Livereview: Flotsam And Jetsam -  Dew Scented - Izegrim

26. März 2017, Zürich – Dynamo (Werk 21)
By Rockslave
In meinem Alter (52) braucht es für Konzerte, die an einem Sonntag stattfinden, schon einen guten Grund, die häusliche Komfortzone zu verlassen! Doch an diesem Abend hatten die Herren Schenk und Ballauf in der ARD keinen Stich, denn mit Flotsam And Jetsam kündigte sich eine amerikanische Thrash-Legende an, die letztes Jahr mit ihrem aktuellen und selbstbetitelten Album eine weitere Hammer-Scheibe raus gehauen hat. Während sich zum Beispiel die Landskollegen von „The Big Four“ (Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax) in der jüngeren Vergangenheit ebenso wie kommerziell erfolgreich ins Zeug gelegt haben, backen die Flotsam-Jungs nach wie vor deutlich kleinere Brötchen. Wo also die Grossen immer noch locker Stadien füllen, müssen sich andere mit Locations wie dem Werk 21 im Zürcher Dynamo begnügen. Dass so eine Affiche aber deutlich truer rüber kommt und man hier noch von echter Leidenschaft für die Musik sprechen kann, lässt das Oberflächliche von Grossanlässen weit hinter sich. So konnte man einen genialen Konzertabend mit zwei Top-Supports (Dew-Scented und Izegrim) in kleinem Rahmen (circa 100 Leute) geniessen. Wer da war, weiss, wovon ich spreche.

Izegrim

Der Bandname der niederländischen Death Metaller mit der sympathischen Frontfrau Marloes Voskuil suggeriert bei Nichtkenntnis der Truppe eher was aus der Black Metal Ecke. Obwohl ich den Namen schon mehrfach gesehen wie gelesen habe, kannte ich die Mucke von Izegrim bisher überhaupt nicht, und so liess ich mich mal einfach überraschen. Nach den ersten Riffs und growligen Vocals, die ins Werk 21 geschmettert wurden, war jedoch sofort klar, in welche Richtung es geht. Vorne an der Bühne angekommen, sah ich dann also die Frontlady mit ihren langen blonden Haaren und einer abgrundbösen Gesangsstimme, die überhaupt nicht zu ihrem hübschen Äusseren passen wollte. Kaum waren die Ansagen zu den Songs jeweils durch, wurde klassisch weiter geknüppelt und dies auf hohem Niveau. Dann und wann mischten sich auch mal thrashige und blackmetallische Elemente in den Sound, aber der Hauptteil bestand natürlich aus waschechtem Death Metal. Mit dabei hatte man unter anderem Songs vom aktuellen Longplayer «The Ferryman's End», der letztes Jahr erschienen ist. In der Frühphase der 1996 in Zutphen, Gelderland (NL) gegründeten Combo stand mit Kristien Dros bis 2008 eine Vollblut-Sängerin am Mikro. Ab 2004 übernahm Marloes den Bass ihrer Vorgängerin Anita Borst und nach dem Rückzug von Kristien sah sich Gitarrist und Gründungsmitglied Jeroen Wechgelaer einer neuen Situation an der Front gegenüber. Das aktuelle Line-Up, zu dem noch Gitarrist Bart van Ginkel (seit 2005) und Drummer Ivo Maarhuis (seit 2008) gehören, präsentierte sich als eingespielte Einheit, die bald einmal für gute Stimmung und anerkennenden Applaus sorgte. Was zudem auffiel, war der vergleichsweise gute Sound, den man an so einem Ort wie dem Werk 21 nicht zwingend erwarten kann. Wenn auch das Ganze von der Lautstärke her noch etwas mehr hätte vertragen können, so erfreute einen die ziemlich differenziert abgemischte Mucke. Das bewies an dieser Stelle einmal mehr, dass die Technik grundsätzlich in fähige Hände gehört, was aber leider nicht immer so ist. Nach guten vierzig und nicht nur etwa bloss dreissig Minuten räumten Izegrim das Feld und waren kurz darauf am Merchstand zugegen. Dabei zeigte sich die Band unkompliziert wie fannah zugleich und stand geduldig für lockere persönliche Gespräche, gemeinsame Fotos und dem Signieren von Tonträgern zur Verfügung.

Setliste: «White Walls» - «Deathstrip» - «Endless Desire» - «Reclaim My Identity» - «The Legion» - «Insanity Is Freedom» - «Celebratory Gunfire» - «Time To Run» - «Endless Strife».


Dew-Scented
Wenn ich mir überlege, ob und wann ich die deutschen Thrasher das letzte Mal gesehen habe, kommt mir dazu als Gelegenheit nur das BYH!!!-Festival in Balingen (D) in den Sinn. Die gezielte Suche im Netz bestätigt diese Vermutung und tatsächlich spielten Dew-Scented am 17.07.2010 in der Messehalle neben der Mainstage auf. Meine Wenigkeit war zwar dort, aber an diesem Konzert nachweislich nicht zugegen, und so dürfte der heutige Auftritt wohl tatsächlich der Erste überhaupt sein, den ich miterleben durfte. Die einzige Konstante in dieser Band ist Sänger und Frontmann Leif Jensen, der seit der Gründung 1992 für den besten Wiedererkennungswert auf den full length Alben sorgt, die übrigens bisher alle immer einen Titel tragen, der mit einem grossen „I“ beginnt! Schräg, aber wahr! Das heutige Line-Up besteht seit 2012 und neben Leif sind das Marvin Vriesde (g), Rory Hansen (g), Joost Van Der Graaf (b) und Marc Dzierzon (d). Letzterer sorgte für mächtiges Aufsehen im Werk 21, denn selten habe ich so ein kraftvolles Drumspiel wie dasjenige von Marc gesehen, du heilige Scheisse! Dieser unglaublich tight und laut aufspielende Typ zerlegte sein Arbeitsgerät beinahe in seine Einzelteile, und zum Glück war ich bei diesem Drumset kein reinkarniertes Cymbal! Zudem, egal ob groovige oder schnelle Songs gespielt wurden, gab dieser aussergewöhnliche Musiker wirklich alles. Was sich hier nach einem eventuellen Audio-Massaker anhört, war genau das Gegenteil! Der Sound manifestierte sich noch besser und fetter als zuvor bei Izegrim und die ganze Band agierte in bester Spiellaune. Dennoch musste Leif, wie zuvor schon Marloes, das Publikum darauf aufmerksam machen, dass die Party erst dann steige, wenn die erste Reihe enger besetzt wird. Dieser Aufforderung wurde nachgekommen, und so entwickelte sich dieses Konzert von Song zu Song immer besser. Die Folge davon waren im Kollektiv kreisende Haarmatten. Derweil brüllte sich Mr. Jensen vornehmlich fast die Lunge aus dem Leib. Das war dann unter dem Strich der sonst höchstsoliden Vorstellung der Truppe eine klitzekleine Beanstandung meinerseits, da mir die Mucke mit der Zeit etwas zu eintönig wurde. Den berühmten Unterschied machte aber letztlich der neue Mann hinter den Kesseln aus, der Dew-Scented einen mörderischen Live-Sound bescherte. Dass dies so möglich wurde, war dem begnadeten Mischer in der Person von Martin Furia zu verdanken! Der Musiker, sprich Gitarrist, der sonst bei Bark, einer belgischen Band, in die Saiten greift, ist auf der ganzen Tour mit dabei. Was für ein Geschenk an alle Beteiligten!

Setliste: «Declaration of Intent (Intro)» - «On A Collision Course» - «Turn To Ash» - «Scars Of Creation» - «Affect Gravity» - «Cities Of The Dead» - «Demon Seed» - «Never To Return» - «Storm Within» - «Ruptured Perpetually» - «Thrown To The Lions».


Flotsam And Jetsam
Im vergangenen Frühherbst waren sie noch als Support von Destruction im Z7 und nun sind die Amis als Headliner unterwegs. Meine damalige stille Bitte, dass Flotsam And Jetsam doch bald wieder in der Schweiz aufspielen mögen, wurde also erhört. Zum damaligen Zeitpunkt war die neue selbstbetitelte Scheibe (VÖ: 09.12.2016) gar noch nicht draussen, und darum stand die Tour heuer ganz im Zeichen der mehr oder weniger ganzen Karriere der Band aus Phoenix. Das bestätigt auch gleich der Blick zur untenstehenden Setliste, wo zwischen dem Set- wie Album-Opener «Seventh Seal» und der abschliessenden Zugabe «Doomsday For The Deceiver» exakt satte dreissig Jahre liegen! Eine sehr lange Zeit für eine Band, der zwar der ganz grosse Exploit nie gelang, aber erstens immer noch da ist und zweitens musikalisch nie besser war als jetzt! Der harte Kern mit Sänger Eric A.K. und Gitarrist Michael Gilbert sowie Bassist Michael Spencer, der Ende der 80er nur kurz zum Line-Up gehörte, wurde ab 2014 mit Steve Conley (g) und Jason Bittner (d) ergänzt. Passend zu dieser Phase wurde die zweite Langrille «No Place For Disgrace» neu aufgenommen, allerdings noch ohne Steve und Jason. Diese sind dann aber erstmals auf der aktuellen Scheibe zu hören. Nach dem bereits sehr starken Beginn des Konzertes mit Mucke der Neuzeit, pendelten die Songs danach meist zwischen den Jahrzehnten hin und her. Dabei zeigte sich, wie zeitlos die alten Schoten immer noch sind und wie geil sich die neuen Songs daneben behaupten können. Vor allem «Life Is A Mess» ist ein absoluter Killer-Song, wo mitunter Riffstrukturen von Exodus durchschimmern.

Dazu kann man eigentlich nicht nur regungslos dastehen, und auch auf die Gefahr hin, dass meine lädierten Knochen im Nackenbereich noch mehr anfangen zu knirschen, musste mindestens ein „Headbangen light“ her, mo mercy! Danach gab es eh kein Halten mehr, und die Stimmung unter den gut 100 Fans war auf dem Weg zum Siedepunkt. Selbst das Paar, das mit coolen ABBA-Shirts ins Werk 21 kam, trug diese eher zur Zierde, respektive bewies insgesamt einen ausgewogenen Musikgeschmack, der so ja auch auf mich zutrifft. Wie zuvor schon bei den Support-Bands war der Sound wiederum prächtig, wenn nicht genial durch Mister Furia abgemischt. Obschon Drummer Jason Bittner augenscheinlich nicht so heftig drauf haute wie zuvor Kollege Dzierzon, so war sein Spiel ebenso druckvoll wie filigran zugleich. Bei «Smoked Out» lieferten sich Michael und Steve ein kurzes wie unterhaltsames Sechssaiter-Duell. Dabei wurde der Spass an der Sache ersichtlich, und darum befand sich der Fünfer dann in der richtigen Stimmung, um beim Song «Iron Maiden» keine Cover-Version, sondern die eigene Ehrerbietung an die geschätzten und stilistisch einflussnehmenden Kollegen zu zelebrieren! Hinten raus ging es unter grossem Jubel zurück zu den Anfängen, sprich den ersten beiden Kultalben, und nach einer furiosen Version von «Doomsday For The Deceiver» ging ein unerwartet guter Sonntagabend, nota bene locker ohne den sonst traditionellen „Tatort“ vor der heimischen Glotze, formidabel zu Ende. Zum Glück kriegte ich hierzu den Arsch hoch, denn hätte ich mir erzählen lassen müssen, was ich verpasst habe, so wäre das unverzeihlich gewesen!

Setliste: «Seventh Seal» - «Dreams Of Death» - «Hammerhead» - «Monkey Wrench» - «Desecrator» - «Me» - «Life Is A Mess» - «She Took An Axe» - «Hard On You» - «Smoked Out (incl. Solo battle)» - «Iron Maiden» - «No Place For Disgrace» -- «I Live You Die» - «Doomsday For The Deceiver».