Livereview: Gotthard - The Fire
19. Dezember 2009, Baar (ZG) - Waldmannshalle
By Roger W.
Gotthard haben mich an diesem Abend wieder zum Fan gemacht. War ich nach dem Auftritt in Winterthur anlässlich ihrer Domino-Tour enttäuscht, rockte die Sache heute wieder gewaltig. Das fing bereits bei der Vorband The Fire an, die souverän und motiviert das Publikum anheizte. Der Weg durch das wilde Schneegestöber und das Anstehen in der Kälte hatte sich definitiv gelohnt. Eine Frage blieb allerdings offen. Gotthard und The Fire spielen mit einem Härtegrad, der vergleichbar mit Doro, Molly Hatchet oder Shakra ist. Wieso fehlt das 08/15-Durchschnitts-Schweizer Volk denn dort? Hätten es diese Bands nicht auch verdient, grosse Hallen zu füllen? So werde ich also weiterhin die Konzerte mit einer Handvoll Metaller geniessen, und vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht.

The Fire

Das Wort «Motivation» wurde an diesem Abend sowohl zum Synonym für Gotthard, wie auch für The Fire. Denn was Letztere da abfeuerten, war gewaltig. Scheinbar ohne Catwalk-Verbot, nutzten die Italiener die grosse Bühne gekonnt aus, und spielten sich in einen 45 minütigen Rausch. Sänger Olly stellte sich nicht nur als sehr guter Unterhalter heraus, sondern auch als exzellenter Barde, der den Liedern immer genau das gab, was sie brauchten. Dabei entzogen sich The Fire jedem Versuch, sie stilistisch einzuordnen. Am ehesten würde vielleicht noch das Etikett "Open Minded Heavy Rock" passen. Denn die Grundstimmung sämtlicher Songs war heavy und die Vocals eher brüllend. Daneben präsentierten sich The Fire aber auch boulevardesk, poppig oder punkig. Bereits beim zweiten Song zog Olly als «Singing In The Rain»-Mann über den Catwalk, nur um danach wieder einen Heavy Metal-Song zu intonieren. Das Publikum liess sich gerne mitreissen und klatschte brav mit. Und sogar die «Hey»-Rufe klappten. Zeitweise musste man sich gar vergegenwärtigen, dass The Fire eigentlich "nur" die Vorband waren. Die klassische Rock Piano-Ballade «Sweeter Than Me» tat dann ihr Übriges. Als zum Schluss der Sänger fragte «What do you think about The Fire?», war die Antwort klar: Die sind richtig eigenständig, selbstbewusst und unterhaltsam oder schlicht gut. Der Support für das am 22. Dezember erschienene Album «Abracadabra» ist den Italienern definitiv gelungen.

Gotthard
Trotz schwerer Vorlage durch The Fire war es danach für Gotthard ein Leichtes, noch einen drauf zu setzen. Ebenso einsatzfreudig wie die Italiener, stürmten die Hard Rocker die Bühne und gaben gleich von Beginn weg Vollgas. Steve Lee tänzelte auf dem Catwalk, suchte ständig den Kontakt zum Publikum und sang dabei noch wie ein Gott. Nur Bassist Marc Lynn wirkte zu Beginn etwas erschöpft, während die beiden Gitarristen Leo Leoni und Freddie Scherer lachten und auf der Bühne umher tigerten. Als ewigen Gastmusiker hatten Gotthard auch an diesem Abend Pianist Nicolò Fragile dabei. «Unspoken Words» vom neuen Album «Need To Believe» und «Gone Too Far» von «Domino Effect» markierten den Anfang und liessen die Halle kochen. Ein erster Höhepunkt war mit «Hush» erreicht. Lee liess das begeisterte Publikum singen; Zuerst die Frauen, dann die Männer und schliesslich alle zusammen. Das machte selbst dann Laune, wenn man (wie ich) dieses Spielchen bereits an mehreren hundert Konzerten schon so oft gemacht hatte. Abgesehen von diesem kleinen Intermezzo waren die ersten 45 Minuten von durchgespielten Liedern und wenigen Ansagen geprägt. Ein richtiges Rockkonzert eben, bei dem es in erster Linie um die Songs ging.

Das änderte sich, als Freddie Scherer für ein Gitarren-Solo auf den Catwalk kam, und so «Unconditional Faith» einläutete. Die Band setzte ein, und als im Mittelteil dann ein Schottischer Highlander die Bühne betrat, war es definitiv Zeit für den Showteil. Es folgten acht Dudelsackspieler und ein paar Schlagzeuger, die zusammen mit Gotthard den Song fertig spielten. Die Pipes and Drums von den «Lucerne Caledonians» wurden extra für die Schweizer und die Münchner-Shows gebucht. Da heute Tourabschluss war, bedankte sich der als William Wallace verkleidete Ober-Schotte überschwänglich bei Gotthard. Er verriet, was sie den unter den Schottenröcken tragen (nämlich rote Unterhosen mit Schweizer-Kreuz). Aber auch die Zugabe-Rufe des Publikums wurden gehört. Und so durften die Schotten noch einen Song alleine spielen. Fazit: Die Einlage klang gut und hat zudem toll ausgesehen. Mit Showeinlagen war es danach aber noch nicht fertig. Steve Lee und Leo Leoni setzten sich zuvorderst des Catwalks auf Barhocker und kündigten ein Akustik-Set an. Dabei durfte das Publikum die Songs wünschen. Wie spontan diese Einlage war, ist schwer zu sagen, denn Lee wehrte immer wieder Songwünsche mit der Begründung ab. "Das sind Piano Songs! Was Leo da auf seinem Knie abstützt, ist für mich aber eine Gitarre." Lee half dem Publikum gar richtig gehend die passenden (eingeplanten?) Songs zu finden. Aber egal, wie spontan diese Aktion wirklich war, sorgten die Kurzversionen (in der Regel die erste Strophe und der Refrain) von «In The Name», «Tomorrow's Just Began», «Let It Be», «All I Care For» und «One Life One Soul» nur von Lee's Stimme und von Leoni's Gitarre getragen für meterdicke Hühnerhaut. Wer danach gedacht hatte, es wäre wieder Zeit zum Rocken, der wurde ein wenig enttäuscht. Denn Gotthard gaben showmässig noch einen drauf. Sie starteten «Shangrii La», welches zuerst in einen fulminanten Jam mündete. Damit konnte die Band die Zeit überbrücken, die es brauchte, bis sich Herr Lee den Weg durch das Publikum zu seinem Schlagzeug gebahnt hatte. Es folgte ein cooles Doppelschlagzeug-Solo, bevor Pianist Fragile wiederum die Zeit für Steve's Rückkehr mit Geklimper überbrückte.

Dann war es aber wieder Zeit zum Headbangen und Mitklatschen. «All We Are» sorgte für Stimmung, bevor sich Leoni und Scherer bei «I Don't Mind» auf dem Catwalk gegenseitig duellierten. Als Belohnung dafür wurde ihnen von zwei Mädchen Bier auf die Bühne gebracht, das sie kameradschaftlich tranken. Bevor es zu den Zugaben kam, setzten Gotthard mit «Lift U Up» noch einen drauf. Nach sehr kurzem Warten markierten «Sister Moon» und «Anytime Anywhere» den Schluss. Danach leerte sich die Halle schon merklich. Steve Lee kam nochmals auf die Bühne und sagte: «Da haben wir doch noch was vergessen.» Der wirklich letzte Song des Abends war nach über zwei Stunden Konzert die Stadionhymne «Heaven», die das Publikum endgültig davon überzeugte, ein grossartiges Konzert gesehen zu haben. Man könnte jetzt natürlich über die Setliste monieren, die ein paar wichtige Klassiker wie «Mountain Mama» oder «Sweet Little Rock'n'Roller» ausliess. Auch über die Show könnte man motzen, da sie auf gewisse Leute zeitweise ein wenig zu perfekt und einstudiert wirkte. Aber hey, Gotthard waren engagiert, motiviert und boten dem Publikum neben der tollen Musik auch super Unterhaltung. Und das soll ihnen erst einmal jemand nachmachen!

Setliste: Unspoken Words, Gone Too Far, Top Of The World, Need To Believe, Hush, I know you know, Right From Wrong, Delay From Hell, Unconditional Faith, Accustic Set (In The Name, Tomorrow's Just Began, Let It Be, All I Care For, One Life One Soul), Shangri La, Drum Solo, All We Are, I Don't Mind, Oskar, Lift U Up, Sister Moon, Anytime Anywhere, Heaven