühne gekommen, brandete sogleich von Anfang an ein ordentlicher Applaus auf und dann legten Tägtgren & Co. mit ihrem Electro Metal los. Das Ganze erinnerte schon bald etwas an Rammstein, was vor allem am technoid hämmernden Drum-Sound von David Wallin lag. Unterstützt von gutem Licht (kam natürlich erst, als die Fotographen, mich eingeschlossen, weggewiesen waren!) entwickelte sich eine tolle Atmosphäre. Allerdings war der Sound, obwohl recht fett, nicht sonderlich laut. Der Schutz des Gehörs geht ja völlig in Ordnung, keine Frage, aber die schweizerische 100 dB Limite geht halt (wobei das eher 90 als 100 waren...) einfach auf Kosten des auch Fühlen können, was da vorne abgeht. Nichtsdestotrotz unterhielten Pain das Zürcher Publikum bestens und spielten neben Songs von ihrem letzten Album "Psalms Of Extinction" auch 'ne bekannte Cover-Version, die, glaube ich "Eleanor Rigby" von den Beatles war. Und kaum war die Stimmung aufgebaut, war die ganze Sache auch schon wieder vorbei! Gerade mal etwa 35 Minuten standen Pain auf der Brettern und das war einfach schade, zumal der Headliner danach auch nur gerade das zeitliche Soll erfüllte!


Nightwish
Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich hoffte natürlich, dass das Hallenstadion ausverkauft sein würde. Es gab im Vorfeld zur Tour einige Stimmen, die sagten, dass dies, ohne Tarja Turunen, der Anfang vom Ende sein werde. Ich setzte meine Hoffnungen zum einen auf das Songwriting von Master Holopainen und dass Nightwish mit Anette Olzon sehr wohl wussten, wen sie da als Nachfolgerin bestimmt hatten. Die Frage, die sich einem nachher stellte war, ob Anette mit dem medialen Druck umzugehen weiss. Nach dem Interview mit ihr Ende August 2007 war ich sehr erfreut, einer offensichtlich sehr aufgestellten und total professionell wirkenden Sängerin zu begegnen. Die ersten Secret-Gigs im Herbst 2007 (Helsinki und Hamburg) zeigten aber auf, dass noch nicht alles ganz so klappte, wie es sollte. Die nun seither dazwischen liegenden Monate, in denen die Band ja ausserhalb von Europa den ersten Teil der Tour bestritt, müssten eigentlich dazu geführt haben, dass die Maschine optimal geschmiert und justiert daher kam..., und so war es auch! Etwa um 21.10 Uhr verwandelte sich das Hallenstadion von der ersten Sekunde an in einen brodelnden Hexenkessel und von da an gab es (fast) kein Halten mehr. Nach einem überlangen Intro setzte "Bye Bye Beautiful", untermalt durch massig Pyros, gleich mal den ersten Markstein. Alle einzeln auftauchenden Bandmitglieder, inklusive Anette, wurden zuvor frenetisch begrüsst, was die Show erst recht lancierte. "Dark Chest Of Wonders", ein Song vom Vorgängeralbum "Once", stampfte ebenso heftig daher und bekam auch ein ordentliches Feuer-Bouquet spendiert. Deshalb wurde die knipsende Zunft erst zu Song drei und vier in den Fotograben gelassen. Während dessen richtete Anette ein paar begrüssende Worte ans begeisterte Publikum und spätestens jetzt, also zu "Whoever Brings The Night", konnte man feststellen, dass die auf dem Prüfstein stehende Schwedin absolut top drauf war! Auch im weiteren Verlauf des Konzertes konnte ich persönlich kaum eine Schwäche ausmachen. Das galt auch für die agil auftretenden Kollegen, die sich ebenso voll ins Zeug legten. Der mit der mageren Lautstärke musste an dieser Stelle ebenso wie vorher bemängelt werden. Es fehlte einfach eine gehörige Portion Druck, um wirklich aus den Latschen gekippt zu werden. Als quasi optische Kompensation wurde nebst üppigem Feuer in verschiedenen Variationen eine ziemlich fette Lightshow geboten, die bestens zum Sound passte. Die Fans goutierten aber nicht nur das, sondern feuerten ihre Lieblinge fortwährend und lautstark an. "Amaranth" gefiel mir heute Abend bedeutend besser als auf den früheren Live-Takes, die sich schon längst im Internet tummeln. Einer meiner persönlichen Highlights war die Akustik-Nummer "The Islander", die für massig Gänsehaut sorgte. Danach folgte der Doppelschlag mit "The Poet And The Pendulum" und dem überragenden "Sahara", einem der besten Songs von "Dark Passion Play". Weitere Speeches von Anette und Marco gerieten danach leider zu lang und rissen die Stimmung spürbar runter, aber "Nemo" vermochte die Energien wieder locker zu entfachen. Gleich darauf hiess es schon zum ersten Mal "Good Night"! Natürlich kamen Nightwish nochmals zurück auf die Bühne und zündeten, abermals begleitet von satten Feuereffekten, nochmals den Turbo, ehe nach "I Wish I Had An Angel" mit viel zu knappen 90 Minuten das eigentlich vorzeitige Ende des Konzertes Tatsache war. Da fehlten echt ein paar der alten Hämmer, die vielleicht beim nächsten Mal wieder auftauchen. Nett jedoch die Geste von Anette und Tuomas, die noch während dem Outro in den Fotograben sprangen und die erste Reihe abklatschten. Fazit: Es war eine mehr als nur gut unterhaltende Show mit einer sehr überzeugend singenden Anette Olzon, auch wenn das einige Ewignörgler nicht so sahen. Einziges Manko oder zumindest ein spürbarer Unterschied zu früheren Zeiten war das Fehlen einer gewissen Mysthik, was damals klar der Verdienst von Tarja und ihren jeweils wechselnden Bühnenklamotten war. Anette zeigte sich in Zürich locker lässig in Jeans, aber auf der Tour trug sie offenbar an jedem Ort was anderes wie Lederkluft in Mailand oder ein Rüschchen-Kleid bei einem der Germany-Gigs. In Ljubljana (Slowenien) hatte sie ihre Mähne ausserdem zu zwei Zöpfen verarbeitet. Wie dem auch sei..., Nightwish und im vor allem Anette Olzon haben ihre Hausaufgaben gemacht und in jeder Stadt, wo sie bisher Halt gemacht haben, grossen Zuspruch erhalten. Deuten wir das als gutes Omen für die Zukunft!

Setlist: "Intro" - "Dark Chest Of Wonders" - "Woever Brings The Night" - "Ever Dream" - "The Siren" - "Amaranth" - "The Islander" - "The Poet And The Pedulum" - "Sahara" - "Slaying The Dreamer" - "Nemo" -- "7 Days To The Wolves" - "Wishmaster" - "I Wish I Had An Angel" - "Outro".