Normalerweise sind Pressekonferenzen im Musicbusiness Anlass zur
Freude, Ankündigung, Information..., was auch immer. Heute Abend war
das aber ganz und gar nicht so. Genau eine Woche nach dem
schrecklichen Unfall in der Nähe von Las Vegas (U.S.A), bei dem
Steve Lee (R.I.P.) sein Leben auf tragische Weise verloren hat,
traten Leo Leoni (g), Marc Lynn (b), Hena Habegger (g) und Freddy
Scherer (g), begleitet von Brigitte Voss-Balzarini und der Ehefrau
von Marc, vor die Schweizer Presse.
Circa eine Stunde vorher hatten sich die verbliebenen Bandmitglieder
erst wieder gesehen. Mit im Flieger zurück in die Schweiz war auch
die Urne von Steve Lee. Ein harter Schlag für die Familie von Steve
und seine Bandkumpels, ganz zu schweigen von allen Fans auf der
ganzen Welt. Keiner kann es wirklich verstehen, was hier passiert
ist und es wird noch sehr lange dauern, bis diese endgültige
Situation halbwegs überwunden ist. Ich wurde von Günti Sahr von
Rockstation über diese Pressekonferenz in Kenntnis gesetzt und
durfte im Namen von Metal Factory auch daran teilnehmen. In einem
grösseren Saal des Hotel St. Gotthard wurde der traurige Anlass
vorbereitet. Nicht weniger als acht Fernseh-Teams waren vor Ort und
weitere Medienschaffende. Ueli Bracher (Chef von Musikvertrieb
Schweiz) richtete eingangs ein paar Worte an die Anwesenden zum
bevorstehenden Ablauf und bat in diesem Zusammenhang die
fotographierende Zunft, ihre Bilder gleich in den ersten Minuten zu
machen. Trotz diesem Aufruf schien das eine Lady in der vordersten
Reihe nicht zu interessieren, denn diese knipste kurz vor Schluss
munter weiter! Angesetzt war die Pressekonferenz auf 19.30 Uhr, doch
es sollten noch gut 15 Minuten verstreichen, ehe die Delegation den
Raum betrat und gleich von einem Blitzgewitter eingedeckt wurde. Von
links nach rechts nahmen Freddy, Hena, Leo, Marc, Brigitte und Marc
Lynn's Frau Platz.
Als Erste meldete sich Steve's Freundin Brigitte Voss-Balzarini zu
Wort und verlas mit etwas brüchiger Stimme ihren vorgefassten Text,
der in ausgedruckter Form vorlag. Dass sie nicht frei sprechen
konnte, nahm ihr dabei natürlich niemand übel. Sie, die ja
unmittelbar in der Nähe des Unglücksortes stand, schilderte die
Ereignisse zuerst aus ihrer Sicht. Zentral war dabei die Aussage,
dass sie vom Luftdruck des getroffenen Freundes weggeschleudert
wurde und darum unverletzt blieb. "Mir wurde so ein Leben im
Rollstuhl erspart" waren ihre ergreifenden Worte. Marc Lynn sprach
im Namen der Band und tat zu Beginn die Absicht kund, er wolle
lediglich kurz auf die tragischen Geschehnisse eingehen, was dann
aber doch in einigen Details mündete, die bisher noch nicht aus
der Presse bekannt waren. Er betonte, dass der genaue Verlauf des
Unglückes noch von den amerika-nischen Behörden untersucht wird. Fest
steht, dass der Fahrer wohl durch etwas abgelenkt war, was ihn dann
auf der Höhe der Reisegruppe zu seinem fatalen Ausweichmanöver
brachte. Nach dem Crash hielt der Mann an und soll untröstlich
gewesen sein. Birgitte Voss-Balzarini habe ihn darauf spontan in den
Arm genommen und ihm verziehen! Nach dem Eintreffen des
Medicare-Teams wurde die von Anfang an eingeleitete Reanimation
fortgeführt, die aber Steve Lee leider nicht mehr zurück zu holen
vermochte. Mit den Worten "he's gone" des behandelnden Arztes war
die Gewissheit da, dass es zu spät war und nur noch der Tod des
charismatischen Sängers bekannt gegeben werden konnte. Nach diesen
Worten verlor Marc Lynn kurz die Fassung und ich hatte auch gleich
wässrige Augen. Im Saal war es totenstill und mein Blick fiel auf
die vorne, im Grossformat aufgestellten und von Blumen umrahmten
Fotos des Verstorbenen. "Es fehlen noch alle Worte" und diese werden
wohl auch nicht so schnell wieder gefunden werden. Wie es mit der
Band in Zukunft weiter geht, wird sich in den nächsten Wochen und
Monaten zeigen.
Heute Sonntag, dem 17. Oktober 2010 fand auf dem Hospiz des
Gotthard-Passes die öffentliche Abdankung für Steve statt. Obwohl
die Verhältnisse bereits sehr winterlich waren, kamen gegen 3000
Leute (!), auch aus dem Ausland, auf den Pass hinauf, um dem
ehemaligen Sänger ihre Aufwartung zu machen und persönlich Abschied
zu nehmen. Die Schlange vor dem Kondolenzbuch in einem Zelt, wo
auch die Urne stand, war lange, und man sah nicht wenige Personen,
die ihren Gefühlen freien Lauf liessen und weinten, besonders als
über Lautsprecher der Song «One Life, One Soul» gespielt wurde.
Auch einige Prominente waren gekommen und zeigten ihre Betroffenheit.
Die Gedenkansprachen wurden von zwei Benediktiner-Mönchen auf deutsch
und italienisch gehalten.
Aktuell in Sachen Band ist bislang die Rede von einem Live-Album,
das eh geplant war, da einige der letzten Shows aufgenommen wurden.
Offensichtlich wird das Konzert von Lugano (17.07.10) in die Kränze
kommen und im nächsten Frühling veröffentlicht werden. Dies wäre
laut Leo Leoni auch ganz im Sinne von Steve Lee gewesen, der damit
den Gotthard-Fans mit dieser puren Performance, die zur magischen
Nacht wurde, eine Freude bereiten wollte. Was darüber hinaus mit
Gotthard geschehen wird, kann zu diesem Zeitpunkt
verständlicherweise noch nicht beantwortet werden.
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