Livereview: Iced Earth - Evergrey - Steel Engraved - Dead Shape Figure

14. Dezember 2012, Pratteln - Z7
By Rockslave
Nachdem Frau Holle und Väterchen Frost eine gute Woche vorher weit herum für einen weissen St. Nikolaus Tag gesorgt hatten, wurde es im Z7 nicht wirklich weihnachtlich, sondern eher noch kälter! Iced Earth gaben sich nämlich nach dem letzten Gastspiel in Huttwil 2008 (damals noch mit Matt Barlow) ein weiteres Mal die Ehre. Vom neuen Sänger Stu Block hatte ich schon das eine oder andere im Vorfeld vernommen, wollte mir aber nun selber ein Bild machen und wurde an sich positiv überrascht. Mit dabei als Unterstützung waren nicht weniger als drei Support-Bands, wovon mich vor allem Evergrey interessierten. Die Nordlänger standen schon immer für einen eigenständigen Sound und ihre letzten Alben überzeugten allesamt. Zudem weiss ich aus freien Stücken nicht mehr genau, wann ich sie zum letzten Mal live gesehen habe. Des Weiteren liessen Steel Engraved den Metal-Hammer schwingen, doch den ersten Nagel schlugen klar Dead Shape Figure ein.

Dead Shape Figure

Obwohl ich extra nochmals auf der Z7-Homepage nachgeschaut hatte, standen die Finnen leider schon vorzeitig auf der Bühne, was mich diesmal richtig geärgert hat! Dies, weil mir das, was mir da ans Ohr drang, ungemein gut gefiel. Obwohl Dead Shape Figure Thrash'n'Roll mit mehrheitlich metalcore-artigem Gesang zelebrieren, fand ich das Paket ziemlich ansprechend. Dafür verantwortlich war der permanente Groove, den die Band aus Helsinki verströmte. Frontmann Galzi sah dabei zwar genau so aus, wie man sich einen genretypischen Brüllwürfel eben vorstellt und mir kamen dabei vor allem die alten Entombed als Vergleich in den Sinn. Doch da kam weit mehr als nur tumbes Gepoltere und Gekreische rüber, und genau deshalb war ich wirklich angesäuert, dass der Beginn des Konzertes vorverschoben wurde. Während ich wenigstens noch eine gute Viertelstunde miterleben durfte, kamen viele Leute für die erste Gruppe des Abends schlicht zu spät. Dead Shape Figure wurden 2003 gegründet, haben mit «The Grand Karoshi» (2008) und «Disease Of St. Vitus» (2010) zwei Scheiben, plus heuer einzelne neue Songs am Start. Zwischendurch waren auch eindeutige Vibes von Exodus oder Slayer auszumachen, aber was wirklich überzeugte, war der permanente Druck nach vorne. Cool fiel auch die Gitarrenarbeit von Juhani Flinck und Silver Ots aus und Drummer Mohkis legte sich ebenfalls voll ins Zeug. Das konnte man vom eigentlich praktisch teilnahmslosen Publikum leider nicht behaupten.

Steel Engraved
Meine Befürchtung, dass mich die deutschen Metaller aus Ostbayern nicht sonderlich ansprechen würden, wurde ziemlich schnell Tatsache. In der Schnittmenge von True Metal und Versatzstücken aus Iron Maiden, Accept oder Helloween spielten die Deutschen aus Grafenau den Heavy Metal mit klassischem Genreaufbau. Sänger Marco Schober entschuldigte sich überraschenderweise schon früh bei den Fans von wegen er sei stimmlich angeschlagen. Das, was er allerdings darauf ablieferte, schien jedoch weit davon entfernt zu sein. Zum Glück konnte man sagen, denn obwohl der eine oder andere instrumentale Part meinen Geschmacksnerv eher bis schliesslich definitiv doch nicht traf, schob der Herr Schober (klingt cool gell?!) den Karren soweit konstant vor sich hin. Meine Wenigkeit zog sich dennoch alsbald an den Biertresen zurück und verfolgte das Geschehen aus quasi sicherer Entfernung. Trotzdem entging mir nicht, wie Steel Engraved zumindest den Versuch unternahmen, besonders cool rüber zu kommen, indem sie sich ziemlich platt und gekünstelt immer wieder in Pose warfen. Das wiederum warf während den ersten drei Songs wenigstens ein paar gute Fotos ab, doch das konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Deutschen für gemischte Reaktionen sorgten. Die Stimmung des Publikums befand sich insgesamt, trotz sichtlich gesteigerter Anzahl, immer noch gefährlich am Rande einer kollektiven Massenhypnose. Natürlich kam die Chose in den ganz vorderen Reihen anders daher, sprich besser an, aber die Resonanz auf das Gezeigte war so dürftig wie zuvor schon.

Setliste: «Steeler» - «Pray For The Dead» - «Desert Uprising» - «On High Wings We Fly» - «Solitary Mission» - «Forlorn Empire» - «Godspeed » - «I Am The War».

Evergrey
Nun musste eine Steigerung her und die liess zum Glück nicht lange auf sich warten! Evergrey haben einfach das gewisse Etwas und das nennt sich in erster Linie Ausstrahlung und Attitüde. Wenn das Ganze dann noch mit Technik und Talent zusammen gebracht wird, ist der Weg frei für eine geile Performance. Mein erster Berührungspunkt mit den schwedischen Dark Metallern war um die Jahrtausendwende mit dem Erwerb des zweiten Albums «Solitude.Dominance.Tragedy». Wenn man sich diese Scheibe heute, fast fünfzehn Jahre nach dem Release, anhört, klingt alles immer noch frisch und keineswegs angestaubt. Dreh- und Angel-punkt von Evergrey ist Frontmann und Gitarrist Tom S. Englund, notabene das einzige verbliebene Ur-Mitglied. Geblieben ist das Gespür für epische Songs, die damals mit Tad Morose verglichen werden konnten. Nebst dem melodischen Element sind auch progressive Vibes der Marke Dream Theater nicht von der Hand zu weisen. Während Letztere ihre Karriere in diesem Zeitraum, also seit den 90ern richtig anschoben, verbuchten Evergrey erst 2005 mit der Live-DVD «A Night To Remember» einen grösseren Erfolg in ihrer Heimat. Aus eher unerfindlichen Gründen verlor ich das Interesse an den Schweden und nahm die Fährte eigentlich erst wieder 2008 mit der Scheibe «Torn» auf. Der aktuelle Silberling kam 2011 heraus und trägt den Titel «Glorious Collision». Somit waren Evergrey nicht wirklich auf Promo-Tour, sondern bereicherten das Billing als Co-Headliner. Nach einer recht kurzen Umbaupause von rund zwanzig Minuten legten Master Englund und seine Band mit «Leave It Behind Us», dem Opener der letzten, also "neuen" Langrille, wuchtig los. Die nachfolgenden Songs «The Masterplan» und «Rulers Of The Mind» hatten dann glatt zehn Jahre mehr auf dem Buckel (ab «In Search Of Truth, 2001). Gemeinsam war ihnen aber der klar erkennbare rote Faden und Englund (hatte heute übrigens Geburtstag), der mit seiner Körpergrösse und Stimme so zu sagen alles überragte. Dem zunehmenden Druck konnten die Fans dann nicht mehr entrinnen, und so wachten die sechs bis knapp sieben Hundertschaften im Z7 endlich auf und sorgten für das verdiente Feedback. Während gut einer Stunde zockten die Schweden einen sehr tighten Set runter, der unter anderem auch von feinen Einzelleistungen der Herren Marcus Jidell (ja, das ist/war der Gitarrist von Royal Hunt), Rikard Zander an den Keyboards und Drummer Hannes Van Dahl bereichert wurde. Dass es dann letztlich echt fett rüber kam, war ebenso der Verdienst von Bassist Johan Niemann, dessen Instrument donner-gleich die Wände erzittern liess. Gerne hätte man Evergrey länger zugehört, aber schliesslich wartete ja noch der Headliner auf seinen Auftritt.


Setliste: «Leave It Behind Us» - «The Masterplan» - «Rulers Of The Mind» - «Blinded» - «As I Lie Here Bleeding (mit Piano Intro)» - «Wrong» - «Frozen» - «Recreation Day» - «Broken Wings» - «A Touch Of Blessing».

Iced Earth
Just in der Zeit, als Evergrey erst so richtig los legten, standen Iced Earth mit dem 98er Hammer-Album «Something Wicked This Way Comes» quasi auf dem Zenit ihrer Karriere. Dort kam nämlich die ganze Bandbreite der Ami-Band um Mastermind Jon Schaffer zum Tragen, die nicht nur aus thrashigem wie speedigem Gepolter bestand, sondern zwischendurch auch gedrosselt, wie zum Beispiel beim Götter-Song «Melancholy (Holy Martyr)» die durch Sänger Matt Barlow veredelte Genialität des Songwritings erst recht zum Ausdruck brachte. Die zur Tour im Anschluss veröffentlichte Live-Box «Live in Athens» (heute ist das originale fünffache Picture-Vinyl kaum mehr aufzutreiben, wenn überhaupt), respektive die Nachlese als DVD und Triple-CD gehören mitunter zum Besten, was diese Stil-Ecke je hervor gebracht hat. In den Jahren danach lief es dann nicht mehr so rund und nebst den gesundheitlichen Problemen von Jon Schaffer wurde auch der Posten am Mikrophon zwischenzeitlich neu besetzt. Kein Geringerer als der Ex-Judas Priest Shouter Tim "Ripper" Owens wurde so ein Teil der Bandgeschichte. Viele Fans goutierten diese neue Situation aber nicht wirklich und mit der vielbejubelten Rückkehr von Mr. Barlow Ende 2007 wurde man den alten Vibes mehrheitlich tatsächlich nochmals gerecht. Wie man heute weiss, hielt diese Reunion der Realität aber nicht stand und seit dem letzten Studio-Album «Dystopia» (2011) ist Stu Block, der "Neue", mit an Bord. Dieser wusste sehr wohl, in welche Fussstapfen er da zu treten hatte, machte es aber von Anfang an gut und zeigte das auch im Z7 zu Pratteln auf eindrückliche Weise. Dennoch musste ich mich an die hammergeile, in drei Akte unterteilte Show zum Album «Horror Show» (2001/2002) zurück erinnern. Nichtsdestotrotz startete der Headliner von heute Abend standes-gemäss mit «Dystopia» als Opener kurz vor 22.00 Uhr. Der Begrüssungsapplaus der knapp 700 Leute war gleichermassen herzlich wie laut..., gut so! Die Band wirkte frisch und tatenfreudig, was vor allem im Fall von Jon Schaffer wegen seinen (einst?) hartnäckigen Rückenproblemen sehr erfreulich war. Im Fokus des Geschehens und eigentlich auf dem Prüfstand stand aber Stu Block. Doch dieser liess sich durch nichts aus der Ruhe bringen und lieferte als vorderster Mann amtlich ab. Die Kulisse in Form eines riesigen Backdrops mit dem etablierten Monster als Sujet verlieh dem Ganzen den richtigen Rahmen. Dass dabei nicht weniger als fünf Songs von «Something Wicked This Way Comes» stammten, unterstrich die fortwährende Bedeutung dieses Meisterwerks aufs Neue. Ebenso fiel der Dresscode der Band und auch der Leute aus dem Tross auf. Sämtliche Bandmitglieder trugen zum Beispiel eine Jeanskutte, wo hinten ein Iced Earth Aufnäher zu sehen war, während die Crew einheitliche Shirts bezüglich des Motivs zur Schau trug. Auch ohne dieses Detail speziell hervor zu heben, bekam das Publikum eine fast zweistündige Heavy Metal-Show der Extraklasse geboten. Die verdiente Reaktion der Z7-Besucher gipfelte schliesslich im Klassiker «Watching Over Me» (ab welchem Album, wird jetzt an dieser Stelle nicht nochmals erwähnt!) in einer zusätzlichen, nicht auf der offiziellen Setliste stehenden Zugabe. Fazit: Es war somit klar besser als erwartet, aber früher wurde man halt von der schieren Power aus Tampa (FL) regelrecht platt gewalzt.

Setliste: «Dystopia» - «Burning Times» - « Pure Evil » - «Wolf» - «V» - «My Own Savior» - «I Died For You » - «Invasion» - «Motivation Of Man» - «Setian Massacre» - «Anthem» - «Prophecy» - «Dark City» - «Equilibrium» - «The Hunter» -- «In Sacred Flames» - «Boiling Point» - «Melancholy (Holy Martyr)» - «Iced Earth» --- «Watching Over Me».