Livereview: Alice In Chains
03. Dezember.2009, Fri-Son / Fribourg
By: El Muerte Pics: Stemutz, Fri-son
Reunion-Tours, die mindestens vierundzwanzigste. Schon unglaublich, welche totgeglaubten Acts sich in diesem Jahrtausend wieder auf ihre grossen Tage besinnt, und Musikfans rund um den Globus gleichermassen beglückt wie auch verscheucht haben. Mit Alice In Chains hätten dabei wohl die wenigsten gerechnet, immerhin zählt der Tod eines essentiellen Bandmitglieds generell als definitiver Nagel im Sarg der Karriere der Gruppe – Umso grösser dann das Fragezeichen, als Alice In Chains nach einem Benefiz-Konzert 2004 wieder Blut gerochen hatten, und erste neue Schritte ankündigten.

Mittlerweile hat sich die Musikwelt mehr als nur damit abgefunden, dass die Band auch mit neuem Fronter prima funktionieren kann - Die Haupt-Problematik der aktuellen Situation lässt sich auch klar woanders orten, doch dazu später mehr. Wie schon unser Toby bei der Review zu 'Black Gives Way To Blue' konstatierte, ist die Band mehr denn je in Hochform - Deswegen sollte es auch nicht verwundern, dass die Show im Fri-Son ausverkauft war. Die Tatsache, dass Alice In Chains ohne Vorband unterwegs waren, und auch lokal kein weiterer Act mit auf die Bühne gepappt wurde, schien dabei die wenigsten zu stören. Und auch wenn ich persönlich gerne eine Schweizer Combo an dieser prominenten Stelle gesehen hätte, so liess sich das Fehlen einer eben solchen Band durchaus verkraften. Immerhin würden Alice das kompensieren, und sicher etwas länger auf der Bühne stehen…

Als die Band nach einem abrubt abgebrochenen Intro und einigen Sekunden Stille gegen 22h30 auf die Bühne stieg, platzte das Fri-Son beinahe aus allen Nähten. Von der Bühne bis zur Bar am anderen Ende des Saales, die 1700 Nasen hatten eng zusammengepfercht alle Augen auf die vier Musiker gerichtet. Jetzt könnte man meinen, ein derart beinahe vor Vorfreude platzendes Publikum würde vom ersten Ton an die Sau rauslassen, aber ich wurde eines besseren belehrt: Zwar gingen einige Hände nach oben, und die Band wurde anständig beklatscht, aber ansonsten wurde «Rain When I Die» mit nicht viel mehr Enthusiasmus begrüsst – Auch die folgenden Songs «Them Bones» und «Dam That River» rüttelten nicht viel am Mitmachfaktor der Konzertbesucher. Die Band selber gab sich allerdings ehrlich gesagt auch nicht gerade redlich Mühe, daran was zu ändern: Drummer Sean Kinney regte kaum einen Gesichtsmuskel, Basser Mike Inez versteckte das Gesicht hinter den mitwippenden Locken, und Legende Jerry Cantrell zupfte beinahe regungslos die Saiten, und lieferte abwechselnd saubere aber kalte Backing- und Leadvocals ab. Auch die folgenden aktuellen Hits «Your Decision» und «Check My Brain» konnten daran nicht viel ändern - Das Publikum schien sich zwar über die Songs zu freuen, doch während der tatsächlichen Performance war dann auch gleich wieder Zurückhaltung angesagt.

Der Mittelteil des Sets wurde mit den Smashern «Down In A Hole», «No Excuses» und «Black Gives Way To Blue» akustisch bestritten, um danach noch einmal die Stromgitarren aufzudrehen, und schlussendlich mit «Angry Chair» und «Man In The Box» von der Bühne zu gehen. Als obligate Zugaben folgten kurz darauf noch «Would?» und «Rooster», und dann waren Alice In Chains schon wieder verschwunden. Und genauso distanziert wie die letzten paar Beobachtungen dieser Review, fühlte sich für mich auch die Show an - ich verbrachte die letzten beiden Drittel an der Bar, und mich sprach schlussendlich das Bier durchaus mehr an, also das auf der Bühne Dargebotene. Die Ursachenanalyse diese plötzlichen Interessenschwunds an den Rock-Koryphäen fördert dabei erstaunliches zu Tage: War es halt einfach der Geist des Grunge, der mir nicht zusagte, wie mir etliche Konzert-Besucher nach dem Gig versicherten? Vielleicht, gut möglich. Das, gepaart mit einer durchschnittlich motivierten Band, einer für eine Headliner-Show ohne Vorband zu knapp bemessenen Spielzeit von 80 Minuten, einem komplett überpolierten Soundgewand, einer zu durchstudierten Show und einem lahmen, weil mit einer 'Die-Band-War-Mal-Supi-Toll-Als-Ich-Noch-Jung-Und-Wild-War'-Attitüde aufgekreuzten Publikum.

Mal ehrlich Leute, richtige Beigeisterung ist auch schon mal emotionaler zum Ausdruck gebracht worden. Wenn eine Person all diesen Witterungen trotzte, dann war das klar der neue Fronter/Gitarrist William DuVall: Nicht nur, dass seine musikalische Leistung den anderen Bandmitgliedern locker das Wasser reichen konnte, und auch seinem Vorgänger Layne Staley in nichts nachstand – Er hatte ganz offensichtlich einfach Spass am Rock. Was man vom Publikum, und den restlichen drei Vierteln der Band jetzt nicht unbedingt all zu definitiv sagen könnte.

Setlist: Rain When I Die, Them Bones, Dam That River, Again, Your Decision, Check My Brain, LoveHateLove, It Ain't Like That, A Looking In View, Down In A Hole (Akustisch), No Excuses (Akustisch), Black Gives Way To Blue (Akustisch), Last Of My Kind, We Die Young, Acid Bubble, Angry Chair, Man In The Box, Would?, Rooster