Livereview: Heaven & Hell
17. Juni 2009, Zürich Volkshaus
By Kissi - Pics by Rockslave
Ronnie James Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice - es gilt, einen Moment inne zu halten, nur um sich die Namen auf der Zunge zergehen zu lassen. Die legendäre Black Sabbath-Besetzung ‚Mark II’, welche verantwortlich für Meilensteine wie „Heaven And Hell“, „Mob Rules“ und „Dehumanizer“ ist, nach 15 Jahren wieder vereint; es war die vielleicht vielbeachtetste Wiederauferstehung des Metals im Jahre 2007, was in einer Zeit, in welcher Reunions und Comebacks zum täglichen Geschäft im Musikbusiness (und mit Kufenprinzessin Lambiel und Brummbrumm-Schumi auch im Sport) gehören, schon etwas heissen will.

Vor zwei Jahren startete man unter dem neuen Namen Heaven & Hell zu einer ausgedehnten Welttournee, welche als nichts anderes als einen Siegeszug bezeichnet werden kann. So führte eines zum anderen, und im Frühling dieses Jahres bretterte er dann ins Haus, „The Devil You Know“, der vierte, tonnenschwere Tonbrocken des kongenialen Duos Iommi/Dio. Dass zu einem neuen Album eine ausgewachsene Tour gehört, wissen die beiden Ikonen der verzerrten Gitarrenmusik natürlich, zelebrierten die Herren doch schon Heavy Metal, bevor es diese Bezeichnung überhaupt gab. So begab man sich auch anno 2009 also wieder auf grosse Konzertreise, und was wäre eine Welttournee denn, würde man nicht auch mindestens einmal in der kleinen, aber reichen Schweiz gastieren? Klein, aber reich, das galt dann wohl auch als Motto für den Abend: Erkennbar unter ‚ausverkauft’ zeigte sich das Zürcher Volkshaus doch in der lauen Juni-Nacht, was wohl nicht zuletzt an den unverschämten Eintrittspreisen von fast 70 Eiern lag - ohne Support-Act, wohlverstanden. Damit wäre das Gemecker dann aber schon weitestgehend abgehakt, denn der Rezensent kann sich ab dieser Stelle nicht erwehren, einen (fast) lupenreinen Lobgesang auf Iommi und seine Mannen anzustimmen.

Heaven & Hell
Das Licht ging aus, und auch wenn wie schon erwähnt das Volkshaus zwar gut, aber bei weitem nicht voll besetzt war, erklangen sogleich die ersten ungeduldigen Chöre. Dabei schrie man mal nach Dio, dann wieder nach Iommi, Sabbath und letztlich auch mal nach Heaven & Hell. Bei solchen Namen wäre ein Bandname ja eigentlich wirklich nicht nötig. Mit dem sphärischen Intro „E5150“, welches seit spätestens 1982 wohl jede Show dieses Sabbath-Line Ups eröffnete, begann dann das metallische Spektakel mit antikem Jahrgang. „Mob Rules“, „Children Of The Sea“ und „I“ - fantastischer hätte man ins Set nicht starten können. Und auch nicht lauter: Nicht nur, dass Muskelprotz und Prügelmeister Vinny Appice sein einer Kugel gleichendes Rundum-Drum beinahe auseinandertrommelte, nein, auch alles andere war laut wie Sau. Insbesondere, wenn Mr. Metal Iommi persönlich zu seinen kreischenden Soli ansetzte, steigerte sich der Dezibelpegel ins Unermessliche, und, obwohl keine Belege dafür existieren, mit ziemlicher Sicherheit über die in der Schweiz tolerierten 100dB. Es schien fast schon, als müsse der in schwarzes Leder gehüllte Brite klarmachen, wer denn eben diese Musik, die wir alle lieben, vor fast 40 Jahren erfunden hatte. Dass sowohl Iommi als auch sein tieftönender Weggefährte Geezer Butler während der ganzen Show sich kaum vom Fleck bewegten, war abzusehen und störte deswegen auch kaum.

Zentrum der Aufmerksamkeit schien sowieso ein anderer: Mit seinen über 60 Jahren vermochte es Ronnie James Dio, der kleine, immer runzliger bzw. knochiger werdende Mann mit der immer noch grossen Stimme, nämlich immer noch, das Publikum dramatisch gestikulierend in seinen Bann zu ziehen. Unterstützt wurde er dabei von einer imposanten Licht- und Bühnenshow: Von einem die ganze Rückwand überspannenden Backdrop im Metallplatten- und Nietenlook prangte über der Schiessbude von Appice ein Bildschirm, auf welchem mal mehr, mal weniger schaurige Videos und Bilder die epischen Songs von Heaven & Hell richtig in Szene setzten, dazu natürlich die stimmende Beleuchtung. So auch bei „Bible Black“, der Single des neuen Götter- bzw. Teufelswerks „The Devil You Know“. Die Bühne in blutrotes Licht getaucht, peitschten Dämonen Sklaven aus, während der Fürst der Finsternis dem Volkshaus leibhaftig die Zähne bzw. die Riesenschlange in seinem Mund entgegenfletschte. Ohne weiteres konnte sich der Song so in den Reigen alter Klassiker einreihen. Anders verhielt es sich mit da mit dem nachfolgenden „Time Machine“. Es ist ja löblich, dass das Quartett sich getraute, auch einen weniger bekannten Track ins Set einzubauen, doch musste es gerade diese Nummer sein? Man könnte behaupten, dass Dio und Iommi zusammen nie einen schlechten Song geschrieben haben, doch auch dann noch ist „Time Machine“ von „Dehumanizer“ die wohl langweiligste und unbedeutendste Nummer der ganzen Bandgeschichte, der damit einhergehende Stimmungsabfall bestätigte dies.

Beim darauf folgenden Drumsolo Appices, welches zwar die beeidruckende Energie dieses Herren zeigte, verhielt es sich nicht anders, obwohl auch hier höftlich applaudiert wurde. Mit „Fear“, dem Opener der neuen Platte und „Falling Off The Edge Of The World“ (Gänsehaut pur!) kriegten Heaven & Hell dann aber wieder die Kurve, und, als hätte es diesen kleinen Dämpfer nie gegeben, feierten die etwa 1000 Anwesenden wieder munter weiter. Wie sollte man sich der Magie dieser Nummern voller schwerfälliger Epik auch erwehren? „Follow The Tears“, der dritte Track von „The Devil You Know“, machte dabei keine Ausnahme. Dass „Die Young“ danach vollends abdrehen liess, war vorauszusehen, genauso wie die Mitsing-Chöre während der Metalhymne schlechthin, „Heaven And Hell“. Beinahe wäre es dem wirklich enthusiastischen Publikum gelungen, an die unmenschliche Lautstärke von Iommis Sologitarre heranzukommen. Als das alte Vierergespann nach einer kurzen Pause dann mit „Country Girl“ von „Mob Rules“ den Zugabenteil eröffnete, staunte wohl nicht nur ich nicht schlecht, gab man damit doch eine schon fast vergessene Rockperle zum Besten. Mit dem fliessenden Übergang zu „Neon Knights“ aber ging dann alles wieder seinen gewohnten Gang. Doch als der vielleicht schnellste Sabbath-Song überhaupt sein Ende gefunden hatte und Iommi, Dio und Co. sich ans Verbeugen und Plektren ins Publikum Schmeissen machten, realisierte man erst, dass nun schon Schicht im Schacht war.

Klar, die vier Herren sind auch nicht mehr die Jüngsten und haben mit Ausnahme von Appice alle schon eine 6 vorne dran stehen, aber dennoch: Wo bleiben „Voodoo“, „The Sign Of The Southern Cross“, „After All“ oder auch neue Nummern wie „Atom & Evil“ oder „Eating The Cannibals“? Und was ist mit den Songs, die man als Bonus aufs Best Of-Album schmiss, was ja erst Anlass dieser Reunion war? Noch einmal ärgerte man sich über das verzichtbare „Time Machine“, doch angesichts der hervorragenden Leistung, um nicht zu vergessen auch die Stimmakrobatik Dios, der zwar nicht mehr so hoch wie früher, aber immer noch eindrücklich sang, verschmerzte man diese Leerstellen ohne Weiteres. Nicht zuletzt konnte man sich nämlich ziemlich sicher sein, dass Heaven & Hell nicht allzu schnell den Löffel abgegeben würden, zeigten sich doch an diesem Abend wirklich keine Abnutzungserscheinungen geschweige denn Altersschwäche.

Setlist: „E5150“ – „The Mob Rules“ – „Children Of The Sea“ – „I“ – „Bible Black“ – „Time Machine“ - Vinny Appice-Drum Solo – „Fear“ – „Falling Off The Edge Of The World“ – „Follow The Tears“ – „Die Young“ – „Heaven And Hell“ - - - „Country Girl“ - „Neon Knights“