Livereview: Alice Cooper - The Treatment
16. Oktober 2011, Winterthur - Eulachhalle
By Rockslave (rsl) & Kissi (kis) - All Pics by Rockslave

So müsste es eigentlich immer ablaufen! Zuerst ein gepflegtes Star-Interview führen und dann am Abend im Fotograben stehen. (Hobby-) Journalisten-Herz, was willst du mehr? Die zumindest etwas zu Beginn vorherrschende Nervosität zeigte mir zudem an, dass einen das Ganze auch nach Jahren noch packen kann und man gleichzeitig weiss, dass nun eigentlich alles und jeder in Reichweite liegen würde. Dass das Konzert des Schock-Rock Meisters von Basel nach Winterthur verschoben wurde, war dabei nicht mal schlecht wie gleichzeitig nötig, denn der Publikumsaufmarsch lag nur bei etwa rund geschätzten 3'500 Zuschauern, die sich in der St. Jakobshalle ziemlich verloren hätten. Auf der anderen Seite überraschte die Wahl der Eulachhalle trotzdem ein wenig, da mal bekannt wurde, dass die Anwohner dort keinen Bock mehr auf die bekannten, begleitenden Emissionen von Konzerten haben. Wie dem auch sei, Alice Cooper war angesagt, kam und spielte routiniert auf. Als Support waren die quirligen und jugendlichen Jungspunde von The Treatment dabei, die mächtig Spass hatten. (rsl)

The Treatment
Die jungen Briten mit Durchschnittsalter 18 (!) stürmten bereits um 19.15 Uhr die Bühne und legten gleich wie die Feuerwehr los! Im Februar erschien ihr Debüt «This Might Hurt», das mit groovigem Hardrock, angereichert mit teils leicht metallischen Zitaten aufwarten konnte. Sänger Matt Jones klingt entfernt wie Steven Tyler und auch als musikalische Richtschnur sind durchaus Aerosmith, die alten AC/DC, die alten Bon Jovi, The Cult sowie The Almighty und ein wenig Airbourne je nachdem auszumachen. Dazu noch etwas Attitüde von Ex-Skid Row Fronter Sebastian Bach. Die Saitenfront um Ben Brookland (g), Tag Grey (g) und Bassist Swoggle war von Anfang immer in unermüdlicher Bewegung und war geradezu beseelt von jugendlich überschäu-mender Energie! In gleicher Manier agierte auch Schlagzeuger Dhani Mansworth, der seinen Kollegen einen fetten und straighten Beat servierte. Trotzdem kam die Chose noch reichlich holprig rüber und es schlichen sich einige, wenn auch kleine Spielfehler ein. Zudem fehlte mir der nötige Druck von der Bühne runter, der dem überraschend guten Eindruck der überzeugenden CD-Produktion nicht gerecht werden konnte. Nichtsdestotrotz gaben die Jungs alles was sie hatten und konnten vor allem bei den zahlreich anwesenden jüngeren Fans punkten. Bei lediglich 30 Minuten Spielzeit war es allerdings nicht möglich, den ganzen Range der Band präsentieren zu können, obwohl mit «Nothing To Lose (But Our Minds)» ein Song ausgewählt wurde, der auch gut und gern von Kiss hätte stammen können. The Treatment sind noch blutjung als Band und wer weiss, vielleicht wird ja nochmal was aus den Jungs aus Cambridge (UK). Der Zulauf an vornehmlich jungen Girls am Merchstand hat zumindest gezeigt, dass man bei den Mädels voll angesagt ist. Wenn sich das offensichtliche Talent dereinst qualitativ ins Songwriting einnisten wird und die technischen Fähigkeiten ebenfalls stetig zunehmen, darf man sich diesen Bandnamen für die Zukunft getrost merken. (rsl)

Setliste: «Drink, Fuck, Fight» - «Shake The Mountain» - «The Coldest Place On Earth» - «The Doctor» - «Road Rocket» - «Departed» - «Nothing To Lose (But Our Minds)» - «Way of The World».


Alice Cooper
Vorhang auf und Bühne frei für den Meister. Dass Alice Cooper weiss, wie er sich zu inszenieren hat, wie grosses Rock-Kino gemacht wird, das ist bekannt. Doch eine gute Show bleibt eine gute Show und so scherte es wenig, dass Cooper wie schon vor ein paar Monaten am Sonisphere sein Horror-Rock-Kabinett auf einem hohen Podest thronend mit «The Black Widow» eröffnete. Nicht zuletzt, da er mit «Brutal Planet» danach gleich einen eher selten gespielten Knüller der jüngeren Vergangenheit nachschob. Mit schwarzen Tüchern, Spinnweben und mit Leichenpuppen war die Bühne dabei stilecht verhangen, über welche Cooper Zepter schwingend stolzierte, seine Mannschaft unermüdlich dirigierend. Die hatte es denn auch bitternötig, denn während man dem Zirkusdirektor selbst und unverwüstlichen Songs wie «I'm Eighteen», «Under My Wheels» oder «Billion Dollar Babies» (inklusive den obligatorischen, auf einen Säbel aufgespiessten Dollar-Scheinen) ihr Alter nicht anmerkte, schien die Instrumentenfraktion nicht so sicher im Sattel zu sitzen. Zwar konnte und kann an der Rhythmus-Truppe, bestehend aus Glen Sobel am Schlagwerk und Basser Chuck Garric, nicht rumgemeckert werden, umso mehr aber liess die dreiteilige Gitarrensektion zu wünschen übrig. Insbesondere der mit weiblichen Reizen nicht geizende Neuzugang, Orianthi Panagaris, erweckte den Eindruck, dass hier mehr die Kurven denn die Technik bei ihrer Einstellung im Vordergrund gestanden hatten. Alltime-Krachern wie «No More Mr. Nice Guy» oder «Hey Stoopid» konnte das, den Rockgöttern sei Dank, nicht wirklich etwas anhaben und so weilte das Publikum, wenn auch nicht im siebten Rockhimmel, so doch in ausgelassener Mitmach- und Mitsingstimmung. Ob uralt wie das relaxte «Is It My Body» und das psychedelische «Halo Of Flies» oder erst eben veröffentlicht wie «I'll Bite Your Face Off», der einzige gespielte Song vom aktuellen Rundling «Welcome 2 My Nightmare», Alice konnte sich der positiven Reaktionen seiner Fans sicher sein und dass, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt des Konzerts vergleichsweise wenig Showeffekte ihre Verwendung fanden. Dies änderte sich nach «Muscle Of Love», als Cooper zu «Only Women Bleed» die altbekannte Damenpuppe sanft liebkoste, nur um dieselbe während «Cold Ethyl» genüsslich über die Bühne zu prügeln.


Zusammen mit Iron Maiden absolvierte Alice Cooper seine Sonisphere-Auftritte letzten und vorletzten Sommer. Warum dies hier steht? Weil sich Cooper scheinbar von den Eisernen Jungfrauen in Sachen Special Effects hat inspirieren lassen, stolperte zu «Feed My Frankenstein» doch ein dreieinhalb Meter grosses Frankenstein Monster über die Bühne. Eine gelungene Überraschung fürs Auge, auf welche gleich eine für die Ohren folgte: Wie lange es her ist, seit es «Clones (We're All)» vom 1980er-Album «Flush The Fashion» das letzte Mal auf die Setliste geschafft hat? Ich weiss es echt nicht mehr. Zu lange her ist es auf jeden Fall, denn der an das Musical «Rocky Horror Show» erinnernde Song schlug beim Publikum ein wie eine Bombe. Ausser natürlich bei jenen, welche nur die Hits kennen. Diese durften dafür zu «Poison» ihre Stimmbänder überstrapa-zieren, was wieder einmal eines klarmachte: Alice Cooper braucht keine Reitgerte, auch wenn dies «Wicked Young Man» suggerierte, bei welchem ein armer Roadie den durchgeknallten Fan spielen musste, der die Bühne stürmt, um vom Meister persönlich einen Arschtritt zu kassieren. Gerade noch der Vollstrecker, hiess es danach selbst Schmerzen leiden. Zu «Killers» wurde dann die Guillotine hervor gerollt Kopf ab! und schon gab's mit «I Love The Dead» die Auferstehung. Etwas gedrängt zwar, die ganze Vorstellung, doch eine Cooper-Show ohne sein Ableben wäre einfach keine Cooper-Show. Dasselbe gilt für «School's Out», welches noch mit einem kleinen «Another Brick In The Wall»-Zwischenteil angereichert wurde, bevor eine kurze Pause in der Darbietung dem Publikum Platz fürs Um-Zugabe-Rufen gab. Licht aus, Licht an und schon wedelte Alice mit Schweizerflagge in der Gegend herum und stellte sich, passend zum Datum, zur Wahl auf. Wie so oft besiegelte «Elected» unter Konfetti-Schnipsel-Regen eine vor Kraft und Spass strotzende Show mit Unterhaltungsfaktor, die das Prädikat "aussergewöhnlich" zwar keinesfalls verdient hat, jedoch umso mehr bewies, dass Alice Cooper mit seinen 63 Jahren immer noch über reichlich Saft in Knochen verfügt und nach wie vor genug Stimme besitzt. Seinen zwei Gitarristen und dem blondierten Mädel könnte er davon ruhig etwas abgeben, doch wer will schon über Statisten meckern, wenn Songs, die Show und der Star dafür überzeugt haben?! (kis)


Setliste: «The Black Widow» - «Brutal Planet» - «I'm Eighteen» - «Under My Wheels» - «Billion Dollar Babies» - «No More Mr. Nice Guy» - «Hey Stoopid» - «Is It My Body» - «Halo Of Flies» - «I'll Bite Your Face Off» - «Muscle Of Love» - «Only Women Bleed» - «Cold Ethyl» - «Feed My Frankenstein» - «Clones (We're All)» - «Poison» - «Wicked Young Man» - «Killer» - «I Love The Dead» - «School's Out» (inkl. «Another Brick in the Wall»-Part) -- «Elected».