Livereview: Enter Shikari - Cancer Bats

15. Januar 2013, Zürich - Komplex 457
By Natalia N.
Ist es wohl möglich, populär zu werden, wenn man sehr innovative Musik spielt, die mit einfachen Worten nicht zu erklären ist? Die Band „Enter Shikari“ kennt die Antwort, denn ihr gelang es, einen Beitrag zur neuen Rockmusik der Jahrtausendwende zu leisten und ihre Verdienste wurden auch anerkannt. Enter Shikari vereinigte Post Hardcore– Aggression mit mörderischem Rave-Tempo, ein Vermächtnis der 8-Bit-Konsole und Trance-Testament in einem. Diese Mischung ist durchaus berechtigt, denn die Differenz zwischen verschiedenen Musikrichtungen ist heute ja generell nicht mehr so deutlich und die neue Generation freut sich sowohl auf einen Hotslam zu der Gitarren- und Schlagzeugkanonade als auch auf Tanzorgien am Elektro-Open Air. Enter Shikari waren die Ersten, die dieses “2 in 1”-Angebot auf Lager hatten. Dazu kommt noch, dass Enter Shikari auch live überzeugen: sie wurden im respektablen „Kerrang“-Magazin zur besten Live-Band gewählt und das sogar gleich zwei Mal.

An diesem Gig wurde Enter Shikari von den Cancer Bats unterstützt. Eine bessere Wahl hätte man fast nicht treffen können, obwohl das Schaffen der beiden Bands total unterschiedlich ist, sowohl musikalisch als auch im Bezug auf die Live-Performance. Licht und Finsternis, Zukunft und Vergangenheit an einem einzigen Konzertabend, wenn das mal keine tolle Kombination ist!

Die Cancer Bats begannen mit ihrem Auftritt gegen neun. Die Musiker kamen auf die nur von einige Richtscheinwerfer beleuchtete Bühne. So ein Dämmerlicht passt zu der Musik der Band, denn sie verwendet die Ästhetik von Horror und Zombies mit einem Retro-Touch. 2012 veröffentlichte die Band ihr stärkstes Album „Dead Set On Living“, das sehr viel Anklang fand. Die Gruppe fand zu einem einzigartigen Sound, indem sie Sludge-Hardcore mit Heavy Metal-Elementen ergänzte. Die Präsentation des neuen Albums war aber offensichtlich nicht das Ziel der Jungs, die im Laufe der letzten paar Jahre von einer Underground-Band aus Toronto zu einer bekannten Grösse der kanadischen Szene wurde. Die Setlist enthielt Lieder aus allen 4 Full Length-Alben. Die Gruppe begrüßte das Publikum mit dem bekannten „Pneumania Hawk“ vom Debütalbum, und beendete ihre Show mit dem Track „R.A.T.S“ vom neuen Album. Das Publikum konnte die Punk-Attitüde in vollen Zügen geniessen. Jedes Bandmitglied hat seinen ganz eigenen Stil, was beim Auftritt ganz deutlich sichtbar wurde, und jeder hat einen eigenen interessanten Spitznamen. Eines der Gründungsmitglieder zum Beispiel, der Gitarrist Scott „Mayor“, geht die Dinge ernsthaft an, konzentriert sich auf heulendes Riffing und lebhafte Tremolo. Mike „Bear“ sieht super aus mit seiner Basecap und der Sänger Liam „Scraps“ ist der lebendigste der Gruppe und kann seine Stimme wie ein Schauspieler ändern. Während einer Pause zwischen den Liedern zeigte er dann auch ein kleines theatralisches Intermezzo: mit einer Kinderstimme begrüßte er die Zuschauer in Zürich. Ich persönlich aber halte den Bassisten Jaye «Bones» für das Symbol der Cancer Bats, und er ist es auch, der Liam während der Gigs stimmlich unterstützt. Auch die treuen Fans der Band waren gekommen, welche die Texte auswendig kannten und mitsangen. Beim Song „Scraps“ forderte Liam das Publikum auf, im Rhythmus mit zu klatschen und die Zuschauer machten begeistert mit, so dass es fast wie ein zusätzliches Instrument neben Mikes’ Drums klang. Auch hier kannten viele den Text und sangen mit. Die Band bot noch ein Cover von „Sabotage“ (Beastie Boys), war ein tolles Geschenk für das Publikum war. Zu schnell war die Show vorüber, aber der Refrain des letzten Songs hallte noch lange in meinem Kopf nach: „There's a special place in hell for every filthy rat!“. Wenn ihr die Cancer Bats noch nicht gehört habt, habt ihr noch nicht richtig gelebt.


Setlist: „Pneumonia Hawk“, „Trust No One“, „Bricks and Mortars“, „Lucifer's Rocking Chair“, „Sleep This Away“, „Sorcess“, „Road Sick“, „Drunken Physies“, „Old Blood“, „Deathsmarch“, „Sabotage“ (Beastie Boys-Cover), „Hail Destroyer“, „R.A.T.S.“


Um halb zehn begann der Auftritt von Enter Shikari und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Band das Publikum vom ersten Augenblick an mit zahlreichen Spezialeffekten beeindrucken wollte. Enter Shikari hat sich einiges bei DJs abgeguckt, zum Beispiel das Anheizen der Atmosphäre im Raum durch sich steigernde Musik, was am Schluss zu einem wahren Begeisterungssturm beim Publikum führte. Als Eröffnung spielten die Jungs einige sehr dynamische und tanzbare Songs vom neuen Album «System \ Meltdown», man hatte hier fast das Gefühl, in ein Computerspiel einzutreten. Eine weitere Berührung mit der virtuellen Welt wurde durch den aggressiven Track «Sssnakepit» geschaffen, aber auch durch die einzigartige Dekoration der Bühne: eine massive Konstruktion aus Säulen in der Mitte und an den Seiten, auf denen Dreiecke aufgesetzt wurde. In diesem Bühnenaufbau spiegelte sich der Stil des letzten Albums, dessen Cover ein leuchtend rotes Dreieck zierte. Auch wurden diese Säulen in die Lichtshow integriert und jeder Track wurde von einer eigenen Lichtkomposition begleitet, die sich ständig veränderte: von einem sanften Lila über grelles Weiß bis hin zu Gelb, blinkend oder als Ornament.

Die Jungs von Enter Shikari haben viele Elemente der Hip Hop-Kultur in ihren Stil integriert. Zum Beispiel benahm sich der Vokalist Rou wie ein richtiger MC, wenn er zu den Elektro-Beats sprach und so das Publikum anheizte, wie etwas beim Song «Gadhni Mate Gadhni». Auffällig war an der Show ausserdem das Keyboard, das auf der Bühne viel Platz einnahm und in seiner Konstruktion einem Turngerät ähnlich sah. Der Sänger der Band kletterte ab und an auf die Konstruktion und spielte daran herum. Aber im richtigen Augenblick öffnete sich das Gestell und das daraus auftauchende Piano hatte einen sehr anrührenden und lyrischen Klang. Rou zeigte, dass er noch mehr kann als Singen und spielte bei «Gap in The Fence» Akustikgitarre. Das ganze Publikum aber auch seine Bandkollegen sangen mit. Besonders klar und rein sang der Gitarrist Rory, der dann auch als erster einen kleinen Strahler an seinem Gitarrengriff anschaltete. Während des Auftritts richteten der Bassist und Gitarrist den Lichtstrahl in den Zuschauerraum und mitten in der Show begannen sie auf die Bühnendeko zu klettern, was sie auch wirklich gut konnten. Als Höhepunkt des Konzertes kann man «Sorry You’re Not A Winner» bezeichnen, bei dem sich alle Musiker als talentierte Tänzer zeigten. Natürlich tanzten und sangen auch alle Zuschauer mit. Zum Abschluss spielten Enter Shikari das ravige «Zzzonked». Game over!


Setlist:“ Sistem\Meltdown“, „Sssnakepit Remix“, „Sssnakepit“, „Antwerpen“, „Gandhi Mate Gandhi“, „Sorry Your Not A Winner“, „Destabilise“, „Return to Energiser“, „Warm smile“, „Gap in the Fence“, „Jaggernauts“, „Arguing with the Thermometers“, „Mothership“, „Constellations“, „Pack of Thieves“, „Zzzonked“.