Livereview: Gotthard - Krokus - Shakra

03. März 2017, Bern – Expohalle 4.01 (Festhalle)
By Rockslave
Gewünscht hatten sich dies sehr viele Schweizer Fans und das schon jahrelang, aber wenn man dazu, ohne jetzt konkret Namen zu nennen, das eine oder andere Statement zu diesem Thema in der Vergangenheit recherchiert, dann kann heuer tatsächlich von grassierender Altersmilde gesprochen werden. Was also viele Leute nur zu träumen wagten, wurde jetzt tatsächlich wahr! Die grossen drei Namen der Schweizer Hardrock-Szene, nämlich Gotthard, Krokus und Shakra, zum ersten Mal gemeinsam auf der gleichen Bühne, respektive dem gleichen Event! Um dem Ganzen den richtigen Anstrich zu verpassen, bot sich zum einen das 25-jährige Album-Jubiläum von Gotthard an, und Krokus (mit «Big Rocks», 2017) wie Shakra (mit «High Noon», 2016) haben aktuelles Material am Start. Was liegt also näher, dieses berühmte Rock-Dreigestirn der Schweizer Szene auf diese Weise zu würdigen?! Mit gegen 8‘000 Fans in Bern (!) und tags darauf 5‘000 in Dübendorf konnten beide Anlässe den Status «sold out» vermelden. Die einzigen zwei Konzerte in diesem Rahmen und wohl für immer fanden somit regen Anklang, und vor allem in Bern präsentierte sich die Ausgangslage kultiger denn je.

Shakra

Den Anfang machten die Emmentaler Hardrocker von Shakra, und da man ihnen, trotz halbem Heimspiel, leider nur eine halbe Stunde Spielzeit zugestand, musste ein Killer-Set her! Dass dabei, respektive unter dieser Umständen, das letztjährige neue Studioalbum «High Noon» erwartungsgemäss im Vordergrund stand, war anzunehmen. So wählte der Fünfer «Hello» als Opener, der bereits zum Mitsingen anregte. Dieser Schwung übertrug sich dann gleich auch auf «Raise Your Hands», wo der nächste Earcatcher auf fruchtbaren Boden stiess. Die Band agierte frisch, und vor allem Bassist Dominik Pfister legte ein agiles Posing hin, wie ich es so von ihm eigentlich noch nie gesehen hatte. Derweil sorgten auch die beiden Gitarristen Thomas Muster und Thom Blunier für die bewährten fetten Riffs wie flinke Soli. Last but not least liess Rhythm-Machine Roger Tanner ebenso nichts anbrennen und lieferte satte Beats, wie man das ja von ihm gewohnt ist. Die Stimmung in der zu dieser Zeit schon sehr gut gefüllten Location entwickelte sich gut, aber kaum war die Betriebstemperatur auf und vor der Bühne erreicht, waren die unverschämt kurzen dreissig Minuten viel zu früh vorüber! Das war unter dem Strich wirklich ärgerlich, denn für diesen wohl einmaligen Moment in der Karriere von Shakra wären mindestens 45 Support-Minuten mehr als nur verdient gewesen. Nichtsdestotrotz machten Shakra aber klar das Beste draus, haderten nicht mit dem Schicksal, und so rockten Frontmann Mark Fox und seine Jungs die Expohalle schon zu Beginn in Grund und Boden. Bitte mehr davon!

Setliste: «Hello» - «Raise Your Hands» - «High Noon» - «Life Is Now» - «Ashes to Ashes» - «Rising High».

Krokus
Ein Schelm wer Böses denkt, von wegen, dass Krokus vor Gotthard auf die Bühne mussten, aber allfällige Wogen wurden schon im Vorfeld geglättet, da beide Headliner etwa mit der gleichen Spielzeit ins Rennen geschickt wurden. Zudem sickerte noch was von einem „Special“ durch, was darauf hinzielte, dass Gotthard und Krokus wohl gemeinsam musizieren werden. Bevor es dazu kam, wurde natürlich der offizielle Konzert-Part bestritten. Die wesentliche Frage, die sich nicht nur mir stellte, war, welche Songs denn nun definitiv auf der Setliste gelandet waren. Chris von Rohr liess ja zuletzt beim Kurzinterview im Schweizer Fernsehen in der Sendung „10 vor 10“ verlauten, dass maximal drei Covers gespielt werden und der Rest sich aus zahlreich vorhandenen Krokus-Standards und Klassikern zusammen setzt. So weit so gut, dies war also mal die Ansage von „Dö Röhr“. Als das Licht in der mittlerweile vollen Halle mit rund 8‘000 Besuchern ausging und natürlich «Long Stick Goes Boom» das Set standesgemäss eröffnete, sah die Welt noch gut aus. Da die mengenmässig überaus zahlreich vorhandene Fotographen-Meute, inklusive meiner Wenigkeit, überraschend die Erlaubnis erhielt, die ersten vier Songs (sonst sind es ja normalerweise deren drei) fotographieren zu dürfen, verbrachte man so mehr als eine Viertelstunde im Foto-Pit. In diesem Zeitraum ist das persönliche Konzerterlebnis jeweilen etwas eingeschränkt, da die dürftigen Lichtverhältnisse, bis auf die Feuersäulen zu Beginn, zu unentwegt emsigem Treiben nach guten Fotos führten. Was ich jedoch umgehend wahr nahm, war untrüglich der „erste“ Cover-Song, nämlich «Jumpin‘ Jack Flash» von den Rolling Stones. Dieser Klassiker ist ja mitunter auch auf «Big Rocks», dem kürzlich erschienenen Cover-Album, zu finden. Streng genommen war allerdings bereits «American Woman» zuvor ein Cover, der aber bekanntermassen nicht als solcher aufgefasst wird. Besser gefiel danach der Oldie «Winning Man», und es war nicht zu übersehen und -hören, dass die Jungs heiss auf diesen Gig waren. Vor allem das Gitarren-Trio von Arb/Kohler/Meyer haute voll rein und erwies sich als überaus spielfreudig, während Marc geschickte Gesangslinien wählte, die seine Performance bis am Schluss aufrecht hielten. Derweil hatte auch das Gespann von Rohr/Mezzodi sichtlich Spass an den Reaktionen der Fans.

Da nachher der Auszug der Knipser-Karavane mit Gang zum aussenstehenden Kabäuschen und anschliessender Abgabe der Kameras zu erfolgen hatte, ging «Hellraiser» in der Zeit für mich leider flöten, und so sah ich mir den Rest ab «Fire» aus den hinteren Regionen der Halle an, da ich auf 21.30 Uhr ja wieder draussen sein musste, um die…, na Ihr wisst schon. Somit fiel mein Fazit zum Auftritt von Storace & Co., obwohl die Stimmung sehr gut, wenn auch nicht ekstatisch war, auf den ersten Moment eher durchwachsen aus. Was vor der Ära der Smartphones und dem ganzen Internet-Gedöns nicht möglich war, lässt sich in der Neuzeit schon kurze Zeit später nachprüfen, denn es wird ja mittlerweile fast alles gefilmt und umgehend ins Netz gestellt. Nach der Konsultation einiger Videos, die klanglich jedoch selten bis gar nie überzeugen, musste ich mein Erst-Urteil umgehend revidieren und kam zum Schluss, dass dies eine absolut vollgeile Hammer-Sause war, die allerdings eindeutig unter den unsäglichen Cover-Songs litt. Vor allem was «Rock And Roll (Rock)» von Gary Glitter, nota bene nicht mal auf «Big Rocks» vertreten, hier zu suchen hat, wissen nur die Geier! Die Kinderschänder-Taten von Gary sind das eine, aber warum man an so einem geschichtsträchtigen Anlass nicht hingeht und dafür zum Beispiel «Bad Boys, Rag Dolls», «Natural Blonde» oder eine schmissige Version von «Shot Of Love» stattdessen rein nimmt, erschliesst sich mir nicht. Das Fehlen von «Bedside Radio», eigentlich ein No-Go, liess erahnen, dass da nach dem offiziellen Set von Gotthard noch was folgen musste, und so kam es dann auch! Für den im Sommer anstehenden Gig am BYH!!!-Festival in Balingen (D) müssen die Jungs dann aber noch eine gehörige Schippe drauf legen, und da reicht dann «Headhunter» alleine bei Weitem nicht aus. Bern rockte jedoch, nicht zuletzt wegen ausverkauftem Haus, mehr als ordentlich. Auffällig war hierbei das durchschnittlich eher gehobene Alter der Konzertbesucher, wovon nicht wenige wohl staunten, welche Energie noch in Krokus steckt. Was im August 2008 in unmittelbarer Nähe, das heisst im „Stade de Suisse“, zelebriert wurde (erster Reunion-Gig im Ur-Lineup), bleibt allerdings unerreicht. Und nun war ich gespannt, was Gotthard dieser grundsätzlich kernigen Vorlage im Rahmen ihrer «Silver»-Tour entgegen zu setzen vermochten.

Setliste: «Long Stick Goes Boom» - «American Woman» - «Jumpin' Jack Flash» - «Winning Man» - «Hellraiser» - «Fire» - «Rock And Roll» - «Tokyo Nights» - «Rockin' In The Free World» - «Heatstrokes» - «Easy Rocker» - «Rock'n'Roll Tonight» - «Hoodoo Woman».

Gotthard
Mit rund zehn Minuten Verspätung auf die offizielle Marschtabelle ging es kurz vor 22.00 Uhr los mit dem Intro zum Album-Opener des neuen Longplayers mit dem passenden Titel «Silver». Das Motto der Scheibe, das natürlich an das 25-jährige Jubiläum geknüpft war, wurde auch beim kultigen Bühnenbild umgesetzt. Eingetaucht in massig blaues Licht und Trockeneisnebel stand vorne vor dem Drum «SILVER» in grossen Buchstaben, während auf einem Teil der Stage-Amps eine Art Aufsätze mit dem Effekt von scheinbar „flüssigem Silber“ ein tolles Bild abgaben. «Silver River» und «Electrified» sorgten darauf gleich von Anfang für volle Power, und trotz der zuvor bei Krokus beschriebenen Situation der Wahrnehmung vor Ort fand ich die Kompaktheit einfach nur grossartig. Mit Covers von Deep Purple habe ich ja so meine liebe Mühe, wobei «Hush» ja eigentlich kein eigener Song der Briten ist, sondern von Joe South stammt, um das Thema rund um den neuen Krokus-Longplayer noch ein vorvorletztes Mal anzusprechen. Deshalb erwähne ich jetzt bewusst den (schon immer) schmissig vorgetragenen Purple Mitsing-Klassiker, der seine Wirkung auch heute Abend nicht verfehlte. «Stay With Me» als letzter neuer Song unterstrich darauf, wie stark das aktuelle Material ist. Mit dem mittlerweile schon dritten Release der Ära Nic Maeder präsentierte sich der Leadsänger vollends gefestigt und führte dem Berner Publikum seine insgesamt zwar immer noch bescheidenen, aber stetig besser werdenden Deutschkenntnisse vor. Gleiches galt für die Stimmung, die in der vollen Halle prächtig gedeihte, bis der Schwung mit nicht weniger als vier (!) Balladen hintereinander jäh abgebremst wurde. Hier hätten wohl, wie tags darauf in Zürich, wo «Let It Be» ausgelassen wurde, drei ausgereicht. Einigen Konzertgängern schien dieser Break zu viel des Guten zu sein, da sich draussen doch ein paar Leute, also mitten im Konzert, nicht etwa um ihr leibliches Wohl kümmerten, sondern sich tatsächlich vom Acker machten! Drinnen merkte man davon natürlich nichts, und weil ich mich nach «Heaven», wie die anderen Foto-Pit KollegenInnen, für das anstehende „Encore“-Special wieder vor dem „Kamera-Ausgabeort“ einfinden musste, verpasste ich zu meinem grossen Ärger das persönliche musikalische Highlight des Abends, nämlich «Firedance»! Das tat wirklich weh und nervte mich echt!

Das Problem dabei war, dass die zehn Minuten Verpätung vom Beginn weg und noch weitere Minütchen hinten raus dafür sorgten, dass wir eigentlich etwas zu früh wieder im Pit zurück waren und es deshalb noch etwas dauerte, ehe das „Event-Goodie“ seinen Auftakt nahm. Dafür kam man in den Genuss eines kurzen Drum-Solos von Dani Löble (Helloween), der den immer noch krankheitsbedingt abwesenden Hena Habegger optimal vertrat. Mehr noch, denn der etatmässige Drummer der Kürbisköpfe entpuppte sich als wahre Rampensau und peitschte das Publikum profimässig auf. Der fliessende Übergang zu «Lift U Up» hielt den guten Stimmungspegel deshalb konstant oben, und mit so einem Smasher kann man nur gewinnen. Nach etwa knapp 85 Minuten, also unwesentlich längerer Spielzeit als Krokus, gingen Gotthard vorerst mal von der Bühne runter. Die weiteren paar Leute, die sich ebenso vom Acker machten, verpassten so quasi das Highlight des Abends, nämlich das Schlussbouquet, bei dem Gotthard und Krokus zum allerersten Mal gemeinsam auf der Bühne standen. Für den Beginn der Jam-Session zum Beatles-Klassiker «Come Together» erschienen zunächst Marc Storace und Mandy Meyer als erste Guests. Das kam schon mal nicht schlecht daher, was in erster Linie am kultigen Original liegt und des Weiteren hatten Gotthard diesen Song ja schon auf dem Album «Dial Hard» (1993) überzeugend interpretiert. Und dann kam er, der bisher fehlende (Krokus-) Song mit der passenden Textzeile: „The show is over, you got to go home again…“ – «Bedside Radio»! Bis auf Dani Löble (für ihn setzte sich wieder Flavio Mezzodi hinter das Arbeitsgerät) musizierten hierzu also die grossen zwei Schweizer Rockbands in trauter Seligkeit zusammen. Ein wahrlich spezieller Moment der Schweizer Musikgeschichte, bei dem der unvergessene Steve Lee (R.I.P.) in den Herzen seiner Fans tausendfach mit dabei war. Das Sahnehäubchen mit dem bekanntlich von Bob Dylan geschriebenen, aber seit je her von der Manfred Mann’s Earth Band unantastbar interpretierten Rausschmeisser «Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn)» folgte auf dem Fuss und mobilisierte die Massen ein letztes Mal, und dies ziemlich lautstark! Ebenso edel geriet das Schlussbild mit Feuerregen von oben und „Millionen“ von Silber-Schnipseln wie dünnen langen Streifen aus zwei Rohrkanonen.

Fazit: Die Show als solche erfüllte die Erwartungen des Durchschnitts-Konzertbesuchers ganz sicher, und Bern war im Gegensatz zu Dübendorf, wo einerseits keinerlei Feuereffekte (!) geduldet und andererseits die Headliner-Sets um je einen Song gekürzt wurden, klar die bessere Wahl! Dafür durfte Mark Fox in der Samsung Hall noch mitsingen. Auf jeden Fall konnte man dieses Package nicht besser schnüren, aber vor allem die spielzeitmässig eingebremsten Shakra und die unter dem Strich zu dürftige Setliste von Krokus hinterliessen bei mir persönlich ein paar Stirnrunzeln. Gotthard (mit Krokus als „Special Guest“) werden bald noch Lausanne zweimal rocken und beide Bands werden zudem an einigen Festivals vertreten sein. In der Heimat gemeinsam bei „Rock im Ring“ in Hinwil und am „Sweden Rock Festival“ in Sölvesborg (Gotthard) sowie beim BYH!!!-Festival in Balingen (Krokus). Die Sause zusammen mit Shakra dürfte hingegen einmalig bleiben. Wohl also allen, die dabei waren!

Setliste: «Intro» - «Silver River» - «Electrified» - «Hush» - «Stay With Me» - «Mountain Mama» - «Remember It's Me» - «Feel What I Feel» - «Sister Moon» - «What You Get» - «One Life, One Soul» - «Let It Be» - «Angel» - «Heaven» - «Firedance» - «Top Of The World» - «Drum Solo Dani Löble» - «Lift U Up» - «Anytime Anywhere» -- «Come Together (with Marc and Mandy from Krokus on Stage)» - «Bedside Radio (with Krokus on Stage)» - «Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn) (with Krokus on Stage)».