Livereview: Accept - Steelwing
25. Januar 2011, Pratteln - Z7
By Rockslave
Ehrlich gesagt hätte ich es nie für möglich gehalten, dass ich an dieser Stelle im Jahre 2011 noch was Aufsehenerregendes über Accept schreiben kann. Die Geschichte der Solinger Stahlschmiede ist nun mal untrennbar mit Udo Dirkschneider verbunden. Während dieser in den letzten Jahren recht erfolgreich an seiner Solo-Karriere gearbeitet hat, traten seine ehemaligen Mitstreiter, vorab das kreative Duo Peter Baltes (b) und Wolf Hoffmann (g) praktisch nicht mehr gross in Erscheinung. Gitarrist Herman Frank war dabei noch am aktivsten und tauchte mit eigenem Material auf und wirkte 2010 zuletzt bei Poison Sun auf dessen Album «Virtual Sin» mit. Derweil hatte Schlagzeuger Stefan Schwarzmann als Mann der zweiten Stunde eigentlich immer mal was am Laufen, unter anderem auch bei Krokus vor der Reunion des alten Lineups. Mit dem ehemaligen TT Quick Sänger Mark Tornillo wurde nun ein neues Kapitel von Accept aufgetan, dessen Wirkung kaum einer auf dem Plan hatte. Die heutige Show in Pratteln mit den Youngstern Steelwing im Vorprogramm schrieb gar Musikgeschichte!

Steelwing

Dass junge Bands den Spirit der guten alten Zeit des Heavy Metals zunehmend wieder aufgreifen, ist nicht erst seit Kurzem spürbar. Marshall Law, Wolf, RAM oder Metal Inquisitor (um einfach ein paar zu nennen, wobei Marshall Law ja schon wieder weg vom Fenster sind!) haben Duftmarken gesetzt und Sabaton (natürlich aus Schweden, woher denn sonst?!) haben sich inzwischen zu einer sehr zugkräftigen Truppe entwickelt. In der jüngeren Vergan-genheit tauchte zum Beispiel neben Enforcer (aus..., Ihr wisst schon...) eine weitere junge Combo (logo, ebenfalls aus Schweden!) auf: Steelwing! Mit dem Debüt-Album «Lord Of The Wasteland» bekräftigte man letztes Jahr eindrücklich, dass Judas Priest und vor allem Iron Maiden immer noch Spuren hinterlassen. Allerdings ist es kein leichtes Unterfangen, das musikalische Erbe der Vorbilder mit eigenen Trademarks anzureichern. Das mussten an diesem Abend auch Steelwing in Pratteln erfahren, denn trotz viel Action und Einsatz auf der Bühne, bewegte sich davor kaum was. Da konnte Sänger Riley noch so hektisch rum zappeln und sich die Lunge aus dem Hals schreien. Der Grund dafür ist eigentlich immer beim mangelhaften Songwriting zu suchen. Wenn einem die Songs bald einmal austauschbar vor-kommen und alles irgendwie gleich tönt, wurden die Hausaufgaben bei allen technischen Fertigkeiten eben nicht gemacht. Die könnten noch drei Stunden so spielen, aber unter dem Strich bleibt einfach zu wenig Substanz übrig. Meiner Meinung nach fischen die Schweden ziemlich offensichtlich bei den Eisenern Jungfrauen, ohne auch nur ansatzweise dessen Hit-Gespür mitzubringen. Da ist schlicht nichts, was hängen bleibt und darum konnte da auch ein muskel-bepackter und ordentlich tätowierter Oberkörper des Sängers bei «Roadkill (Or Be Killed)» nicht darüber hinweg täuschen, dass diese Reise hin zum Metal-Olymp auf längere Zeit gesehen ohne Zukunft sein wird. Wolf hatten da zum Beispiel deutlich mehr Potenzial, doch von denen hört man im Moment kaum mehr was. Während ich mich also zunehmend langweilte, gab es aber doch ein paar mattenschwingende Metalheads auszumachen, die immerhin das wirklich versierte Gitarrenspiel von Alex und Roby Rockbag mit dem verdienten Zuspruch würdigten. Der Schlussapplaus nach 30 Minuten war ebenso ok, doch mehr lag heute Abend nicht drin.

Accept
Vor ein paar Jahren, genauer 2005, liess sich Udo Dirkschneider ein letztes Mal erweichen und zockte mit seinen ehemaligen Kollegen ein paar Festival-Gigs runter. Doch dabei blieb es leider und alle Gerüchte um allenfalls neue, gemeinsame Songs oder gar eine Reunion zerstreuten sich dann in Windeseile. Der geneigte Accept-Fan hakte es damals wohl defitiniv ab, seine Lieblings-Band jemals wieder unter diesem Namen auf einer Bühne stehen und spielen zu sehen. Doch wie wir mittlerweile wissen, kam es anders heraus und zwar so, wie es die Gruppe mit ihrem neuen Sänger Mark Tornillo (Ex-TT Quick) wohl nicht in ihren kühnsten Träumen hätte erwarten wie erahnen können. Am Anfang stand erstmal die Ankündigung von wegen, dass es mit Accept definitiv weiter gehen würde und man eben einen neuen Sänger verpflichtet habe. Das war im Mai 2009 und kaum war das raus, spielten Accept im gleichen Monat noch als Support von AC/DC in Hannover vor sage und schreibe 80'000 Fans! Das ging dann dermassen gut ab, dass viele Kritiker und Zweifler ziemlich rasch verstummten und die Ernsthaftigkeit der ganzen Sache ein gutes Jahr später mit der brandneuen EP «The Abyss», gefolgt vom sackstarken Album «Blood Of The Nations» im August gekrönt wurde. Was seither abgeht, sprengt alles Dagewesene und die tourexklusive Ankündigung (!!) für das heutige Konzert in Pratteln, nämlich dass nur ein einziges Mal überhaupt und das ausgerechnet in der Schweiz das komplette «Restless And Wild»-Album von 1982 durchgespielt wird, vermochte über 1'000 Fans ins Z7 zu locken. Warum dann allerdings nirgends Kameras zu sehen waren, mutete angesichts der Tragweite dieses Anlasses schon etwas seltsam an, machte ihn deswegen aber noch wertvoller für alle diejenigen, die gekommen waren. Mit ersten Gigs in den Staaten drüben war die Gewissheit da, dass der neue Frontmann dem Druck von aussen im Sinne der Erwartungen an ihn Stand halten konnte und sich mittlerweile bestens eingelebt hat. Dass dies dem wirklich so ist, zeigte ab Punkt 21.30 Uhr nach dem Intro bereits der wuchtige Opener «Teutonic Terror» vom neuen Album an, gefolgt vom furiosen «Bucket Full Of Hate». Was für ein Brett, denn der Sound war zu Beginn schon hammerstark! Man musste kein Prophet sein, um bald erkennen können, dass es heute Abend ganz speziell geil werden würde. Die ganze Band präsentierte sich in Bestform und -laune, dazu ein Mark Tornillo, der seinen Vorgänger zwar nicht vergessen machte, aber einen Super-Job ablieferte. Und bald einmal war es es dann soweit, dass meinem zwar gut aufgewärmten Nacken die härteste Belastungsprobe seit Langem, wenn nicht überhaupt bevor stand.

"Heidi heido heida, Heidi heido heida..." stand natürlich am Anfang der Speedgranate «Fast As A Shark» und damit wurde tatsächlich der bereits im Vorfeld exklusiv angekündigte Startschuss für das Durchspielen des kompletten Kultalbums von 1982 gegeben. Was danach folgte, kann man eigentlich gar nicht richtig in Worte fassen, ohne dabei gewesen zu sein. Nebst dem Umstand, dass einem (endlich wieder einmal!) bewusst wurde, welche Oberhämmer sich auf diesem Heavy Metal Referenz-Werk befinden, wurden alte wie junge Fans gleichermassen auf eine fantastische Zeitreise geschickt. Durch meine heftige, jedoch stets rhythmussynchrone Bangerei mit entsprechendem Airguitar-Einsatz war ich persönlich schon nach der ersten LP-Seite nahe der Erleuchtung oder einem Herzinfarkt, je nachdem! Das Publikum ging dazu ebenfalls ab wie ein Zäpfchen und der Applaus wurde immer infernalischer. Die Durchsicht meiner sechs Live-Bootlegs (auf Vinyl natürlich!) erbrachte derweil die Erkenntnis, dass offenbar nur zwei der zehn Songs bislang kaum bis gar nie auf einer Accept Setliste standen. Interessanterweise wurden die restlichen acht Tracks auf der 87er Tour tatsächlich allesamt gespielt, was der Bootleg «Loosers And Winners - Live Germany 1987» beweist. Aussen vor blieben demnach bloss «Shake Your Head» und «Demons Night», wobei Letzterer nun fest im aktuellen Set steht. Das unterstreicht die Bedeutung dieses Frühwerkes, auch fast drei Dekaden (!) danach. Leute, es war die Göttergabe schlechthin, die heute Abend im Z7 präsentiert wurde. Peter Baltes, Wolf Hoffmann und Herman Frank posten wie die Wilden auf der Bühne rum, solierten und hatten eine Menge Spass. Der wie üblich total in Schweiss gebadete Stefan Schwarzmann hämmerte die Beats gnadenlos runter und Mark Tornillo hatte das Schweizer Publikum, angereichert mit zahlreichen Gästen aus dem Dreiländereck, längst im Sack. So wurden alle Mitsing-Parts kräftig mitgetragen und die Stimmung war schlicht fantastisch! Die Schlusstriplette der Zugaben wurde mit «Aiming High» und «Pandemic», Letzterer ein weiterer, aktueller Track von «Blood Of The Nations» eingeläutet. Das grandiose Finale gebührte schliesslich einer absoluten Killer-Version von «Balls To The Wall», wo nochmals alle Reserven seitens Musiker und Fans gleichermassen abgerufen wurden. Als das Licht nach gut zwei Stunden im Z7 wieder anging, waren sich alle einig, soeben einen historischen Moment der harten Musikgeschichte miterlebt zu haben. Und nun freue ich mich ja sowas auf das kommende «Bang Your Head!!!»-Festival in Balingen (D), wo Accept als einer der Headliner garantiert nur noch Staub und Asche hinterlassen werden!

Setliste: «Intro» - «Teutonic Terror» - «Bucket Full Of Hate» - «Starlight» - «Breaker» - «New World Coming» - «Losers & Winners» - «Metal Heart» - «Bulletproof» - «Intro (Heidiheido)» - «Fast As A Shark» - «Restless And Wild» - «Ahead Of The Pack» - «Shake Your Head» - «Neon Nights» - «Get Ready» - «Demons Night» - «Flash Rocking Man» - «Don't Go Stealing» - «Princess Of The Dawn» - «Burning» -- «Aiming High» - «Pandemic» - «Balls To The Wall».