Livereview: Misery Index - Carnal Decay - Oral Fistfuck

29. Juni 2013, Zürich - Dynamo
By Natalia N.
Bevor sie sich an die aktive Arbeit am neuen Album machten, beschlossen die brutalen Politologen von Misery Index, eine Konzertreise durch Europa zu machen. Die Musiker von Misery Index, die die musikalischen Traditionen von solchen Bands wie Napalm Death, Assück und Brutal Truth fortsetzen, sind voller Ideen und gut ausgebildet, deswegen geniessen sie verdienten Respekt unter den anderen Vertretern dieses Genres. Mit seinen Kollegen zusammen erstaunt Gründer der Band und deren geistiger Anreger, Bassist und Sänger Jason Netherton, seine Fans nicht nur mit hochtechnischem Grind/Death Metal, sondern auch damit, wie er in seinen Liedertexten mit Zitaten solch berühmter Philosophen wie Jean Baudrillard, Murray Bookchin und Avram Noam Chomsky sehr geschickt jongliert. Die Musiker sind durch ihre ultralinken, anarchischen politischen Ansichten bekannt, die eine feste philosophische Grundlage haben. Es ist klar, dass ein Konzert von einem solchen Kollektiv ein echtes Geschenk für all die Leute ist, die Extremsituationen mögen. Deswegen wurde das schweizerische Konzert von Misery Index zugleich von zwei extremen und ausserhalb des Landes berühmten Schweizer Bands unterstützt, und zwar von Carnal Decay und Oral Fistfuck.

Oral Fistfuck

Um neun Uhr erschallte die Musik der Band Oral Fistfuck aus Winterthur, die Brutal/Death Metal spielt. Diese Band wird oft eingeladen, an Konzerten teilzunehmen. Vor Kurzem trat sie als Support bei der berühmten Band Suffocation auf, die in dem selben Genre spielt. Nachdem die Band ihr erstes Lied gespielt hatte, begrüsste der Rhythmus-Gitarrist Matze alle und bedankte sich bei den Mitgliedern des technischen Personals für ihre Arbeit. Das technische Personal hat vor Oral Fistfuck eine echte eigene Performance gezeigt. Die Konzertbesucher, die rechtzeitig gekommen waren, beobachteten den ganzen Prozess, wie die Kabel gezogen und angeschlossen wurden. Eine echte Kunst! Und wie hat das den Klang beeinflusst? Durch die Verstärkung der Bassfrequenzen wurde der Klang dichter. Vielleicht hat diese Dichte ihren Reiz, der die ganze Show noch brutaler und eindrucksvoller macht. Höchstwahrscheinlich sind diese Änderungen durch die neuen Anforderungen an den Klang von den Bands zu erklären, die in extremen musikalischen Genres spielen - obwohl die Location Dynamo Saal, wie gesagt, auch früher über genügende technische Kapazitäten verfügte. Natürlich hat das die erste Band ein bisschen gestört, weil deren Musiker die ersten waren, die die neue technische Konfiguration erprobten. Unter anderem gab es am Anfang kurze Lücken in Gesangpartien, aber im Weiteren wurden diese kleinen Probleme gelöst. Und der charismatische Frontman Walt zeigte die ganze Kraft seines gutturalen Gesangs. Gut, dass die traditionellen Tremolopartien des Solo-Gitarristen durch die dichte Klangwand doch zu hören waren. Diese Band spielte bis 21.50 Uhr und erwarb mit Sicherheit die aufrichtigste Unterstützung des Publikums.

Carnal Decay
Die Pause zwischen den Auftritten von den ersten zwei Bands dauerte eine halbe Stunde, und während dieser Zeit vervollkommneten die Techniker die vorhandene Ausrüstung. Gegen zehn Uhr kam ein zartes Mädchen mit Gitarre auf die Bühne. Einer der Techniker half ihr mit den Verstärkern, dann nahm er seine Schirmmütze und sein T-Shirt ab und griff sicher ans Mikrofon. Es stellte sich heraus, dass eben er Michael Kern – Sänger der nächsten Band Carnal Decay – war. Tja, im Dynamo Saal hat es immer ein besonderes Herangehen an die Klangabstimmung gegeben. Wahrscheinlich kann nur der den Klang so enthusiastisch abstimmen, wer die Musik selbst schafft! Die Band Carnal Decay spielt in demselben Stil wie Oral Fistfuck, aber der Stoff scheint dynamischer zu sein – und das dank einer grösseren Anzahl von den von den Musikern gebrauchten Grindcore-Elementen. Die Members von Carnal Decay bilden ein sehr harmonisches Quartett. Der energische und muntere Michael, die graziöse Gitarristin Isa und der kräftige Bassist Nasar sahen zusammen toll aus. Der Schlagzeuger Reto war auch großartig. Im Jahre 2011 ließ diese Band ihr Album „On Top Of The Food Chain“ erscheinen, aber die Musiker begannen ihren Auftritt mit der Komposition „Chopping Off The Head“ aus dem vorigen Album. Einen bestimmt positiven Eindruck machte auf mich der Song „See You In Hell“, und besonders lange blieb in meinem Gedächtnis die Komposition „Mary And The 3 Kings“. Die Band beendete ihren Auftritt mit dem Song mit dem sehr langen Namen „These Hands Will Close Your Eyes Forever“. Die Performance verging in einer freundlichen Atmosphäre und endete um punkt 11 Uhr abends.

Misery Index
Die Headliner Misery Index liessen nicht lange auf sich warten. Ihr Auftritt begann in kaum 10-15 Minuten, nachdem Carnal Decay die Bühne verlassen hatten. Viele Zuhörer erwarteten es einfach nicht, dass die Band ihren Auftritt so schnell beginnen würde, deswegen kamen sie vom Erdgeschoss in den zweiten Stock, wo die Halle liegt, etwas später herauf. Aber es ist gut, dass die Organisatoren keine zu lange Pause machten: gegen elf Uhr blieb das Publikum immer noch voller Kraft und leistete den extremen Intellektuellen aus Amerika eine leidenschaftliche Unterstützung. Und die Musiker erfüllten die Erwartungen ihrer Fans. Das war eine glänzende Performance! Die Hauptbesonderheit der Band ist das Duett des singenden Bassisten Jason Netherton und des Gitarristen Mark Kloeppel, der auch singt. Dieses Duett machte auf mich einen riesigen Eindruck, weil es erstaunlich war, wie blitzschnell und meisterhaft die Sänger ihre Rollen wechselten. Bald unterstützte der Bassist den Gitarristen, mit ihm mitsingend, bald sang er die erste Gesangpartie. In der Tat ist es sehr kompliziert, weil die beiden zugleich noch Musikinstrumente spielen! Trotzdem sind die Musiker von Misery Index eine erfahrene Konzertmannschaft, und sie meisterten diese schwierige Aufgabe glänzend. Die Band spielte Material aus ganz verschiedenen Alben, aber vieles wurde dem erfolgreichsten Album „Traitors“ (2008) entnommen. Dieses Album dient für die Musiker als Wendepunkt, nach welchem ihre Position auf der internationalen Bühne wesentlich stärker wurde. Im Gegensatz zu den Schlagzeugern der aufwärmenden Bands arbeitete der Schlagzeuger von Misery Index mit zwei Basstrommeln. Eben diese Besonderheit schuf ab und zu den Eindruck, dass eine klassische Death Metal-Band auf der Bühne spielte. Kein Wunder, weil der Frontman Jason seine Karriere bei Dying Fetus begonnen hatte. Eben die doppelte Basstrommel schuf die unglaubliche Klangdichte, die durch zusätzliche Lautsprecherboxen verstärkt wurde. Der Protest ist zu hören! Anarchie ist unvermeidbar! Und Jason Netherton – Bassist, Frontman von Misery Index und Gründer des Labels „Anarchos Records“ – sollte möglichst bald zum US-Präsidenten gewählt werden!