Livereview: Nazareth - Krokus
5. Mai 2002, Love Ride Dübendorf
By Rockslave        Bilder: Wolfgang Bauer

Der Love Ride Switzerland in Dübendorf fand dieses Jahr zum 10. Mal statt und konnte somit Jubiläum feiern. Aus der einstigen Idee von einer Handvoll Biker ist ein Mega-Event entstanden, der zwar auf der einen Seite die finanzielle Seite für die Sache muskelkranker Kinder und behinderter Menschen abdeckt, andererseits diesmal aber auch kritische Stimmen hervorgebracht hat. Es wurde kritisiert, dass nicht mehr die Behinderten im Vordergrund stehen, sondern einfach ein Riesenspektakel für die Masse abgehalten wird. Mal sehen, was das für nächstes Jahr für Auswirkungen haben wird. Nebst den Attraktionen rund um das Thema Motorrad konnte man übrigens auch das Flugzeugmuseum besuchen. Zudem waren, nebst dem Bestaunen der zahlreichen und edlen Stahlrosse auch viele Fressbuden gut frequentiert, und das wechselhafte und zuweilen kühle, aber trockene Wetter mag wohl einige heisse Köpfe und potenzielle Sonnenbrände verhindert haben.

Was mich an dieser Veranstaltung interessierte, war vor allem die Abteilung Musik und da standen mit Krokus (welcome back Marc Storace!) und dem Rockdinosaurier Nazareth zwei klingende Namen auf dem Programm. Der Wiedereinstieg nach sieben Jahren von Marc bei Krokus war für viele, obwohl vielleicht längst herbeigewünscht, doch eher überraschend. Dies umsomehr, alsdass sich sein Vorgänger Carl Sentance in der Vergangenheit sehr gut in Szene setzen konnte. Die letzten Konzerte, allen voran der geniale Auftritt in Balingen vor bald zwei Jahren und auch der Support von AC/DC letzten Sommer in Basel liessen erkennen, dass man gewillt war, nochmals ordentlich auf die Tube zu drücken. Die Line-Up Wechsel, die Krokus
immer schon begleitet haben, sind ebenso geblieben. Von der Formation, die im Mai 2001 auf Tour ging, ist bloss ein Jahr später nur noch Ur-Gestein und Master-Mind Fernando von Arb übrig geblieben. Davon kann man jetzt, Marc Storace hin oder her, halten was man will. Musikalisch gesehen war es auf jeden Fall interessant zu sehen und zu hören, wie sich Krokus heuer, im Jahr 2002 präsentieren. Für einen Auftritt eher ungewohnt, stieg das Schweizer Rock-Fossil pünktlich um 15.00 Uhr (!) auf die Bühne und legte mit "Long stick goes boom" unter dem grossen Jubel des Publikums vielversprechend los. Schon nach
wenigen Takten konnte mal als Krokus-Fan der ersten Stunde die Augen schliessen und einfach nur schwelgen. Ja, es war kein Traum, the "Voice" is back! Fernando (mit echtem "Biker - Gestrüpp" im Gesicht) schien gut aufgelegt zu sein und die Spielfreude übertrug sich auch auf Dave Stettler (g), T.C. Castell (b) und "wie hiess nochmal der Drummer?". Trotz üppigem Rauch, der von einem Grill seitlich unter die überdachte Bühne verfrachtet wurde, nahm das Konzert seinen ungehinderten Fortgang und es klang so, wie es "schon immer" klang. Einzelne Passagen sang Marc zwar nicht (mehr) so hoch wie früher, liess aber nichts anbrennen.
Das mehrheitlich auf Festbänken sitzende Biker - Publikum und die direkt vor der Bühne stehenden Fans feierten jeden Song lautstark ab. Die Set-Liste bot allerdings, neben "Easy Rocker" und dem "Rock City-Medley" leider keine Überraschungen. Der im letzten Jahr aufgetauchte Klassiker "Fire" fehlte bedauerlicherweise ebenso wie "Winning man", "Eat the rich" oder "Everybody rocks" als Opener-Alternative. Nichts destotrotz war der Auftritt, der etwa 75 Minuten dauerte, überzeugend und nährt die Hoffnung, dass diese Konstellation noch etwas andauert! (Nachtrag Ende Mai: das Line-Up hat schon wieder geändert!) Set-Liste: "Long stick goes boom", "Natural blonde", "American woman", "Bad boys (rag dolls)", "Lion heart", "Screaming in the night", "Down the drain", "Tokyo nights", "Easy rocker", "Stayed awake all night", "Back seat R'n'R", "Heatstrokes", "Rock city-Medley", "Bedside radio". Es ist schon ein paar Jährchen her, seit ich die schottische Rock-Ikone in der St. Jakobshalle in Basel gesehen habe.
Seither habe ich die Karriere von Nazareth nicht mehr gross verfolgt. Die Metal-Welle überrannte damals die traditionelle Rockmusik komplett. Der Song "This flight tonight" und das Album "No mean city" waren eigentlich das, was ich kannte. Durch einen Kollegen, der völlig auf die Naz-Boys abfährt (Gruz an Chrigu!) und mir einen Gästepass von der laufenden Tour besorgen konnte, war das "Thema Nazareth" wieder aktuell, zumal die Boys (bis auf Lee Agnew, den Sohn von Bassist Pete Agnew, der für den kürzlich verstorbenen Darrell Sweet an den Drums sitzt) ja nicht jünger werden. Ihre letzten Alben waren zwar keine Meilensteine, aber sehr gute Rockmusik spielen sie alleweil noch und das kratzige Organ von Sänger Dan McCafferty ist definitv Kult.
Viele der Anwesenden dürften vom Alter her sehr wohl noch den einen oder anderen Song im Ohr haben, respektive Nazareth-Platten zuhause rumstehen haben. Damit sind nicht nur die Balladen "Dream on" und "Love hurts" gemeint. Der Opener "Light come down" (ab dem Album Boogaloo von 1998) eröffnete ein sehr unterhaltsames Konzert, das eine alte Band in vollem Saft zeigte. Gitarrist Jimmy Murrison, der allerdings einiges jünger ist oder so alt wie ich (was euch besser gefällt) hat vielleicht nicht die Ausstrahlung und das Spiel eines Zal Cleminson, machte seine Sache aber tadellos. Basser Pete Agnew entlockte seinem Instrument zeitweilen fast progmässiges Geboller, das den Gesamtsound echt kernig werden liess. Dan McCafferty's whiskeygeölte Reibeisenstimme ist nachwievor unverkennbar und kratzte wie eh und je. Die Setliste vermag ich nicht schlüssig zu beurteilen, wenn es darum geht zu sagen, was noch hätte gespielt werden sollen und was besser nicht. Das Publikum erwartete natürlich ein paar Musts und die kamen mit "Razamanaz", "Dream on", "This flight tonight" und "Love hurts" zum Schluss auch. Die Reaktionen waren generell gut und die Band nahm die Huldigungen
dankend an. Nazareth müssen ja auch niemandem mehr etwas beweisen und spielten dementsprechend ohne irgendwelche Verkrampfungen. Der gebotene Sound war für so einen Anlass eh wie geschaffen und man hätte ihnen gerne noch länger zugehört.

Hier nochmals zum Mitlesen die ganze Set-Liste: "Light comes down", "Razamanaz", "Miss Misery/Please don't judas me", "Holiday", "Dream on", "Simple solution", "Danger danger", "Bad bad boy", "My white biegle", "Heart's grown cold", "Broken down angel", "Beggar's day", "Whiskey drinking woman", "Hair of the dog", "This flight tonight", "Cocaine", "Love hurts".