Livereview: Musikfestwochen  Winterthur 2012
                      Sigur Rós - Get Well Soon - Leech

25. August 2012, Winterthur - Musikfestwochen (Steinberggasse)
By Liane P.
Es ist immer wieder bezaubernd, dabei sein zu dürfen: Die Musikfestwochen in Winterthur gingen heuer in die 37. Runde. So wie jedes Jahr versprachen auch dieses Mal die knapp zwei Wochen Programm mit fast 90 Veranstaltungen ein aussergewöhnliches und vielfältiges Potpourri an kulturellen Highlights. Nicht nur die anspruchsvolle Auswahl an nationalen wie internationalen Acts, interessanten Stummfilmen sowie Theaterstücken trug ihren Teil zum Gelingen dieser Veranstaltung bei, auch die Kulisse war einmalig. Die Steinberggasse bildete dabei, wie immer, das Herz des Festivals und dort bin ich auch gewesen, um mir drei Bands anzuschauen, die eher mit ruhigeren Klängen zu überzeugen wussten. Schwer-Metaller horcht ruhig mal her!

Leech

Die sechs Herren der Aargauer Band „Leech“ wirken recht bescheiden für das was sie zu bieten haben, dabei schauen sie auf eine interessante zwölfjährige Bandgeschichte zurück. Vier Veröffentlichungen gab es bisher. Das aktuelle Album «If We Get There One Day, Would You Please Open The Gates?» erblickte Anfang diesen Jahres das Licht der Welt. Ihre experimentelle Instrumentalmusik wurde mir schon mehrmals empfohlen, da ich diese Art von Musik sehr gerne mag. „Leech“ waren für mich deshalb der Hauptgrund, diesen Konzertabend zu besuchen und es hat sich gelohnt. Schwierigkeiten, die instrumentalen Stücke live vorzutragen ohne langatmig zu wirken, hatten die Schweizer nicht. Auch, dass nicht gross Bewegung auf der Bühne stattgefunden hatte, störte keine Sekunde. Die Musiker waren vertieft und hochkonzentriert und zauberten wundervolle Klangteppiche über die Altstadt von Winterthur. Fazit: Musikalisch hochwertig!




Get Well Soon
Der klassisch ausgebildete Konstantin Gropper ist hier das wichtigste Mitglied dieser Musikproduktion. Das Multitalent schreibt die Songs und ist der kreative Kopf von „Get Well Soon“. Ebenfalls auf Empfehlung hin, bin ich vor ein paar Jahren ins Mascotte nach Zürich gegangen, um „Get Well Soon“ das erste Mal live zu erleben. Mit dem 2010 erschienen Album «Vexations» konnte ich wenig anfangen, für meinen Geschmack hatte es zu wenig Biss und Langeweile machte sich schnell breit. Live ist das jedoch eine andere Welt. Auch hier in Winterthur hatte ich Freude an dieser Band. Konstantin Gropper hat etwas von Tom Waits oder Leonard Cohen, etwas Trauriges, Schwermütiges, als würde er eine tragische Vergangenheit nach aussen kehren und darüber singen müssen, das Publikum ist sein Therapeut. Untermalt mit Streichern und weiblichem Gesang, passte das Konzept ideal in das Abendprogramm der Musikfestwochen.




Sigur Rós
Auf diesen Auftritt war ich unglaublich gespannt, da ich immer wieder gehört oder gelesen hatte, wie aussergewöhnlich die Live Performance der Isländer sei. Ähnlich wie Kollegin Björk, verzauberte das Quartett mit abstrakten und aufwühlenden Songstrukturen das Publikum. Jon Por Birgisson, der Sänger von Sigur Rós, der seit seiner Geburt auf einem Auge blind ist, bearbeitete seine Gitarre liebevoll mit einem
Geigenbogen. Das Bühnenlicht hielt man bedeckt und dunkel. Mit hypnotisierenden Klangkollagen setzten sie den ausverkauften Platz an der Steinberggasse in Trance. Auch wenn das Plätschern des Regens nur zu gut zum Gesamtbild passte, störte er mich sehr und vermasselte mir die gute Laune enorm. Den Auftritt habe ich darum nicht bis zum Ende anschauen wollen. Auch die besonderen Anweisungen des Managements waren mühsam. Im Fotograben bekam man einen festen Platz zugewiesen, und den durfte man nicht verlassen. Dafür sorgte ein bulliger Security. Auch das überdachte VIP-Podest, von dem man schön über den kompletten Platz schauen konnte und so das Geschehen auf der Bühne perfekt mitverfolgen durfte, war plötzlich für die Presse gesperrt. Interessant fand ich die Band trotzdem und beim nächsten Konzert – schön wäre das Volkshaus in Zürich – bin ich gerne nochmals dabei.