Eine weitere Legende ist von uns gegangen und wird ein Loch
hinterlassen, das niemand jemals wieder auffüllen wird. Ian Fraser «Lemmy» Kilmister, der
am 24. Dezember 1945 das Licht der Welt erblickte, hat uns am 28.
Dezember 2015 verlassen. Lemmy starb an seiner Krebserkrankung, welche
erst zwei Tage vorher entdeckt wurde. Blickt man zwei Jahre zurück,
überrascht der Tod vom Motörhead-Kopf nicht. Lemmy musste in den
vergangenen Monaten immer wieder Konzerte absagen, und sein
gesundheitlicher Zustand war sehr besorgniserregend. Trotzdem schockt
die traurige Nachricht von Lemmys Tod und lähmt eine ganze Szene. Wer,
wenn nicht Lemmy, sollte den Sensenmann immer wieder austricksen? Nun ist
es doch passiert, was viele befürchteten und keiner wahr haben wollte.
Die ganze Welt trauert um eine Legende und Ikone gleichermassen.
Mister Kilmister und seine Vorliebe für Jacky-Cola waren allseits bekannt, ebenso
seine unsterbliche Musik (Vierzig Jahre Motörhead!), wie auch seine Ablehnung
gegenüber Religion, Politik und Krieg. Auch wenn seine Leidenschaft für
Gegenstände aus dem zweiten Weltkrieg kein Geheimnis war, das Interesse
galt in erster Linie den geschichtlichen Hintergründen. Ich erinnere
mich, als ich das erste Mal mit Motörhead in Kontakt kam. Es war ein
Poster, auf dem mich Lemmy, Fast Eddie Clark und Phil Taylor (der erst
gerade am 11. November verstarb) mit grimmigen Blicken anstarrten. «Meine
Güte, das müssen genau die Typen sein, vor denen mich meine Mam immer
warnte», ging es mir durch den Kopf. Als ich ein paar Tage später bei
einem Kumpel zum ersten Mal «Iron Fist» hörte, erwachte in mir das
Interesse für die Band. Ich würde mich nicht als den ultimativen
Motörhead-Fan betrachten, aber ich habe und werde immer grossen Respekt
vor Lemmy und seiner Musik haben. Dies auch wegen meinen drei
Begegnungen mit dem Engländer. Zum ersten Mal traf ich ihn im
Backstageraum am 22. Februar 1997 in Sempach. Mit dem Rücken zur Türe
sass die Ikone und spielte mit seinem einarmigen Banditen. Links und
rechts je eine grosse Kühlbox mit mehr Jack Daniels Flaschen als Cola
Dosen. Es war eine unbeschreibliche Magie welche Lemmy umgab, aber auch
etwas sehr Freundliches. Bevor das Interview begann, mixte mir der
singende Bassist einen Drink, der es in sich hatte…
Das Interview
gestaltete Lemmy und er lenkte das Gespräch mit seinen Antworten dahin,
wo er es haben wollte. Was immer wieder aufblitzte, waren seine geschichtlichen
Kenntnisse und sein knarziges, legendäres Lachen. Das nächste Mal sah
ich Lemmy ein Jahr später im Z7. «Hey man, I remember you!» begrüsste
mich Mister Motörhead mit einem breiten Grinsen, legte dabei seinem Arm
um meine Schulter und bat mich, ihn vor zu aufdringlichen Freaks zu
bewahren, weil Lemmy ein bisschen seine Ruhe haben möchte. Das dritte
und letzte Mal traf in Mister Kilmister in Frauenfeld auf dem WC, als er
mit einer Kippe im Mundwinkel neben mir pinkelte und mit seiner
rauchigen Stimme sagte: «Ich liebe die Stille hier auf dem Klo», mit
einem breiten Grinsen die Hosen schloss und auf seinen weissen
Cowboystiefeln von dannen zog. Ja, man kann sagen, dass Lemmy kauzig war,
aber unter seiner Schale pochte ein weicher, sehr fürsorglicher Kern.
Wir werden dich vermissen Lemmy. Sei es die Art, wie dein Mikrofon zu
hoch auf der Bühne stand und du immer deinen Kopf beim Singen anheben
musstest. Dein Spiel auf dem Rickenbacker-Bass und die Power, mit welcher du
deine Songs ausdauernd in unzählige Konzerthallen der Welt geprügelt hast. Deine
einmalige Art Songs zu schreiben und Lieder zu texten. Deine
Persönlichkeit und Attitüde, die niemand anders so lange am Leben
gehalten hätte wie dich und dein Ansehen bei vielen Musikern, welche du
beeinflusst oder unterstützt hast. Bands wie Girlschool, Saxon, Skew
Siskin oder Doro haben auch dank dir einen entscheidenden
Karrierewendepunkt erlebt oder tolle Lieder mit dir zusammen komponiert.
«We are Motörhead and we play Rock'n'Roll!» wird leider nicht mehr in
den Konzerthallen aller Welt zu hören sein. Speziell auf der Bühne
entfachten Lemmy, Phil Campbell (Gitarre) und Mikkey Dee (Schlagzeug) in
den letzten zwei Jahrzehnten ein Inferno, das Seinesgleichen
sucht! Was Lemmy uns als Vermächtnis hinterlässt, sind unzählige Hits,
Anekdoten und Sprüche wie: «My doctor told me to drink more water. What
did I? I told my roadie to put one more ice cube into my Jack Daniels…»
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