Livereview: Imperial State Electric - Smoke Mohawk

23. September 2012, Bern - ISC Club
By Kissi
Eine der grundlegenden Regeln einer Konzertreise: Jeder Tag ohne Konzert kostet. Finanziell gesehen sollte also an jedem Abend eine Show gespielt werden können. Auch an Sonntagen, trotz der Gefahr vor einem etwas verkaterten Publikum zu stehen. Nicke Andersson, ehemaliger Main-Man der grandiosen Schweden-Rocker The Hellacopters, weiss das natürlich und so kehrte er mit Imperial State Electric, seiner seit 2008 aktiven und nicht minder spritzigen Nachfolge-Truppe, im Berner ISC ein mit der Mission, den Sonntag in einen Freitag zu verwandeln. Die Waffen dazu: melodischer 70's Glam Rock, wie man ihn auf der aktuellen Scheibe «Pop War» dieses Jahr in Perfektion kredenzt hatte. Und auch wenn es Andersson und seinen tapferen Soldaten nicht gelang, den Umstand zu vertreiben, dass am nächsten Tag wieder früh aufgestanden werden musste, so knallte er den rund 70 angepilgerten Fans eine ordentliche Salve Rock'n'Roll entgegenschiessen. Doch nicht nur die Schweden-Armee, sondern auch die norwegische Vorhut Smoke Mohawk überzeugte.

Smoke Mohawk

Kaum angekommen, da stehen Smoke Mohawk auch schon auf der Bühne. Nicht nur in der Schweiz, sondern eigentlich überall, vielleicht sogar in ihrer Heimat Norwegen löst dieser Name noch unwissendes Schulterzucken aus, auch wenn mit Trommler Danny Young und Klampfer Rolf Yngve Uggen zwei Ex-Gluecifer-Rocker mit an Bord sind. Passend zum leicht psychedelischen 70's Rock des Quintetts steht letzterer ziemlich vernebelt auf der Bühne herum, haut dabei aber überraschend treffsicher und virtuos in die Saiten. Und nicht nur Uggen, die ganze Band spielt energiegeladen und tight auf. Zwar wäre Fronter Thomas Feldberg ein Stimmwunder zu nennen weitaus übertrieben, durch seine beherzte Performance (und durch seine Fransen-Wildleder-Hose) locker wieder wett. Smoke Mohawks eigentlicher Trumpf aber sind ihre Songs: Zwischen Glam Rock, frühem Punk und Psychedelic mäandern Nummern wie der furios lostretende Opener «Murder Attempt», das stampfende «Hunting Ground» oder «Inspector Holmes» und zititieren dabei altbekannte Helden wie den frühen Alice Cooper, natürlich Kiss oder Blue Öyster Cult. Assoziationen an Letztere weckt vor allem Tastenmann Magic Magnus, welcher nicht nur die obligate Hammond gurgeln, sondern auch die einen oder anderen spacigen Synthies erklingen lässt, was dem ganzen zusammen mit den spontanen Jam-Einlagen aller Musiker zusätzliche Attraktivität verleiht. Tolle Songs, tolle Performance – dass da das Publikum nicht mehr ins Zucken geriet musste an der Sonntagabend-Stimmung liegen. Im Auge behalten muss und will man Smoke Mohawk nach dieser Show auf jeden Fall.

Setlist: «Murder Attempt» - «Inspector Holmes» - «Hunting Grounds» - «VCR King» - «Sophia» - «Squaw Woman» - «Midnight Rollin'» - «Outskirts» - «Crazy Horses» - «Reefer & Rent»

Imperial State Electric
Die rund 70 Anwesenden warteten an diesem Abend aber freilich auf jemand anderen. Als Imperial State Electric mit «Uh Huh», dem treibenden Opener ihres aktuellen und schlicht grossartigen Silberlings «Pop War» loslegten, war zwar immer noch Sonntag und damit nicht gerade die exzessivste Stimmung unterwegs, aber wen kümmerte das schon. Dirigiert von Nicke Andersson (Ex-Hellacopters), wurde zu Nummern des selbstbetitelten Erstlings ebenso mitgesungen und getanzt wie zum schon erwähnten Zweitling. «Lord Knows I Know that it Ain't right», «Monarchy Madness» oder «Sheltered in the Ground», bei dieser Truppe ist auch wirklich jeder einzelne Song eine kleine Gute-Laune-Pille. Zumindest, wenn man süffigen Glam Rock mag, denn auch wenn das Quartett live einen Zacken ruppiger zulangt als auf Scheibe, so blieb doch alles immer noch poppig geschmeidig. Während musikalisch also auf hohem Niveau der Eingängigkeit gefrönt wurde, legten sich die Schweden posing-technisch umso mehr ins Zeug und nicht nur Nicke's obligatorische Soldatenmütze, sondern die ganze in schwarz gekleidete Truppe machte mit energischen Gesten und zum Feiern auffordernden Ansagen den Eindruck, dass die Mission Rock'n'Roll-Party auf keinen Fall scheitern durfte. Ja, Andersson gab durchwegs den Riff-General, war sich aber gleichzeitig nicht zu schade, bei «Rock Science», der zum gleichnamigen Brettspiel, eine Art Trivial Pursuit für Rocker, kreierten Single, den Posten am Mikro seinem Saiten-Kumpan Tobias Egge zu überlassen. Dieser meisterte die Aufgabe mit Bravour und klang dabei verblüffend nach Paul Stanley von Kiss, sodass auch diese eher unbekanntere Mid-Tempo-Hymne ordentlich bejubelt wurde. Setzte man bei vergangenen Shows des Öfteren auf die Geheimwaffe «Covers», konzentrierte man sich dieses Mal fast ausschliesslich auf das eigene Material. Aber nur fast: Mit «Leave my Kitten alone» gab es eine aufgekratzte Version des schon von den Beatles verwertenden Rock'n'Roll-Standards. Dazu machten spontan wirkende Einlagen wie ein Doppeldrum-Solo von Thomas Erikkson mit dem schon erwähnten Smoke-Mohawk-Mann Danny Young und noch ausgedehnter später mit Nicke Andersson oder das flotte Abrocken aller Musiker vor der Bühne im Publikum selbst deutlich, wie sehr die Herren selbst das, was sie tun, lieben. Spielfreude gepaart mit guten Songs und instrumentalen Fähigkeiten, da kann halt einfach nichts schief gehen und so hatten allerspätestens zu den kreischenden Gitarrensalven von «Narrow Line» alle ihr zweites (oder drittes, oder viertes) Bier in der Hand und vergessen, dass am nächsten Tag wieder die Arbeitswoche beginnen würde. Dazu noch das surf-punkige «I'll let You down» und der Smasher «Throwing Stones» vom Debüt und beendet war eine gelungene Rock-Revue, die exzessiv oder ekstatisch zu nenne zwar übertrieben wäre, gute Laune aber ebenso verbreitete wie die nachdenkliche Frage, warum solche Bands in unserer Gesellschaft immer noch vor nicht einmal hundert Leuten spielen müssen. Sonntag hin oder her, solche Bands muss man sich einfach geben.

Setlist: «Uh Huh» - «Lord Knows I Know that it Ain't right» - «Monarchy Madness» - «Redemption's gone» - «Deride and Conquer» - «Sheltered in the Ground» - «Deja Vu» - «Rock Science» - «Leave my Kitten alone» - «Can't Seem to Shake it off my Mind» - «Narrow Line» - «I'll let You down» - «Throwing Stones»