Livereview: Krokus - China
30. April 2010, Zuchwil - Sportzentrum
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin)
Nach der hammergeilen CD-Release Party im Solothurner Kult-Tempel Kofmehl Ende Februar war die Vorfreude gross auf die bevorstehende kleine, aber feine CH-Tour der Altrocker vom Dienst. Die neue CD «Hoodoo» ist mittlerweile auch schon "ein paar Tage" draussen und hat sich erst jetzt, in der elften Woche, aus den Top-10 der CH-Charts verabschiedet. Die Menge der Fans, die den Silberling gut finden, ist klar in der Überzahl, obwohl es dazu natürlich auch andere Meinungen gibt und geben darf. Ich persönlich finde «Hoodoo» absolut auf der Höhe dessen, was man auf diesem Niveau heute erwarten darf. Dass Krokus es auch live immer noch bringen, hat in erster Linie der Reunion-Gig von Bern (2008) mehr als deutlich gezeigt. Zum Tourstart in Zuchwil war die Hütte voll, will heissen, es waren etwa gut 3'000 Leute gekommen. In der Halle drin sah man dann allerdings, dass noch einiges mehr rein gegangen wäre. Auf der ganzen Tour sind China mit von der Partie und es sollte sich zeigen, ob sie einen guten Mix ihrer nicht wenigen guten, alten Songs und dem neuen Material hingebracht haben. (rsl)

China

Ehrlich gesagt, freute ich mich wie ein kleines Kind auf China. Wie so oft sind in solchen Momenten die Erwartungen zu hoch und somit konnte das Quintett meine Messlatte nicht überspringen. Mit den neuen Gitarristen Mack Schildknecht wurde das Bühnenbild verjüngt. Der Junge absolvierte eine agile Performance und fügte sich bestens ins Bild ein. Auch die restlichen Bandmitglieder, Sänger Eric St. Michaels, Gitarrist Claudio Matteo, Bassist sowie Heimsolothurner Beat Kofmehl und Schlagzeuger Billy La Pietra hatten Spass an diesem Auftritt. Einer, der locker alle Anwe-senden hätte überzeugen können, aber leider an der sehr speziellen Setliste litt. Ich habe vollstes Ver-ständnis, wenn eine Truppe ihr neustes Werk präsentieren will. Nennt man sich aber China, die mindestens drei Topalben veröffentlichten, erwarte ich nicht nur zwei Klassiker, eine Coverversion und sieben neue Lieder. Wo blieben «Wild Jealousy», «Back To You», «Living On The Stage», «Animal Victim», «Slow Dancing In Hell», «You've Got Me» oder der ultimative Hit «In The Middle Of The Night»? In dieser Hinsicht haben mir China 2007 in Winterthur besser gefallen. Es hätte ein kleiner Siegeszug sein können, einer mit dem man dem Headliner das Leben hätte schwer machen können. So blieb es ein ordentliches Konzert mit der Hoffnung, dass sich die Jungs wieder auf ihre alten Hits besinnen und die Bude zum Qualmen bringen. Das nötige Feuer im Hintern haben China nach wie vor. (tin)

Setliste: «Light Up The Dark» - «Rock City» - «Lonely Rider» - «Girl On My Screen» - «Trapped In The City» - «Gates Of Heaven» - «On My Way» - «Bad Case Of Loving You (Doctor Doctor)» - «Hey Yo» - «All I Do Is Wait».

Krokus
Nach der für mich persönlich wirklich enttäuschenden Vorstellung von China wollte ich nun einen bis in die Finger-spitzen motivierten wie geladenen Headliner sehen, der sein heimisches Publikum begeistert. Bevor es losging, kam beim Wegziehen des Vorhanges ein Teil des Lakens mit dem grossen Band-Logo aber erstmals ein Stück weit mit und hing nachher halbwegs schräg runter, als Drummer Freddy sein Arbeitsgerät bereits bestiegen hatte. Ein schlechtes Omen? Eher nicht (da sich die Crew umgehend darum kümmerte), aber der alles entscheidende Einstieg in den Set schien zu Beginn jedoch gleich an der meiner Meinung nach zu geringen Lautstärke zu scheitern. Natürlich kam diesmal (im Gegensatz zur Release-Party im Kofmehl), wie gewohnt «Long Stick Goes Boom» als obligater Opener zum Zug, aber das knallte mir einfach nicht genug. Es liegt halt in der Natur von Tourstart-Konzerten, dass diese in der Folge noch gesteigert werden können, wie das die nächsten drei Konzerte in Wichtrach, Winterthur und Sursee erfreulicherweise bewie-sen haben. Nichtsdestotrotz entwickelte sich das Konzert im heimischen Zuchwil auf jeden Fall noch ansprechend. Marc Storace war topfit und lieferte eine blendende Leistung ab und auch der Rest der Truppe schien guter Laune zu sein. Leider kam mit «Shot Of Love» einer meiner absoluten Faves von «Hoodoo» einen Tick zu früh, denn da stand ich immer noch im Foto-graben. Viel lieber hätte ich die Rübe geschüttelt und dazu abgebangt. Eher überraschend stand mit «Hellraiser» (immer) noch ein Song des vorletzten Albums, also dem mit Mandy Meyer an der Klampfe, auf dem Menüplan. Der sollte aber schon bald durch «Back-Seat Rock'n'Roll» ersetzt werden. Untermalt durch eine wiederum fette Lightshow nahm der Krokus-Express dann doch noch ordentlich Fahrt auf. Das in der Mehrzahl zumindest optisch wirkende "Normalo-Publikum" mit nicht wenigen, ganzen Familien inklusive Kidz im Primarschulalter, taute immer mehr auf. Von ausgelassener Stimmung war allerdings nicht viel zu sehen wie hören und es brauchte immer wieder ein ansprechendes Antreiben seitens des Headliners. Wenigstens funktionierte der "jetzt zuerst die Girls und dann die Boys"-Sing-a-long optimal. «Ride Into The Sun», der musikalische Zwilling zum später noch folgenden «Screaming In The Night», empfahl sich derweil zwingend als weitere Top-Ballade.

Mit «American Woman» und «Tokyo Nights» folgten zwei der "todsicheren" Hits, die wohl (von den anwesenden Erwachsenen) niemand noch nie gehört haben dürfte. Aufgrund der insgesamt nicht weniger als sieben neuen Live-Songs mussten natürlich einige andere Killer wie «Bad Boys, Rag Dolls», «Stayed Awake All Night» oder das komplette «To Rock Or Not To Be» Album übergangen werden. Gerade Letzteres ist ja bis auf Many Maurer (b) auch vom aktuellen Line-Up (minus Von Rohr) eingespielt worden. Die alten Zeiten sind halt vorbei und es gibt heute kaum noch Bands (ausser vielleicht Bruce Springsteen), die, wie damals Led Zeppelin, locker 150 Minuten und noch länger auf der Bühne stehen, respektive standen. Diese Leistung kam man in dem Alter, will man den ganzen Set auf dem gleichen Niveau halten, aber nicht mehr so locker wie früher abrufen. Und wenn man unbedingt das Haar in der Suppe suchen will, findet sich immer was, an dem rumgemäkelt werden kann. Dazu gehört auch die vielfach geführte Diskussion in Sachen «Headhunter». Dass Freddy Steady hierzu sicherlich an seine Grenzen stossen würde, glaube ich auch, doch «Night Wolf» liegt jetzt locker drin und wer weiss, vielleicht erleben wir Balingen (D) ja eine faustdicke Überraschung. Von den härteren Tracks ist «Easy Rocker» immer noch ein sicherer Wert und beendete den regulären Set. Dass dann im Zugabenteil insgesamt drei der erwähnten sieben Neuheiten auftauchten, unterstreicht das Selbstvertrauen von Krokus im Jahr 2010. Zur Single «Hoodoo Woman» wurden grosse Feuerschalen in Brand gesteckt, was gut ins Gesamtbild passte und hierzu steuerten die Fans laustarken Gesang bei. Das geschah bei «Born To Be Wild» auch, wo vor allem die männlichen Vertreter eine ansprechende Singleistung ablieferten. Ob es diese Cover-Version nun braucht oder nicht..., Fakt ist, dass es eine packende Live-Nummer ist und in der "Schweizer Version" nicht ein blosses Nachspielen des Originals. Nach knappen 100 Minuten war der Tour-Auftakt 2010 auch schon wieder Geschichte und machte auf jeden Fall Lust auf noch mehr. Interessant dürfte es anfangs Juli in Huttwil werden, wo als direkter Vergleich die Kollegen von Gotthard auch mit von der Partie sind. Ob sich danach die nationale Rangliste oder gar Wahrnehmung verändern wird, sehen wir dann vor Ort, das heisst die Antworten darauf gibt es direkt von der Bühne herunter. Die heutige Vorstellung in Zuchwil war mit Sicherheit top, offenbarte jedoch noch etwas Potenzial, was ja grundsätzlich erfreulich ist. Welcome back on stage boys! (rsl)

Setliste: «Intro/Long Stick Goes Boom» - «Hellraiser» - «Shot Of Love» - «Ride Into The Sun» - «Rock N'Roll Handshake» - «American Woman» - «Tokyo Nights» - «Fire» - «Dirty Street» - «Screaming In The Night» - «Rock N'Roll Tonight» - «Heatstrokes» - «Easy Rocker» -- «Drive It In» - «Bedside Radio» --- «Hoodoo Woman» - «Born To Be Wild».