Livereview: "30 Years Outsider-Shop Anniversary-Festival"
            Hellmute - Poltergeist - Zatokrev - Sin Starlett

03. September 2016, Aarburg – Musigburg
By Rockslave
Es gibt ja den Spruch “Unkraut vergeht nicht“, und genau das trifft im übertragenen Sinn auch auf den Outsider-Shop und dessen Gründer René „The Tyrant“ Freiburghaus zu. Was mittlerweile vor drei Dekaden seinen Anfang nahm und über Murgenthal nach Olten mit insgesamt drei Standorten kam, lässt sich aktuell in der Szene mit keinem Geld der Welt aufwiegen! Der geilste Schweizer Tonträgerladen für harte Mucke steht in der Tat in der Dreitannenstadt, und unsereins hat sich schon so lange daran gewöhnt, dass wieder mal bewusst werden sollte, was für ein Juwel bereits die zahlreiche hiesige Kundschaft quasi vor der Haustüre vorfindet! Dass dies aber heute noch so ist, geht alleine zurück auf das umsichtige wie so zu sagen unbequeme Geschäften des Chefs, der sich von den Majors und ihrem bloss von schnellem Gewinn infizierten Gebaren nie vereinnahmen liess. Das ist dann letztlich auch der Grund, warum dieser Shop alle anderen ehemaligen Tonträgerläden der Stadt bis heute überlebt hat. Dass hierbei das Vinyl-Revival angenehm in die Hände spielt, ist Belohnung und Bestätigung zugleich, nie von der eigenen Vision abgewichen zu sein. Hoch die Tassen!

Sin Starlett

Als Opener konnten die Innerschweizer Heavy Metaller Sin Starlett verpflichtet werden, die heuer mit ihrem dritten Album «Digital Overload» eindrucksvoll aufzeigten, wer aktuell in der Schweiz die perfekte Symbiose zwischen Iron Maiden und Judas Priest bildet und gekonnt auf der Bühne umsetzt. Ihre energetischen Live-Shows als Kollektiv überstrahlen längst die jeweils auffälligen Spandex-Beinkleider ihres Front-mannes Elias Felber. Im Vorfeld des full length albums brachte METALWORLD-Macher Alex „EXLNTLX“ Fontanini eine feine Vinyl-Single (Auflage: 111 Stk.) mit dem Titeltrack und dem Album-Opener «Electric Expander» unter die Leute. Das zeugt von Herzblut in eigener Sache und wer den knackigen Sound hört, den es natürlich auch auf Vinyl gibt, wird schnell erkennen, wie hoch das Niveau geworden ist. Ursprünglich hätte die Geburtstags-Sause für den „Outsider-Shop“, wie die letzte vor fünf Jahren schon, im Oltner Coq d’Or gefeiert werden sollen. Da es sich beim ausverkauften Anlass abzeichnete, dass das Interesse die Kapazität klar übersteigt, wurde der Wechsel nach Aarburg in der grössere Musigburg verfügt. Ein weiser Entscheid, denn so fanden sich gut 300 Fans ein, von denen ein guter Teil schon mal für gute Stimmung sorgte. Sin Starlett präsentierten derweil ihren neuen Bassisten Christoph Widmer, der auf Lukas „Cliff Lightyear“ Marti (Ex- Battalion) folgte. Da dieser am heutigen Abend sein allererstes öffentliches Konzert im Kreise der alten Truppe bestritt, fehlte etwas Zug nach vorne. Nichtsdestotrotz wurden die unüber-hörbaren Vibes der eisernen Jungfrau mit Schmackes und eigener Note kraftvoll umgesetzt. Erwähnte Jubilare gab es dann gleich zwei, denn neben dem 30-jährigen Jubiläum von Master Freiburghaus durfte „Single-Maker“ Fontanini Geburtstagswünsche entgegen nehmen. Nach einer guten Stunde Spielzeit räumten Sin Starlett die Bühne und überliessen das Feld für deutlich düsterere Klänge.

Setliste: «Intro» - «Electric Expander» - «Digital Overload» - «Tear Down The Halls» - «Force & Thunder» - «Blood In The Streets» - «Savage Nightshifts» - «Righteous Saviors» - «Beholders Of The Claw» - «Winds Of Fury».


Zatokrev
Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich Zatokrev das letzte Mal live gesehen habe. Ich wüsste, ohne nachzuschauen, nicht mal mehr wo. Somit hatte ich die Truppe um Mastermind Freddy Rotter (v/g) länger nicht mehr auf dem Radar und bekam deshalb nicht mit, was sich, vor allem tonträgermässig, in den vergangenen Jahren alles zugetragen hat. Das vierte und derzeit aktuelle Studioalbum «Silk Spiders Underwater…» erschien 2015 und konnte gute Genre-Kritiken einheimsen. Der düster gehal-tene Doom Metal ist nichts für Zartbesaitete und stellte zur Vorband einen kräftigen Stilwechsel dar. Im Geiste dessen, was auch Triptykon machen, werden von der Band aus Basel weitere Elemente wie Sludge oder Postcore eingeflochten. Somit Sounds, die, international beleuchtet, beispielsweise von Cult Of Luna zelebriert werden. Die ganze Chose kam dann entsprechend zäh wie Lava daher, aber Frontmann Freddy war von Anfang voll unter Strom und ging förmlich in seiner schweisstreibenden Performance auf. Wer nicht sonst schon Fan dieser Stilecke war, bekam zumindest mit, wie mächtig diese Mucke sein kann, die zwischendurch immer wieder durch schon fas andächtig wirkende Parts unterbrochen wurde, um dann brachialst wieder zum Hauptthema zurück zu kehren. Zu über-wiegend schwachem, aber halt dazu passendem Licht liessen Zatokrev die Wände der Musikburg erzittern. Für mich als Fotograph war dies natürlich gerade umgekehrt, sprich unerwünscht. Mit etwas Geduld liessen sich dann dennoch ein paar brauchbare Bilder schiessen, und direkt am Bühnenrand drehten sich einige Haarmatten nach Vorbild der Windmühlen. Trotz jeweils ordentlichem Applaus nach den Songs kam hierzu natürlich keine Party-Stimmung auf, aber das war an dieser Stelle nicht gefragt. Die Basler spielten letztlich nicht ganz eine Stunde lang, aber nach dieser monströsen Beschallung war ich richtig froh, mir zu einem kühlen Bierchen einen „Moment der Ruhe“ gönnen zu dürfen.

Setliste: «Runaway Soul» - «Bleeding Island» - «Goddamn Lights» - «Swallow the Teeth» - «...Zato Krev».


Poltergeist
Nach der Düstermesse von Zatokrev war nun währschafter Thrash Metal der alten Schule angesagt. Die vor allem zur Freude vieler Altfans reformierte Schweizer Kult-Combo zehrt jedoch nicht nur von den Anfängen, sondern war wieder aktiv in den letzten Monaten. Zum einen wurde im Mai 2015 das bis dato letzte Studio-Album «Nothing Lasts Forever», inklusive alter Demo-Aufnahmen in remasterter Form, wiederveröffentlicht. Da es sich aber abzeichnete, dass das akuelle Line-Up mit Mastermind V.O. Pulver (g/v) , Frontmann André Grieder (v), Gitarrist Chasper Wanner (Driving Force) und Drummer Sven Vormann (Ex-Destruction, Raise Hell) harmoniert und Bock auf neues Material hat, war klar, dass dies zwangsläufig zu einem brandneuen Album führen wird, ja muss! Im Vorfeld der Veröffentlichung der frischen Thrash-Keule «Back To Haunt» am 21. Oktober 2016 hielt man sich am heutigen Abend hierzu, bis auf den Titeltrack als Live-Appetizer, noch zurück. So dominierten die Kracher der guten alten Zeit und davon gab es einige, die zum Besten gegeben wurden. Seit dem Einstieg von Bassist Ralf Winzer Garcia (Requiem), der auf den neuen Studioaufnahmen allerdings noch nicht mit dabei ist, wurde die Schlagkraft der Band zusätzlich erhöht. So tauchten Poltergeist mit «Three Hills» (vom 89er full lenght Debüt «Depression») gleich mal tief ab in die Vergangenheit, um sich mit weiteren Perlen wie «Writing On The Wall», «Inner Space», «Behind My Mask» oder «We Are The People» richtig auszutoben. Dabei war festzustellen, dass die vermeintlich angejahrten Schoten im Sinne von gutem altem Wein in neuen Motivationsschläuchen nach wie vor killen und sich keinen Deut hinter aktuell (wieder) erfolgreichen Bands der Kategorie Testament, Exodus, Death Angel, Destruction oder Overkill verstecken müssen, im Gegenteil. Neben der grundsätzlichen Tightness des so oder so professionellen Zusammenspiels stach mir vor allem Neu-Bassist Ralf ins Auge und ins Ohr, der mit seiner agilen Performance den berühmten kleinen Unterschied ausmachte und dessen herrlich polterndes Instrument wie die Faust aufs Auge passte. So gaben Poltergeist 75 Minuten lang Gas, machten keine Gefangenen und hinterliessen beste Werbung in eigener Sache. Im diesem Sinne bleibt wahrlich nur noch eines anzumerken: „back to haunt guys“!

Setliste: «Three Hills» - «Empty Inside» - «Writing On The Wall» - «Behind My Mask» - «Just Doin’ My Job» - «Those Were Better Days» - «Inner Space» - «We Are The People» - «Back To Haunt» -- «Nothing Lasts Forever».


Hellmute
Was nun als unzweifelhafter Höhepunkt des „30 Anniversary Outsider-Shop Festivals“, ja des ganzen hiesigen Konzertjahres 2016 anstand, hätte ohne das permanente Nachhaken wie inbrünstige Bitten des Jubilars nicht stattfinden können! Die Schweizer Monster- und Party-Rocker trugen ihre Band Hellmute nämlich vor acht Jahren (20.12.2008) mit einem letzten Konzert im Aarauer KiFF definitiv zu Grabe, und keiner der drei Protagonisten, das heisst Bassist und Sänger „Kudi“, Gitarrist „schwe“ und Schlagzeuger „Pidi“, hätte wohl im Traum daran gedacht, dass sie heute Abend nochmals gemeinsam auf die gleiche Bühne steigen würden. Mir waren Hellmute wohl stets „zu wenig Metal“, respektive ich nahm, warum auch immer, in der Zeit zwischen 1993 und 2008 überhaupt nie Notiz von ihnen. Dazu kam zum Beispiel, dass ich 2007, als Hellmute beim „Rocksound Festival“ in Huttwil (BE) als erste Band des zweiten Tages aufspielten, traditionell in Balingen (D) am „Bang Your Head!!!“-Festival zugegen war, das just am gleichen Wochenende stattfand. So wurde ich eigentlich mehr oder weniger der letzten Chance beraubt, doch noch auf das lärmige Trio aufmerksam zu werden. Sollte der heutige Auftritt tatsächlich der allerletzte „forever“ gewesen sein, dann kann ich mich immerhin „forever“ glücklich schätzen, hiervon Zeuge geworden zu sein. Um knapp nach halb eins morgens bestieg die Band die Bühne der Musigburg zu bereits ordentlichem Applaus in der gut gefüllten Location. Nach einer kurzen Speech von Kudi und dem Hinweis, dass die Band das letzte Mal vor acht Jahren zusammen auf einer Bühne gestanden sei, startete der Party-Turbo mit dem Opener «Last Cause» (ab der «Fuck You, Good Night» 10“-EP von 2000), und schon beim nachfolgenden «Order Me A Drink» (ab «Revenge Of The He-Shes», 2003) gab es kein Halten mehr. Die Band wie das Publikum wiegelten einander regelrecht auf, und mit jedem Feger mehr steigerte sich der Applaus kontinuierlich. Der rohe wie unhobelte Sound traf nicht nur den Nerv des „Tyrants“, sondern auch aller anwesenden Konzertbesucher der Musigburg, mich einge-schlossen. Vor allem Drummer Pidi musste sich voll verausgaben und schlug sein Abeitsgerät fast zu Brei. Derweil liefen auch Kudi und schwe konditionell ebenso auf der letzten Rille, und trotz dem einen oder anderen kleineren Patzer merkte man Hellmute zu keiner Zeit an, dass die Band über mehrer Jahre nicht mehr aktiv ist, im Gegenteil. Dennoch zehrte das Ganze sichtlich an den Kräften, und darum schob Kudi um 01.15 Uhr eine zehnminütige Pause ein, die sich vor allem Pidi sicher sehnlichst herbei gewünscht hatte. Danach folgten nochmals energetische zwanzig Minuten, ehe eines der geilsten Konzerte dieses Genres leider viel zu früh vorüber war und nicht nur mich mit unten stehender Kinnlade zurück liess. Natürlich passt dieser Sound ohne Zweifel viel besser in die Szene der jüngeren Vergangenheit, doch warum ich diese Killer-Band nicht eher für mich entdeckt habe, wird auf ewig ein ungelöstes Rätsel der Menschheit bleiben. Den Ausspruch „wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ habe ich somit und dank Fribi äusserst knapp umgehen können! Dafür danke ich ehrfürchtig und gemeinsam wünschen alle Hartwurst-Maniacs dem „Outsider-Shop“ weitere erfolgreiche Jahre.

Setliste: «Lost Cause» - «Order Me A Drink» - «Edamer» - «Bonsai The Older» - «Highway» - «Shy Fly» - «Portable Woman» - «Nightmare» - «Blast Off» - «My Friend» - «Got The Boogie» -- «Houston» - «Keep On Rollin'» - «Burn» - «Green Machine».