Livereview: Annihilator - Archer - Harlott

13. Oktober 2015, Pratteln – Z7
By Rockslave
Wer sich die ganze Bandhistory von Annihilator zu Gemüte führt, wird feststellen, dass sich hier schon eine ganze Menge Musiker und Sänger die Klinke in die Hand gegeben haben. Der einzige Ruhepol von Anfang an war Mainman Jeff Waters und aktuell, sprich auf dem neuen Album «Suicide Society», ist er nun, achtzehn Jahre nach «Remains», wieder hauptamtlich am Gesang zu hören. Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, aber es ist natürlich schade, dass sich Dave Padden nach elf Jahren Bandzugehörigkeit Ende Dezember 2014 ultimativ dazu entschlossen hatte, das Kapitel Annihilator definitiv ad acta zu legen. Ich fand den Wechsel von Joe Comeau zu Dave damals sinnvoll wie nötig, denn dessen Stimme passte nicht wirklich zur Thrash-Ikone aus Vancouver (Kanada). Allerdings brauchte Mr. Padden eine Weile, bis er sich seinen Stammplatz erarbeitet hatte und diesen festigen konnte. Zudem spielte er die zweite Gitarre, was Jeff Waters entlastete und den Live-Sound gleichzeitig fetter klingen liess. Als Support fungierten heute Abend Archer und Harlott, die sich zwar beide redlich engagierten, aber noch ziemlich weit von der Qualität des Headliners entfernt sind.


Harlott

Auch wenn man das kaum für möglich hält, aber bei metal-archives.com werden für Australien über 2000 Bands (!) gelistet und dabei wird die ganze Genre-Palette, wie in vielen anderen Ländern auch, entsprechend abgedeckt. Der Volksmund ist aber durch AC/DC, Airbourne und Rose Tattoo so zu sagen voreingenommen, wenn es darum geht, den typischen Sound von australischen Bands zu charakterisieren. Genau das dachten sich vielleicht Harlott aus Melbourne auch und entschieden sich deshalb für Thrash Metal. Ob dem wirklich so ist, bleibt im Moment aber so im Raum stehen und tut eh nichts zu Sache. 2006 gegründet, machte sich der Vierer aus Down Under auf, die Welt zu entdecken. Nach zwei EPs und dem ersten Longplayer «Origin» von 2013 nahm jedoch noch kaum jemand wirklich Notiz von der Truppe. Das änderte sich mit dem Zweitling «Proliferation», der grundsätzlich recht gute Kritiken einheimsen konnte. Im Rock Hard erreichte man einen Platz im Mittelfeld und schrammte dabei im Durchschnitt ganz knapp an der „Gut-Bewertung“ vorbei. Darunter steht folglich „teilweise hörbar“ und genau das vermittelte mir der Auftritt von Harlott als erste Band des Abends. Trotz der agilen Performance von Andy Hudson (v/g), Ryan Butler (g), Tom Richards (b/v) und Tim Joyce (d) wollte der Funke bei mir nicht überspringen. Die oftmals deutlichen Anleihen bei Slayer, Exodus oder Kreator fand ich weniger prickelnd und trotz dem einen oder anderen gelungenen Riff wie Break schlich sich meinerseits bald die Langeweile ein. Die Reaktionen der zu diesem Zeitpunkt anwesenden paar Dutzend Leute war dann auch entsprechend verhalten. Nichtsdestotrotz nutzten die Australier ihre halbe Stunde Präsenz auf der Bühne agil und schweisstreibend aus. Gemessen an den technischen Fähigkeiten liess sich kaum ein Haar in der Suppe finden, aber das Niveau des Songwritings sehe ich an gleicher Stelle wie die Major-Journaille: teilweise hörbar.

Archer
Hach! Wie war das früher doch angenehm, als der Headliner im Normalfall bloss eine Support-Band im Schlepptau hatte, die meistens 45 Minuten aufspielen konnte und das Feld dann wieder räumte. Selten war diese Konstellation bei normalen Konzerten anders. Seit ein paar Jahren sind jedoch deutlich mehr Bands unterwegs. Was für die Fans natürlich durchaus wertig sein kann, verursacht in den Reihen der Schreiberlinge jedoch spürbare Mehrarbeit, die einfach mehr Zeit beansprucht. Dafür konnten Archer aus Santa Cruz (Kalifornien) freilich nichts und da auch sie, wie sich bald heraus stellen sollte, nur eine halbe Stunde Auftrittszeit zugestanden bekamen, legte sich das Trio, bestehend aus Mainman Dylan „Rose“ Rosenberg (g/v), Dave De Silva (b/v) und Keyhan Moini (d) entsprechend flott ins Zeug. Im vergangenen Sommer brachten die Amis mit «Culling The Weak» ihr zweites Langeisen an den Start, das mit den einen oder anderen Review-Voschusslorbeeren versehen wurde. Geboten wird zuweilen ordentlich harter Rock, der immer wieder mal in metallischen Gefilden wildert und von der Art her etwas an Black Label Society erinnert. Dass Zakk Wylde, nebst noch ein paar bekannten Namen, mitunter zu den Einflüssen von Dylan zählt, ist vor allem dem Gitarrenspiel und dem Posing zu entnehmen. Was Letzteres angeht, so stand ihm Dave in Nichts nach und gab ebenso voll Gummi. Obwohl man sich der freigetretenen Energie nicht entziehen konnte, blieb das Ganze schon bald hinter meinen Erwartungen zurück. Vieles wirkte irgendwie zu angestrengt und trotz der technischen Fähigkeiten sprang der Funke abermals weder auf das Publikum noch auf mich über. Als sich dann gar noch ein paar progressive Elemente einschlichen, rückte die Eingängigkeit noch in weitere Ferne. Insgesamt schlugen sich Archer zwar besser als Harlott, aber eine Offenbarung war dieser Auftritt definitiv nicht und krankte am Schluss daran, dass ausser ein paar deftigen Soli nichts hängen blieb. Etwas, das im Übrigen vielen aktuellen Bands angekreidet werden kann. So gesehen ist es jeweils stets wie eine Erlösung, wenn die nächste halbe Stunde um ist. Dennoch gab es einen fairen Schlussapplaus für Archer, die im kommenden Dezember, dann zusammen mit Doro, nochmals im Z7 zu sehen sein werden.

Annihilator
Nun dürstete es mich aber definitiv nach dem Headliner! Den letzten Auftritt mit Dave Padden auf Schweizer Boden sah ich nach Konsultation unseres Archives demnach vor zwei Jahren in Winterthur, und da war dieser gesundheitlich leider arg angeschlagen. Dies ging dann sogar soweit, dass sich der Bedauernswerte noch während dem Auftritt hinter der Bühne kurz aber heftig auskotzen musste. Doch das ist Schnee von gestern und die Band Ausgabe 2015 präsentierte sich wieder einmal, respektive so oder so, in einem anderen Line-Up. Nebst dem Abgang von Dave wurde schon letztes Jahr auch die Abteilung der tiefen Töne neu besetzt. Auf Alberto Campuzano, der zuletzt für immerhin vier Jahre Live-Bassist war, folgte zuerst kurz Oscar Rangel und aktuell stand mit Rich Hinks (Aeon Zen) schon der nächste Musiker in Diensten von Chef Jeff Waters. Das aktuelle feste Line-Up, das womöglich die nächste Scheibe eintüten könnte, besteht aber aus Rückkehrer Cam Dixon (b) und Neuzugang Aaron Homma (g) sowie Drummer Mike Harshaw. Doch lassen wir der Geschichte ihren Lauf, die in diesem Zusammenhang eh nur eine feste Grösse kennt: Jeff Waters! Er ist der unermüdliche Motor von Annihilator, und ich war nun sehr gespannt darauf, in welcher Verfassung sich die Gruppe heuer präsentiert! Das neue Album zur Tour («Suicide Society») kam im Frühherbst heraus und kann just zwei Dekaden nach «King Of The Kill» schon fast wieder als Alleingang von Master Waters bezeichnet werden.

Dank extra dafür absolviertem Gesangsunterricht kommt das Ganze in der Tat einen spürbaren Zacken gereifter daher und auch wenn die Songwriter-Qualitäten der früheren Jahre nicht mehr erreicht werden, so wird der Name Annihilator immer noch locker hochgehalten, und auf der Bühne gehts sowieso immer wie Schmidt’s Katze ab. Leider wollten sich das nicht allzu viele Fans rein ziehen, aber die, die gekommen waren, wurden Zeuge einer hammergeilen Show! Die steht und fällt natürlich nicht nur mit der Performance der Band, sondern bei dem üppigen Backkatalog auch mit der entsprechenden Auswahl der Songs. Was mich angeht, so können es nie genug der alten Schoten sein, und ich sollte heute Abend diesbezüglich nicht enttäuscht werden! Nach dem ausgespielten Scorpions-Classic «Rock You Like A Hurricane» als Intro gings dann gleich pfundig mit dem Oldie «King Of The Kill» los, nota bene einem Song, den Jeff damals schon selber eingesungen hatte. Dass die neuen Songs wie die nachfolgende Triplette mit «Snap», «Suicide Society» und «Creepin' Again» ganz ordentlich, aber nicht weltmeisterlich ausfielen, stand bei mir heute Abend nicht im Fokus. Ich wollte das Altbewährte hören und das kam dann auch, allen voran «W.T.Y.D. », «Refresh The Demon» und natürlich das unzerstörbare «Phantasmagoria». Eigentlich war mir echt nach headbangen, aber mein Nacken macht da leider nicht mehr mit und somit blieb es halt bei rhythmischem Kopfwippen. Die Zugabe aller Zugaben bei einem Konzert von Annihilator fehlte zum Schluss hin natürlich ebenso nicht, und verbunden mit dem nach wie vor unprätentiösen und sympathischen Bandleader Jeff Waters war es auch diesmal ein über 100-minütiger Ohrenschmaus der Extraklasse!

Setliste: «Rock You Like A Hurricane (Intro/Scorpions Cover)» - «King Of The Kill» - «Snap» - «Suicide Society» - «Creepin' Again» - «No Way Out» - «Set The World On Fire» - «W.T.Y.D. » - «Never, Neverland» - «Tricks And Traps» - «Bliss» - «Second To None» - «Maximum Satan (Intro) » - «Refresh The Demon» - «Ultraparanoia» - «Chicken And Corn» - «Kraf Dinner / 21 / Reduced To Ash» - «Brain Dance» - «Phantasmagoria» -- «Alison Hell» - «Human Insecticide».