JUDAS PRIEST - Firepower
Sony Music
Wenn die Metal-Götter von Judas Priest tatsächlich mal ein Album
raus bringen, dann müssen wir da schon genauer hinhören. Deswegen wurde
das neue Album einem Kreuzverhör unterzogen. Hier
könnt Ihr nun die Meinungen von vier unserer Metal Factory Redakteure nachlesen.
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Mirko:
Irgendwie hab ich gerade
ein Flashback. Vor rund 21 Jahren erschien der Singletrack «Bullet
Train» als Teaser für das erste Judas Priest Album ohne Rob Halford. Der
stimmliche Wunderknabe Tim "Ripper" Owens hatte dessen schwieriges Erbe
angetreten und machte zugegebenermassen einen erstklassigen Job, so
überschlugen sich denn auch die Kritiken und das noch zu erscheinende
Werk «Jugulator» wurde mit vielen Vorschusslorbeeren überhäuft. Als es
dann endlich veröffentlicht wurde, gab es fast nur noch lange Gesichter.
Fans wie Fachpresse konnten sich partout nicht mit dem sehr modernen –,
schon fast Priest – untypischen Songwriting anfreunden. Der Rest ist
Geschichte. Das vier Jahre später erschienene «Demolition» fiel trotz
leichter Kurskorrektur ebenfalls durch, und Owens, der für die
musikalische Neuorientierung der Priester am wenigsten konnte, musste
gehen. Ähnliche Situation jetzt: Um das neue Werk «Firepower»
schmackhaft zu machen, wird am 5. Januar 2018 der Videoclip zum
Albumtrack «Lightning Strike» veröffentlicht, und augenblicklich bricht
die gleiche Euphorie los wie damals, mit dem Unterschied, dass sie
diesmal durchaus berechtigt ist. Unter den Fittichen des Producer – Duos
Tom Allom und Andy Sneap haben Priest ein solides Stück Stahl
geschmiedet, das dieser grossen Band in jeder Hinsicht würdig ist. Wir
müssen nicht mehr darüber diskutieren, welche Bands die Grundlagen für
das Genre gelegt haben, aber Fakt ist, dass erst Judas Priest den Heavy
Metal in mancherlei Hinsicht nachhaltig geprägt haben, musikalisch und
imagetechnisch. Und genau in diese Kerbe schlägt «Firepower». Euch
erwartet eine knappe Stunde Vollbedienung, das ist Priest in Reinkultur.
Die Riffs sind griffiger denn je, nicht zuletzt dank Richie
Faulkners Beitrag im Songwriting, Titel wie das bereits erwähnte
«Lightning Strike», der Titeltrack oder «Necromancer» gehören genau zu
jenen giftigen Nackenbrechern, wie man sie sich von dieser Truppe bis in
alle Ewigkeit wünscht. Aber die drei alten und zwei nicht ganz so alten
Herren sind nicht einfach auf Nummer sicher gegangen und haben ebenso
leicht rockiges aber vor allem viel episches Material auf das Album
gepackt. Einige Schreiberlinge gehen gar so weit zu behaupten,
«Firepower» sei das beste Priest Album seit «Painkiller» und stellen es
auf eine Ebene mit Meilensteinen wie «British Steel», «Screaming For
Vengeance» und «Defenders Of The Faith». Mit solchen Vergleichen habe
ich zwar etwas Mühe, da wir hier von völlig verschiedenen musikalischen
Phasen der Band sprechen, aber Fakt bleibt, dass es die neue Scheibe
härtetechnisch und kompositorisch locker mit den eben genannten
Klassikern aufnehmen kann. Wenn auch nicht jeder Track das Prädikat
"Supergeil" einheimsen kann, stehen diese schlicht guten Nummern in
meiner Gunst immer noch über Simpel – Songs der Marke «Breaking The Law»
und «Living After Midnight». Ihr könnt mich ja später noch dafür mit
Schimpftiraden überziehen, aber ich habe bereits bei deren Erscheinen
1980 nicht wirklich begriffen, was an denen so toll sein soll, da hatte
«British Steel» ganz andere Kaliber zu bieten. Aber das ist ein anderes
Thema. «Firepower» ist ein absoluter Pflichtkauf, der gegenüber dem
Vorgänger «Redeemer Of Souls» die Nase ganz leicht vorn hat, und auf dem
Rob Halford wieder mal eindrücklich demonstriert, dass er mit 66 Jahren
immer noch zu den besten seines Fachs gehört. Hört Euch nur mal das
abschliessende, halbballadeske «Sea Of Red» an. Sollte dies in
Anbetracht von Glenn Tiptons angeschlagener Gesundheit das letzte Priest
Album sein, dann wäre das wirklich ein würdiger und erhabener Abgang.
Mirko B. Punkte: 9.3 von 10
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Rockslave: Zwingend konnten die Fans der britischen Metal-Legende
nicht davon ausgehen, dass es nach «Redeemer Of Souls» von 2014 noch ein
weiteres Studioalbum geben wird. Auf der anderen Seite gab es da aber
einen gewissen Richie Faulkner, der den Oberpriestern den erhofften
Energieschub verpassen konnte. Die Konzerte der letzten Tournee
überzeugten weitgehend, und selbst der Metal-God Rob Halford himself
konnte dabei ebenso wieder punkten. Das Live-Album «Battle Cry» von 2016
holte aus den grundsätzlich guten aber nicht komplett unwiderstehlichen
«Redeemer...»-Tracks noch eine Portion Schmiss heraus, und bei den
Klassikern bewies der Nachfolger von K. K. Downing, dass er es definitiv
drauf hat. Zudem dürfte Mr. Faulkner mitunter auch der Grund dafür sein, dass
die Metal-Welt im Jahre 2018 wieder in ihren Grundfesten erschüttert
wird. Allerdings schockierte unlängst bereits im Vorfeld der
Veröffentlichung von «Firepower» am 09.03.2018 die Nachricht von
Gitarrist Glenn Tipton, bei dem Parkinson diagnostiziert wurde! Was im
Studio noch möglich war, wird für die anstehende Tour, bis auf auf
wenige Teileinsätze, leider nicht mehr hinhauen. An seiner Stelle
wird auf ausdrücklichen Wunsch Producer Andy Sneap (Hell) einspringen.
Judas Priest ohne Tipton/Downing?! Das wird bestimmt nicht allen Fans
gefallen, aber die neuen Songs sind einfach zu gut, um nicht auf den
Bühnen der Welt zelebriert zu werden. Wer bei Metal Factory den
Härtetest zu «Redeemer Of Souls» nachliest, wird bei mir eine
Zehner-Rezi vorfinden, die im Nachhinein jedoch eindeutig zu hoch gegriffen war.
Das wurde mir schon nach dem ersten Durchlauf von «Firepower» klar,
und nicht nur wegen der druckvollen Produktion von Andy Sneap. Vor allem
Rob Halford liefert hier sehr beeindruckende Vocals ab, und davon
profitiert das neue Material ungemein. Bereits der Opener und Titeltrack
überrascht mit Tempo und «Painkiller»-Anleihen sowie ersten Hammer-Soli,
was für ein Einstieg! «Lightning Strike» marschiert ebenso vorwärts und
Rob Halford performt wie in seinen besseren Tagen. Die Gitarren-Arbeit
von Tipton/Faulkner ist erste Sahne und spätestens beim treibenden
Midtempo-Rocker «Evil Never Dies» und seinem geilen Double Bass Drum
Refrain zerbröselt die aktuelle und ach so abgefeierte Accept-Scheibe
«The Rise Of Chaos» zu Staub und Asche. Das epische «Never The Heroes»
hätte auch HammerFall gut zu Gesicht gestanden und beim modern
angehauchten «Necromancer» werden die Bluthunde von der Leine gelassen.
Was soll ich sagen? Ich bin echt beeindruckt, vor allem von Halfords
sackstarken Vocals, geniesse auch die nachfolgenden Songs und kann
eigentlich kaum ein Haar in der Suppe finden. Getragen vom geilen Sound
knallt ein Kracher nach dem anderen aus den Speakern. Wie bei «Redeemer
Of Souls» gibt es mehr Groove als Tempo, aber diesmal wirkt der
Metal-God wie dem Jungbrunnen entsprungen, und deshalb steht der Gesang
stärker im Vordergrund, was beim zu Beginn halbballadesken Schlusssong
«Sea Of Red» zum krönenden Abschluss von «Firepower» führt. Für die
Höchstnote reicht es dennoch nicht ganz, da mir der absolute Killer-Song
fehlt und zwölf anstatt vierzehn Songs (inklusive ein Intro) ausreichend gewesen wären.
Dennoch sind Judas Priest, zusammen mit Saxon und Iron Maiden, nach wie
vor die Gralshüter des britischen Heavy Metals. Rockslave
Punkte: 9.0 von 10
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Tinu:
Die britische
Stahlschmiede hat sich in den letzten Jahren speziell auf dem
Live-Sektor wieder ihren Platz im Metal-Olymp zurück erobert. Was bei den
letzten Live-Shows, insbesondere von Sänger Rob Halford vollbracht
wurde, war sensationell und suchte Seinesgleichen. Zusammen mit Richie
Faulkner, er ersetzt den 2012 ausgestiegenen Gitarristen K.K. Downing,
kam ein frischer Wind in die Band, welcher schon auf dem
Studio-Vorgänger «Redeemer Of Souls» zu hören war. Dass man das nicht
mehr ganz so neue Gitarrengespann nun leider nur auf dem neuen Tonträger
hören, und nicht auf der Bühne sehen wird, ist ein richtiger
Wermutstropfen. Konkret: Gitarrist Glenn Tipton wird wegen seiner
Parkinson-Krankheit nur ganz wenige Konzerte der kommenden
«Firepower»-Tour bestreiten. Wenden wir uns aber dem neuen Album zu.
Schon das Eröffnungsriff und der sich dazugesellende Halford-Ur-Schrei
zeigen das Quintett von ihrer besten Seite. Ja, der Opener «Firepower»
ist Judas Priest in Reinkultur, macht keine grossen Anbiederungen an
neue Sounds, sondern hätte von seiner Machart auch sehr gut auf
«Defenders Of The Faith» oder «Angel Of Retribution» gepasst. Die
Gitarrensolos knallen genau so, wie man es sich vom Evangelium des
Metals erwartet und im Hintergrund donnert das Schlagzeug von Scott
Travis. Eine richtige Hymne ist «Lightning Strikes» geworden.
Auch wenn Rob heute durchwegs ein bisschen tiefer singt, von seiner
Bösartigkeit hat der Engländer nichts eingebüsst und kreischt, schreit
und singt sich souverän durch die dreizehn neuen Songs (plus ein Intro
«Guardians»). «Evil Never Dies» ist ein Midtempotrack (mit donnernden
Doublebass Drums), der auch auf ein Album wie «Point Of Entry» gepasst hätte.
Interessant auch «Never The Heroes», das mit seinem stampfenden
Grundrhythmus und Aufbau an «Desert Plains» erinnert. Schon fast
Galeeren-artig prügelt sich «Children Of The Sun» aus den Boxen. Mit
feinem, akustischem Aufbau und einem leidenden Rob (seine Stimme hier
ist unglaublich!), ein exzellenter Track. Irgendwo zwischen «Out In The
Cold» («Turbo») und «Worth Fighting For» («Angel Of Retribution») liegt
«Rising From Ruins». Auch hier ist einmal mehr die Gitarrenarbeit
unglaublich! Mit seinen knapp drei Minuten Spielzeit ist «No Surrender»
ein möglicher kommender Klassiker. Man denke nur an «Breaking The Law»!
Mit «Lone Wolf» (Black Sabbath lassen grüssen) und «Sea Of Red»
(typische Priest-Nummer mit balladesken und orchestralen
Momenten, «Blood Red Skies» lässt grüssen) zeigen Priest, zu was sie
heute noch immer im Stande sind. «Firepower» ist ein verdammt starkes
Album geworden, das den schon extrem geilen Vorgänger «Redeemer Of
Souls» noch um ein paar Zacken toppt. Auch wenn Halford, Tipton,
Faulkner, Travis und Ian Hill (Bass) vielleicht nicht in die Liga der
grossen Momente von Judas Priest aufsteigen («British Steel», «Point Of
Entry», «Screaming For Vengeance», «Defenders Of The Faith», «Ram It
Down»), so ist «Firepower» ein unglaublich geiles Album geworden, das
sich sehr wohl zwischen «Angel Of Retribution» und «Redeemer Of Souls»
fühlt.
Tinu
Punkte: 9.4 von
10
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Leopold:
Wenn es
einen Namen gibt, der die Metallische Union so verbindet und vereint,
dann fällt stets der Name Judas Priest. Klar, man soll dabei die anderen
Heroen des NWOBHM nicht vergessen, die wären Iron Maiden, Saxon, Raven
und Konsorten. Doch in Sachen Beständigkeit und Innovation haben die
Briten Judas Priest eindeutig das Näschen ganz nach vorne gerückt. Die
jetzige Bandkonstellation funktioniert einwandfrei, so wie eine gute,
alte Norton mit frischem Motorenöl. Mit «Firepower» folgt das 18.
Studioalbum, sofern ich richtig gezählt habe, und dies mit einem
gehörigen Paukenschlag und Metalhammer. 14 Tracks haben es auf dieses
Album geschafft, manche in typischer Priest-Manier, manche wiederum sehr
überraschend gelungen und doch, die Priest-Gene sind stets darin
enthalten. Klar auch, sonst würden diese Songs es ja auch nicht auf ein
so gelungenes Album schaffen. Eins vorweg, «Firepower» ist eindeutig
straighter, ähnlich wie das Album «Painkiller», jedoch nicht so
thrashlastig. Melodie, Speed, Power, the Genuine of Judas Priest, um es
kurz zusammenzufassen. Mit den drei ersten Tracks kommt man recht gut an
den Song «Painkiller» ran, um einen Vergleich zu nehmen, da speeded man
recht goil drauflos. «Firepower» ist ein perfekter Speed-Opener mit
leicht thrashigen Elementen, um dann sogleich nahtlos in «Lightning
Strikes» reinzuflutschen, welcher ein powervoller Speed-Metaller ist und
mit «Evil Never Dies», welches stampfend, midtempomässig beginnt und mit
powervollen, kurzen und knackigen Speed-Attacken seitens des
Ausnahmedrummers Scott Travis untermalt wird, diese Speed-Triade zu
beenden. Mit diesen drei Tracks spricht man Metalfreaks aller Genres an,
selbst gestandene Thrasher, Deather, Speed- und Power-Metaller. «Never
The Heroes» ist ein midtempo-mässiger Stampfer, da wird einem etwas Luft
zum Durchatmen gegeben, denn der nächste Kracher folgt sogleich. Glenn
Tiptons Gitarrensoli sind einfach herrgöttlich auf den ersten vier
Songs, unterstützt dabei von Richie Faulkner an der zweiten Klampfe, Ian
Hill dem Tieftöner, eben besagtem Drummer Scott Travis und natürlich Rob
Halfords Stimme, welche einfach richtig gut geölt daherkommt, eben, wie
eine alte, gute Norton. «Necromancer» ist ein asteiner
Power Metal Kracher, der einfach herrlich vor sich hinstampft. «Children
Of The Sun» ist auch ein midtempo-mässiger Song, ähnlich wie «Never The
Heroes», wo auch die ruhigen Seiten von Judas Priest zum Tragen kommen,
will sagen die langsameren Parts, die teils mit Akustikgitarre getragen
werden, wo natürlich Rob Halfords Stimme bestens zum Ausdruck kommt.
Es sind auch die Songs, wo es auch leicht doomig abgeht, will sagen,
heroisch und mystisch. Dann kommt das kurze, pianogehaltene «Guardians»,
sehr überraschend und lockert das bisher gehörte auf, um dann in die
Halbballade «Rising From Ruins» hinüberzugleiten, wo diese
Pianosequenzen weitergesponnen werden. Aber keine Angst, dieser Track
steigert sich von Minute zu Minute, so wie es sich für eine Judas
Priest-Halbballade gehört, wobei mir spontan sogleich der Song «Out
In The Cold» in den Sinn kommt, vom '86er Album «Turbo». Nun, Vergangenes
ist Vergangenheit, wenden wir uns wieder der Gegenwart zu und gelangen
somit zu «Flame Thrower», dem neunten Track, welcher sich ebenfalls im
midtempo-mässigen Fahrwasser wie «Children Of The Sun» befindet, aber keine
Angst, auch wenn 14 Tracks den Weg auf das Album gefunden haben,
kein Song ist wie der andere, also nicht irgendwie '... hab' ich doch
schon mal gehört ...', nee, jeder dieser 14 Songs ist einfach Judas
Priest pur. Interessant wird's auch beim nächsten Song «Spectre», rein
vom gespielten Gitarrenintro her hört man da das Horn von Babylon
erschallen, kann sich die hängenden Gärten mal bildlich vorstellen, ein
weiterer überraschender Priestsong, was einfach wieder mal aufgleist und
aufzeigt, wie unverbraucht die Band seit der Gründung 1969 immer noch
unterwegs ist. «Traitors Gate» beginnt mit einem
Akkustikgitarren-Intermezzo und mutiert sich dann zur
Power Metal Granate à la «Evil Never Dies» rauf, stets powervolle und
speedige Elemente im Zwiegespräch mit allen Instrumenten. «No Surrender»
ist ein melodiöser, midtempomässiger Metal-Stampfer der nahtlos in «Lone
Wolf», welcher mit einem 70ies-Style-Intro beginnt, rüberschmelzt, wobei
«Lone Wolf» einfach goiler, stampfender Heavy Metal darstellt. Der vierzehnte
und letzte Track auf «Firepower», «Sea Of Red», ist eine weitere
Halbballade mit Hymnencharakter, der sich erneut von Minute zu Minute
steigert. Ein perfektes Coverartwork, welches auf einem T-Shirt
ebenfalls perfekt zur Geltung kommt, eine saubere und druckvolle
Produktion, was will man als Metaller mehr? Eben, und deshalb ist
«Firepower» eine Scheibe von Metallern für Metaller, solche die schon
lange dabei sind, solche die den Metal erst für sich entdeckt haben,
«Firepower» vereint sie alle. Metal never dies!
Leopold Punkte: 9.8 von 10
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