Musik als schlechter Einfluss.
George Lynch ist ein umtriebiger
Gitarrist, der in den frühen achtziger
Jahren mit Dokken sensationelle Erfolge
feiern konnte. Nachdem er sich abnabelte
und mit Lynch Mob seine eigene Truppe
startete, wurde es wenig später dank der
Grunge-Phase etwas ruhiger um das
Gitarren-Ass. Heute gehört der Ami
sicherlich zu den Musikern mit den
häufigsten Veröffentlichungen in einem
Jahr. Bands wie KXM, Sweet & Lynch, The
End Machine oder auch Dirty Shirley
zimmerten seinen Weg in den letzten
Monaten.
"Zuerst hatte ich keine
Unterstützung meiner Eltern. Sie
dachten, die Musik könnte einen
schlechten Einfluss auf mich nehmen.
Darum nahmen sie mir meine Gitarren weg
und schickten mich zu meinen
Grosseltern, die sehr streng waren. Ich
lebte und arbeitete bei ihnen und war
als Teenager ein Jahr lang gitarrenlos",
erinnert sich der Meister an seine
ersten Schritte mit der Gitarre. "Meine
Einflüsse waren vielfältig. Von Blues,
Jazz, R&B, Soul, Funk, über alle Epochen
des Rock, Klassik, Metal, bis zu Gospel,
ich sog alles in mich auf und liess mich
dabei inspirieren».
Für grosses Aufsehen sorgte der junge
Mann mit seinem zweihändigen
Finger-Tapping. Ob nun George oder
Eddie Van Halen als der Erfinder dieser
Spielweise gelten, darüber streiten sich
noch heute die Geschichtsbuchschreiber.
Jedenfalls konnte George mit seinem
aussergewöhnlichen Spiel das Interesse
von Ozzy Osbourne auf sich ziehen, als
dieser seine Solo-Karriere startete.
Allerdings musste sich Mister Lynch
zuerst Randy Rhoads und später Jake E.
Lee geschlagen geben, inspirierte
trotzdem Tausende von Junggitarristen
mit seiner einzigartigen Spielweise und
landete bei Dokken. Mit diesem Quartett
konnte der Saitenakrobat
Platin-Auszeichnungen für «Under Look
And Key» und «Back For The Attack»
einheimsen und kreierte mit ESP seine
eigenen Gitarren-Modelle. Das kreative
Dokken-Verhältnis gipfelte aber auch
immer in einer bandinternen
Zerstrittenheit zwischen George und
Sänger Don Dokken. Einige Reunions
später berichtet Lynch über die
Situation bei seiner ehemaligen
Stammband: "Ich weiss nicht, ob eine
erneute Zusammenarbeit möglich ist.
Vorerst sind Dokken und Lynch Mob für
einige gemeinsame Konzerte vorgesehen.
Am Ende des Abends werde ich vier Lieder
zusammen mit Dokken spielen. Das wird
viel Spass machen und das Publikum wird
es lieben". Das letzte Dokken-Konstrukt
fiel 2016 nach einigen Japan-Shows
auseinander: "Japan beherbergte immer
unsere zweitgrösste Fangemeinde. Wir
haben viele schöne Erinnerungen an die
Tourneen in den frühen Tagen unserer
Karriere. Es war wunderbar, dorthin
zurück zu kehren", erinnert sich Mister
Lynch an die letzten gemeinsamen
Auftritt mit Don, Jeff Pilson und Mick
Brown.
Nach seiner Dokken-Zeit
wagte George den Start mit Lynch Mob:
"Es war eine herkulische Anstrengung, um
alles für diese Truppe zu mobilisieren,
aber ich nutze die Gunst der Stunde.
Abgesehen davon führten wir eine
weltweite Suche durch, um ein Dreamteam
aufzubauen. Etwas, das meiner Meinung
nach
glückte.
Die Maschine um die Band mit Managern,
Agenten, Produzenten und einem
historisch bedeutsamen ersten Album,
funktionierte bestens. Trotzdem blieb
uns der grosse Erfolg verwehrt. Nirvana
und Grunge sein Dank! Diese musikalische
Bewegung brach uns das Genick, war aber
eigentlich nur eine Reaktion oder ein
Symptom auf die Exzesse des Hardrocks
der achtziger Jahre. Ich denke nicht,
dass Lynch Mob in Zukunft weiter
existieren werden. Ich fühle mich nicht
wohl dabei, den Namen aus
unterschiedlichen Gründen weiter zu
verwenden", trägt George seine erste
Solo-Band zu Grabe, um gleich wieder die
Lynch Mob- und Dokken-Fans zu
besänftigen: "Jeff Pilson und ich
arbeiten mit Robert Mason an der zweiten
The End Machine-Platte. Wir sind bemüht
uns näher an die Kompositionsformel
anzulehnen, die wir damals beim
Schreiben der Dokken-Lieder
verwendeten."
Wie erwähnt,
arbeitet der Gitarrist mit vielen
anderen Musikern in ebenso vielen
anderen Projekten zusammen. "Früher
dachte ich, dass eine stabile Band sehr
wichtig ist. Ich unternahm unzählige
Versuche eine Truppe zusammen zu stellen
und zusammen zu halten. Heute ist dieser
Zug für mich abgefahren. Ich betrachte
jedes Projekt als ein neues Kapitel mit
neuen Möglichkeiten. Ich liebe das
Komponieren und den Prozess, eine Idee
aufblühen und in sich manifestieren zu
sehen. Dies mit unterschiedlichen
Charakteren zu erarbeiten, beflügelt
mich in solchen Projekten mitzuarbeiten.
Klar vermisse ich es live aufzutreten.
Aber es ist nun mal sehr schwer die
Projekte auf die Bühne zu bringen, weil
die Jungs noch in anderen Truppen tätig
sind. Das ganze Reisen vermisse ich aber
definitiv nicht", grinst der Amerikaner.
"Bis jetzt verbrachte ich im Studio ein
sehr produktives 2020. Ich lieferte
bisher drei Alben ab. Mein
Solo-Instrumentalalbum mit dem Titel
«Seamless», die Scheibe zum 30.
Jahrestag des Lynch Mob Werkes «Wicked
Sensation» und «Pynch» von Lynch +
Pilson. Das ist eine Ansammlung von
Covers aus verschiedenen Genres und
Jahrzehnten in unterschiedlichen Stilen
gespielt.»
«Die letzten zehn
Jahre waren meine produktivsten,
fruchtbarsten und lohnendsten Momente.
Klar habe ich mich dabei verändert, aber
ich versuche immer dabei zu profitieren.
Ich weiss, dass ich mich sehr glücklich
schätzen kann, das zu tun, was ich tue
und versuche es nie als
selbstverständlich hinzunehmen!",
sieht sich George glücklich in der Lage
zu sein, noch immer als Gitarrist sein
Geld zu verdienen. Zum Schluss lässt uns
George noch in seine Zukunftspläne
blicken: «Ich habe ziemlich viel in
mein Studio investiert und werde
weiterhin komponieren, aufnehmen und
experimentieren. Dabei versuche ich in
die Filmmusik einzusteigen und zu meinen
Wurzeln zurück zu kehren. Ich möchte mehr
Zeit damit verbringen, die Natur zu
erforschen und von ihr zu lernen.»
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