Livereview: Apocalyptica - Livingston
18. Oktober 2010, Zürich - Schützenhaus Albisgüetli
By Liane P.
Welch spezielle Lokalisation das doch ist! 1839 erbaut treffen sich hier Senioren zum Tanz-Tee, selbstverständlich verbindet man das Schützenhaus auch mit dem traditionellen Knabenschiessen und dem Polit-Anlass der SVP. Am heutigen Abend gab es jedoch mal zur Abwechslung was auf die Löffel - ein richtiges Kontrastprogramm! Die finnischen Höllen-Cellisten Apocalyptica kamen, sahen und siegten. Im Schlepptau selbstverständlich das neue Album „ 7th Symphony“ für das sie mächtig die Werbetrommel schlugen und nicht oft genug erwähnen konnten, dass es doch zum Pflichtprogramm für jeden im Saal gehöre, den Silberling zu besitzen. Als Untermalung des Abends gab es mit Livingston aus London einen unterhaltsamen Support. Der Saal war voll, die Meute in guter Stimmung, es konnte also los gehen! „Perkele!!!“

Livingston - eine Rock-Band aus London - stimmte den Abend ein. Tatsächlich aber liegt der Ursprung in Süd Afrika, Pretoria. Dort haben sich Gitarrist Chris van Niekerk und Frontman Beukes Willemse getroffen und sind dann nach Grossbritannien ausgewandert, um sich dort den Traum einer Musikkarriere zu erfüllen. 2002 wurde Livingston geboren. Vom ganz grossen Kuchen jedoch etwas abzubekommen ist bekanntlich nicht ganz einfach. Das haben auch Livingston verstanden und flehen regelrecht das Publikum an, die aktuelle Scheibe „Sign Language“ zu kaufen, welche am Merchendising Stand erhältlich gewesen ist und 2009 über Universal veröffentlicht wurde. Sie warben auch mehrmals damit, noch nach der Show für Fan-Gespräche zur Verfügung zu stehen. Dabei haben sie schon einige Erfolge vorzuweisen. Ihr Song „Go“ war Olympiasong des Zweiten Deutschen Fernsehens, auch konnten sie in diversen Serien in Deutschland als Band mitspielen und diverse namhafte Künstler als Support auf Tour begleiten. Ich empfand den Auftritt an dem Abend wie die kleinen Nüsse die man separat zum Aperitif in Hotelbars bekommt. Ganz nett, man isst es nebenbei, amüsiert sich gut, kann aber kaum abwarten bis endlich der Hauptgang serviert wird. So sympathisch die Jungs auch rüber kamen, die Performance war für mich leider nur durchschnittlich. Eingängiger Mainstream Rock der so vor sich hin plätschert. Die Jungs hatten sich mächtig ins Zeug gelegt und die unterschiedlichen Einflüsse der internationalen Musiker – die anderen Jungs kommen aus Italien, Deutschland und Engalnd – sind nicht schwer erkennbar. Wer eine leichte Rock-Kost gerne hat, dem wird Livingston grosse Freude bereiten.

Apocalyptica
Ohne lange auf sich warten zu lassen kamen danach Apocalyptica auf die Bühne. Richtig aufgebrezelt sahen sie aus, frisch frisiert und geschminkt, richtig rausgeputzt. Optisch mal ein wirklicher Leckerbissen, da schluckt man schon mal recht schwer als Frau im Fotograben. Auch wenn man sich das Booklet und das Cover des neuen Album anschaut, riecht es schwer nach „Hallo, wir haben ein neues Outfit und waren bei der Stilberatung“ - was ich nicht schlecht finde. Das Auge isst ja schliesslich mit. Das Bühnenlicht war recht abwechslungsreich und stellte eine grössere Herausforderung an meine Kamera und mich. Zum Opener „On the Rooftop With Quasimodo“ war zunächst alles in Blau gehalten, wobei man die Musiker vom Bühnenhintergrund aus anstrahlte, was die Finnen und ihre Celli als Schattenriss erschienen lies. Ein perfekter Einstieg! Es dauerte nicht lange bis dann auch schon das erste Metallica cover vorgetragen wurde: „Master Of Puppets“ - die Menge rastete völlig aus! Ich finde es wurde Zeit, dass sich Apocalyptica offen die Frage gestellt haben „Wäre ein Sänger nicht doch mal ein neuer Reiz den wir ausprobieren sollten?“ Mit Tipe Johnson, ursprünglich Mitglied der lustigen Truppe Leningrad Cowboys, hat man für die laufende Tour eine gesangliche Unterstützung gefunden. Mal im silbernen Anzug mit Brille und mal im traditionellen schwarzen Outfit trug er Songs wie zum Beispiel das im Original von Gavin Rosedale (Bush) gesungene „End Of Me“ vor und ich muss sagen, meine Meinung hat sich nicht geändert.

Der Limited Edition von „7th Symphony“ liegt eine DVD bei, welche einen Live-Mitschnitt der Performance an der Sibelius Akademie in Helsinki zeigt, wo Tipe bereits mitgesungen hat und für mich war die Stimme sofort ein „Fremdkörper“. Ich kann dem Gesang leider gar nichts abgewinnen und auch live passte er für mich überhaupt nicht ins Bild. Es war eher enttäuschend, da er in keinster Weise Gavin Rosedale noch Brent Smith (Shinedown) das Wasser reichen konnte. Zum Glück blieb mir mein Favorit vom neuen Album „Not Strong Enough“ live erspart. Dafür hat mich die Speed in der vor allem Eikka Toppinen, Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso ihr Celli spielen schwer beeindruckt. Bestückt mit Räucherstäbchen (soweit ich das beurteilen kann, vielleicht hat es ja doch gebrannt das gute Stück) oder auch mal mit einer Art von „Leselampe“ befestigt, fegten die Jungs über die Bühne als gebe es kein Morgen. Die kennen nichts, da wird auch mal das Cello über Kopf gequält. Ich verneige mich hiermit vor dieser Kunst! Glaubt man den hochgeladenen Setlists im Internet, sind die Herren jedoch nicht gerade sehr flexibel was das spontane Austauschen der Lieder betrifft. Die Reihenfolge und Auswahl blieb soweit immer gleich, was einem nicht gerade dazu motiviert, das Konzert noch einmal auf der gleichen Tour zu besuchen. Zum Ende der Show hin wankte Perttu nicht schlecht durch die Gegend und rief immer wieder mal „Perkele!“ vor sich her, was so viel bedeutet wie „verdammt“ auf Finnisch - wenn man es freundlich übersetzt. Hatte wohl ein Schlückchen über den Durst getrunken. Fragt sich dann mit was die Wasserflaschen am Bühnenrand wohl wirklich gefühlt waren?! Grundsätzlich war der Abend sehr gelungen und das Konzert inklusive dem lebendigen Publikum eine Bereicherung. Apocalyptica sind definitiv live beeindruckender als auf „Platte“!

Setlist Apocalyptica: On The Rooftop With Quasimodo, 2010, Grace, Master of Puppets (Metallica cover), End Of Me, Refuse/Resist (Sepultura cover), Beautiful, Sacra, Bittersweet, Broken Pieces, Last Hope, Bring Them To Light, Seek And Destroy (Metallica Cover), Inquisition Symphony (Sepultura Cover) Zugabe: At The Gates Of Manala, I Don`t Care, Hall of The Mountain King