Livereview: Lindemann - Aesthetic Perfection - Jadu

19. Februar 2020, Zürich - Samsung Hall
By Mona
Ultimative Provokation gefällig? Geschmacklose Masseneinspielung an unschönen Vaginen und Fette-Leute-Fetisch? Kannst du haben. Denn etwa das ist es, was mir vom Lindemannkonzert in Erinnerung bleibt. Oh..., und das Herauspressen von farbigen Pillen aus dem After. Danke, aber NEIN, danke. Zu allem Ärger auch noch kein Fotograben und keine Fotos bei den Support-Acts.

Jadu

Mit nicht gerade meiner allerbesten Laune beginnt das Konzert für mich mit der Berliner Künstlerin Jadu und deren Band. Sexy angezogen, relativ angenehm singend, bringt sie das Publikum durch den ersten Drittel des Abends. Da ich recht klein bin und von weit hinten zusehe, kann ich mir zur Bühnenpräsenz kaum eine Meinung bilden. Alles in Allem ist der Sound ganz nett und easy, aber irgenwie fehlt mir das gewisse Etwas. Es ist klar, dass heute alle wegen Lindemann da sind. Der Auftritt ist glücklicherweise kurz, und so muss man sich nicht langweilen. Für ein wuchtiges Projekt wie Lindemann noch einen Supportact auf Tour zu nehmen, ist für mich aber nicht ganz ergründlich.

Aesthetic Perfection
Der zweite Supporter kommt aus den USA, und wieder darf nicht fotografiert werden, doch die Darbietung wirkt anders, besser. Das Elektro-Projekt aus Los Angeles bietet potenteren Sound und deftigere Vocals, irgendwie an Manson orientiert. So steigt meine Laune ein Wenig. Etwas verärgert bin ich aber, denn das Licht ist gut und ich darf nicht im Graben stehen. Dennoch komme ich dazu, das kurze Set zu geniessen. Wie bei Jadu ist die Atmosphäre immer noch nicht gerade bombenmässig. Könnte auch an der eletronischen Musik liegen, immerhin sind viele Metalheads hier wegen den Herren Lindemann und Tägtgren. Die Laune des Publikums scheint generell besser und meine Laune ist definitiv gehoben.

Lindemann
Der Star des Abends, unmissverständlich. Nach dem pervers-ansprechenden Erstling und einem recht enttäuschenden aber doch nicht ganz so üblen zweiten Album ist es endlich so weit: wir sehen das auf bizarre Weise zusammenpassende Duo Lindemann Tägtgren endlich live! Mit weiteren Musikern auf der Bühne eigentlich eine Band, präsentieren sich die in der Szene geliebten und geschätzten Individuen als starkes Team. Komplett in weiss gekleidet und mit weisser Farbe im Gesicht wirkt die Aufmachung sehr ästhetisch. Wären da nur nicht die Einblendungen auf dem Bildschirm. Teis richtig unästhetisches Bildmaterial und vor allem die abstossende, billige Porno-grafie vermiesen mir den Auftritt. Beim ersten Song des Abends, «Skills In Pills» sieht man gar wie eine Pille aus dem Hintern gepresst wird. Zu viel des "Guten" für mich. Dankeschön, hätte jetzt wirklich nicht sein müssen. Der Song ist nicht mehr so geil wie auch schon. "And the evening's going downhill!" Provokation und Schock, darauf scheint es hinaus zu gehen. (Gezielt) unschön geschminkte Menschen mit Adipositas, die sich wie Gott sie schuf in Schleim wälzen... Ein für die Videosequenz zurechtgemachter Till Lindemann ist natürlich mit von der Partie. Ich fahre an dieser Stelle auch nicht mehr fort. Der Eintritt ist ab 18 Jahren - da habe ich natürlich das Eine oder Andere erwartet, etwas eher Unschönes und definitiv viel Kontroverseres. War ja irgendwie klar. Wer sich noch an das erste Album erinnert, weiss, dass zum Beispiel der Song «Fett» (über sogenanntes "Fat Admiring") in den perverseren Nummern nur die Spitze des Eisbergs darstellte. Mit Liedern wie «Golden Shower» musste man ja eine gewisse Abartigkeit in den Showelementen erwarten. Nun, während ich eine auf witzig gemachte Einlage an perversen Bildern noch als spassig empfunden hätte, kann ich dies von der allgemeinen Darstellung der Showunter-malung nicht behaupten. Im Gegenteil, beim Zurückdenken an die Show bin ich mindestens genauso angewidert wie damals, als ich das vor Perversion triefende Spektakel des schlechten Geschmacks live miterlebt habe. Dass viele Frauen nichts mit visueller Pornographie anfangen können, mag zwar teilweise ein Stereotyp sein. Dass Klischees oft aber nur Bullshit sind, wird klar, wenn selbst männliche Konzert-besucher meine Meinung teilen. Während des doch recht interessanten, wenn auch abstossenden letzten Drittels des Abends durfte ich mich mit einem Fotografen-kollegen zusammen tun, welcher sich auch in Aktfotografie auskennt. Nackter Körper geht auch schön, Herr Lindemann! Die Show ist eine geniale Entschuldigung, Lindemann's kranke Sexfantasien (welche seit den frühen Rammsteinzeiten mehr oder weniger bekannt sind) visuell zu präsentieren. Kuchen ins Publikum werfen ist eines der für mich etwas unverständlichen Elemente der Show. Immerhin besser als die Einlage mit dem rohen Fisch. Die Bühnenpräsenz jedes einzelnen Musikers passt, das Gesamtbild ist gut. Etwas Positives soll ja auch gesagt werden. Rein die Art und Weise, wie sich die Musiker auf der Bühne präsentieren, gefällt mir aber die..., äh..., "visuellen Reize" auf den Bildschirmen machten alles zunichte.

Den Fans schien die Show grundsätzlich zu gefallen, das Publikum machte jedenfalls ordentlich Party. Die Musik ist ja auch gut, wie schade dass etwas "Kunst" dies so zunichte machen kann. Das Wort Kunst habe ich da bewusst in Anführungs- und Schlusszeichen gepackt. Eine im Eiltempo eingestellte Slideshow verschiedener (und sehr unschönen) weiblichen Geschlechtsorgane und sich in Schleim wälzende, stark fettleibige Personen entsprechen jetzt nicht meinem Verständnis des Begriffs Ästhetik. Für mich persönlich das Flop-Konzert des Jahres. Lindemann wird es bestimmt auch in der Zukunft nicht auf meine Konzertliste schaffen. Bei der Musik werde ich mich vielleicht in weiterer Zukunft wieder überwinden können, denn möglicherweise sind die Bilder mal vergessen und ich kann mich dann nur noch über den Sound freuen - ohne Erinnerungen an Körperöffnungen, die man nicht sehen will.