Livereview: Dream Theater
28. Oktober 2005, Festhalle Rüegerholz, Frauenfeld
By Leandra Pics: Rockslave
Ein ganzer Abend mit den Prog-Göttern aus Übersee, wie könnte man das Wochenende besser einläuten? Da keine Vorband zu erwarten war, fingen die Leute an zu schreien, sobald die Uhr 20:00 zeigte. Das Intro setzte ein, das Licht ging aus, der Lärm der Masse wurde ohrenbetäubend.

Als dann der Vorhang fiel, wurde er schon undefinierbar. Die Musiker begannen mit "The root of all evil" vom neuen Album, wobei LaBrie's Stimme anfangs etwas comicartig klang. Das Publikum blieb relativ ruhig, was Schubsen und Drücken anging, aber das sollte sich später noch ändern. Wahrscheinlich war es zunächst leicht gelähmt von der extremen Lightshow. Ruddess präsentierte sich mit wild wachsendem Bart, während Petrucci tief in den Topf mit Haargel gegriffen hatte. Auf der Leinwand sah man entweder die Band in Grossaufnahme oder dann Bilder aus alten Tagen sowie CD-Covers -natürlich immer passend zu den jeweiligen Songs. Nach dem fünften Stück war dann mal 'ne Begrüssung fällig, inklusive Dank fürs Erscheinen und der Mitteilung, dass es Dream Theater nun doch schon 20 Jahre gebe (Majesty-Zeit mit eingerechnet). Mike Portnoy hatte voraus gedacht und -entweder im Wissen um die flirrenden Lichter oder der Coolness wegen- eine Sonnenbrille montiert. Das Publikum war auffallend gemässigt erschienen in Bezug auf Metaller-Attitüde. Da waren keine "krassen" Gestalten zu bewundern, man sah viel mehr Leute, für die gute Musik nicht mit gutem Aussehen zu tun hat. Will heissen, es ging mal 100%ig um die Band und nicht ums Posen. Dann gab es noch die andere Garde, die Leute, die in ihrer Schulzeit (die in vielen Fällen noch nicht beendet war) nicht nur beliebt gewesen sein konnten. Ich will natürlich hier keinen Konzertbesucher beleidigen, das Statement wird später noch genauer erklärt.

James sang mit stoischer Miene und wallender Mähne, teilweise glich er einem Seefahrer aus der griechischen Antike. Bei "About to crash" sang Petrucci mit tiefer Stimme mit und sein Einsatz wurde mit Gekreisch honoriert. Gerade als ich mich ans Spirit Of Music-Openair in Uster vom 12. Juni zurück erinnerte und mich darüber freute, dass dieses Mal keine ungeduldigen und halb wahnsinnigen Maidenfans pushten, fing das Gerangel an. Ein paar Klassentrottel mit Zahnspangen und fettigen Haaren konnten sich nicht mehr beherrschen und wollten einen Pit eröffnen -an einem Dream Theater-Konzert, man stelle sich das vor. Ausserdem hatte keiner von denen je etwas von Anstandsregeln wie "Kleine Leute vor grossen Leuten" oder "Damen bevorzugt behandeln" gehört. Nach der viertelstündigen Pause, in der man sich kaum einen Millimeter bewegen konnte, ging es frisch und fröhlich weiter. Die Band hatte Freude am Spielen, gewisse Besucher am Drängeln. Das Thermometer stieg stetig an. Vielleicht auch, weil der zweite Teil durch "As I am" eingeleitet worden war.

Danach ging es weiter mit einer "Octavarium"-Session, der in Jordans Solo gipfelte, das wiederum die Einleitung für den Titelsong der neuen Scheibe war. Aber zurück zum Keyboarder. Sein Instrument (nicht das "normale" Keyboard, das Ding daneben) sah aus, als wären die Tasten durch eine Filzmatte ersetzt worden, unter der sich durch Fingerdruck Töne bildeten. Es schien irgendwie überirdisch und die Hitze nahm zu… Natürlich wurde munter weiter gedrängelt, da keinem die Ansicht des seltsamen Instruments auf der Leinwand zu genügen schien. So fand ich mich jedenfalls plötzlich über die Schulter eines Security geworfen wieder und wurde nach draussen abtransportiert. An dieser Stelle eine Kritik an Hallenverwalter und Veranstalter: Eine klitzekleine Sanitätseinrichtung wäre ja wohl nicht zu viel verlangt. Denn die Schreiberin dieser Zeilen war nicht die einzige die würgend in der Kälte stand… Zum Glück hatte meine Kollegin, übrigens ein riesiger Dream Theater-Fan, wenn nicht sogar der allergrösste, sich meiner Notizen angenommen und meinen Job weitergeführt. Ein Küsschen für Sandy an dieser Stelle! Bekanntlich geht "Octavarium" 24 Minuten und laut Sandy rasteten die Fans im Zwischenteil aus, klatschten euphorisch mit und genossen Petruccis geniale Soli. Die Zugabe begann mit "Pull me under", was natürlich auf keinen Fall fehlen durfte und auch ich war da wieder mit dabei- musste mich doch am Schlussapplaus beteiligen.

Wenn man bedenkt, dass das Konzert als "Abend mit Dream Theater" angekündigt gewesen war, hätten sie ruhig etwas länger spielen können. Drei Viertel der neuen Platte hatten sie zum Besten gegeben, mir persönlich hat "Sacrificed sons" gefehlt. Aber es bleiben mehr als zwei Stunden genialer Sound und etwas zu viel Enge in meiner Erinnerung und in der vieler anderer Konzertbesucher. In diesem Sinne: Kommt bald wieder, Jungs!

Set List:
"In the name of god outro (intro tape)" - "The root of all evil" - "Panic attack" - "Another won" - "Afterlife" - "Under a glass moon" - "Caught in a web" - "Fatal tragedy (Ass & Balls version)" - "About to crash (Reprise)" - "Losing fime/Grand finale (final chord containing excerpts of "Whole lotta love", "Run to the hills" & "Hot for teacher")" ---Pause--- "As I am" - "These walls" - "I walk beside you" - "Never enough" - "Octavarium" "Pull me under/Metropolis pt 1 (up through the black-out)" "Metropolis pt 1 (continued)"