Interview: Wolfpakk

By Tinu
 
Ganz klar die Alpha-Wölfe.



Mark Sweeney hat nach seinem Ausstieg bei Crystal Ball und dem Versuch seiner Solokarriere zusammen mit Michael «Vossi» Voss (Mad Max, Casanova) ein neues musikalisches Betätigungsfeld namens Wolfpakk gefunden. Mit der vierten Scheibe konnten die Beiden nicht nur ein hervorragendes Werk abliefern, sondern auch 10 von 10 Punkten bei Metal Factory einheimsen. Das Album, welches wieder mit vielen Gastmusikern zu gefallen weiss, besitzt die perfekte Vermischung aus harten Klängen, packenden Melodien und grast dabei ein sehr breites Spektrum ab. Was es mit «Wolfs Reign» auf sich hat, wie Mark seinen Abgang bei Crystal Ball sieht und wie er sich sonst in den letzten Jahren verändert hat, erzählt der wie immer gut gelaunte Sänger im folgenden Interview.

MF: Wieso hast du Crystal Ball damals verlassen?

Mark: Begonnen hat alles, als Dany Schällibaum (Bass) und Tom Graber (Gitarre, Keyboards) bei Crystal Ball ausgestiegen sind. Dabei zerbrach die Chemie innerhalb der Truppe, welche Crystal Ball zwölf Jahre geprägt und weiter gebracht hat. Es war, so blöd es klingt, wirklich wie eine Ehe. Wir kannten uns in- und auswendig, verstanden uns blind und erlebten sehr viele Dinge gemeinsam. Es war dieses Band sein mit all seinen Höhen und Tiefen. Als die Beiden nicht mehr neben mir im Proberaum standen, fehlte was. Mir war klar, dass es nie mehr so sein wird, wie es war. Dann begann diese verdammte Sucherei nach neuen Leuten, etwas, das wir uns nicht gewohnt waren, weil wir es nicht kannten. Es war der blanke Horror. Entweder passte es menschlich aber musikalisch nicht, aber meistens passte es wenigstens musikalisch, aber überhaupt nicht menschlich. Es war ein erzwungener Versuch an etwas festzuhalten, dass es nicht mehr gab. Als es an die Arbeit einer neue CD ging, meinte Scott (Leach, Gitarrist), dass er einen neuen Job hätte. "Was wollen wir denn noch? Wo stehen wir?", fragte ich ihn. Ich hatte es satt, immer on the road zu sein und ihn wurmte es immer ins Studio zu gehen (lacht). So sassen Marcel (Sardella, Drums), Scott und ich zusammen. "Es ist nicht mehr das, was mich befriedigt", liess ich die Beiden wissen, und so haben wir uns einvernehmlich getrennt (lacht). Ich behielt meine Firma Pie Music und Marcel und Scott durften weiterhin unter dem Namen Crystal Ball spielen. Alles wurde rechtlich geklärt und jeder ging seines Weges.

MF: Bevor du mit Wolfpakk gestartet bist, hast du noch solistisch von dir hören lassen. War das dein Masterplan, eher auf Solopfaden zu wandern?

Mark: In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Das eine ist softer (grinst), und das andere eher metalischer Art. Man warf mir oftmals vor, dass ich als Sänger ganz okay bin, aber mehr als schreien kann ich eh nicht. Das ist jetzt ein bisschen übertrieben formuliert. Speziell die Balladen würden nicht mein Ding sein und so suchte ich mir eine neue Herausforderung. Mit meinem ersten Soloalbum versuchte ich diese These zu dementieren. Da habe ich Blut geleckt und bekam richtig Freude an diesen seichteren Gefilden. So kam zur härteren diese softere Liebe dazu. Wobei ich mit der härteren Schiene absolut nicht abgeschlossen hatte, denn je seichter ich wurde, desto lauter hat mein härteres Herz gepocht (lacht). Es war für mich persönlich der Beweis, dass ich beides singen kann. Sei es Hardrock sowie Metal und auch radiotauglichere Sounds.

MF: Wie kam es dann zu Wolfpakk?

Mark: Für die zweite Solo-CD war ich bei Michael Voss im Studio. Wir kannten uns nur marginal. Er sang ein paar Chöre für Crystal Ball, aber sonst kannte ich Vossi kaum. Beim ihm im Studio fand ich die ganze Atmosphäre sehr relaxt und er ging völlig anders als Produzent um als die anderen, mit denen ich schon arbeitete. Es klang sehr gut, und in meinen Augen hat er das Optimale aus meiner Stimme heraus geholt. Ohne, dass ich stundelang im Kämmerlein stand, schwitzte und heulte. Das hat mir mächtig imponiert. Als das Soloding fertig war, hatte ich unheimlich Lust, Gas zu geben. Als Vossi mich in der Schweiz besuchte, sagte ich zu ihm: "Lass uns etwas Metallisches kreieren! Vollgas, ohne jemand fragen zu müssen, ob das nun okay ist." Vossi meinte sofort, dass wir noch ein paar Gäste ins Studio einladen könnten, sollte es keine richtige Band sein. So entstand das Wolfpakk-Konzept. Als Vossi in den Staaten einem LKW hinterher fuhr, sah er auf der Blache drei Wolfsköpfe, eben Wolfpakk mässig. Das war dann das Konzept. Wir sind die Alpha-Wölfe und scharen ein paar Gast-Wölfe um uns herum. Als spezielle Erkennung wurde das Ganze dann mit zwei K statt mit CK geschrieben.

MF: War es von Beginn klar, dass die Band ein Projekt sein wird und ihr damit nicht auftreten werdet?

Mark: Schon, sonst hätten wir zu Beginn eine richtige Band gegründet. Vossi und ich wollten uns den Gesang teilen. Das war mir schon wichtig und mit all diesen Gästen wäre eine Umsetzung auf der Bühne kaum möglich. Michael war es auch recht, schlussendlich tanzt er auf 27 Hochzeiten (lacht). Er lebt von der Musik und muss schauen, dass sein Einkommen stimmt. Darum ist er in unterschiedliche Projekte involviert, was es nicht immer einfach macht, die Daten mit ihm für Wolfpakk zu fixieren. Darum war uns von Beginn weg klar, Wolfpakk ist ein Studioprojekt.

MF: Reizt es dich nicht, wieder auf die Bühne zu gehen?

Mark: Klar, zudem werde ich immer häufiger auf die Live-Sache angesprochen. Zu Beginn gab uns keiner einen Kredit. Wir waren ein weiteres Projekt, wie es zum damaligen Zeitpunkt viele gab, wie auch Avantasia. Jetzt veröffentlichen wir aber schon das vierte Album. Ich stand immer gerne auf der Bühne, performte und entertainte gerne. Logisch juckt es mich (grinst). Aber! Wir haben keine Angebote. Es kam noch kein Veranstalter zu mir, der mir eine Gage bot, damit wir bei ihnen spielen würden (lacht). Die Einzigen, die nach Konzerten fragen sind die Fans und die Journalisten (lacht). Darum stellt sich die Frage, ob Wolfpakk auf die Bühne geht, gar nicht. Klar, wenn uns jemand eine Tour mit beispielweise zwölf Konzerten anbietet, werde ich sofort mit Vossi zusammen sitzen und dies besprechen.

MF: Wo findet ihr die jeweiligen Gastmusiker?

Mark: Das ist eine Frage, die ich schon oft beantwortete (grinst). "Ob wir denn die Lieder für die jeweiligen Sänger schon im Hinterkopf komponieren?" (lacht). Alles entsteht ganz spontan. Das, was in uns an Ideen schlummert, diskutieren Vossi und ich zusammen. Daraus entstehen Demo-Versionen. Dann wird von Vossi alles eingespielt. Er ist dieser Tausendsassa (grinst), ausser das Schlagzeug, das von einem Bekannten von Michael eingespielt wird. Gitarre und Bass werden von Vossi eingespielt, und wir beide singen alles ein, als wäre es schon das Endprodukt. Erst wenn der Song als Demo vorliegend ist, machen wir uns Gedanken, wer dies denn nun einsingen könnte. Einen Gast-Bassisten wirst du kaum heraus hören, oder auch ein Gitarrensolo, ausser es ist ein wirklicher Meister seines Faches. Der Gesang von «Rise Of The Animal» (Titeltrack vom dritten Album), diese hohen Parts, das können nur eine Handvoll Kandidaten singen. So war es für uns naheliegend, Michael Kiske anzufragen, ob er diesen Song einsingen würde. Gott sei Dank, hat er irgendwann auch mal zugesagt (lacht). Das passte natürlich wie die berühmte Faust aufs Auge. So selektieren wir bei den Liedern. Wer würde passen, hat Zeit und Lust? Dann gehen wir über die Kontakte, die wir beide in der Szene mittlerweilen haben. Logisch, Vossi hat noch einige mehr als ich (grinst). Oder er kennt dann noch einen Manager, der einen Manager kennt, der mit einem Promoter befreundet ist, der dann die Frau des Sängers kennt (lacht). So kommen heute die Kontakte zu Stande oder es läuft ganz einfach über Facebook. Da werden die Auserwählten ganz frech angeschrieben.

MF: Wie läuft es bei den Gast-Instrumenta-listen?

Mark: Es ist schön, wenn Axel Rudi Pell schnell von Bochum nach Münster fährt, um seinen Part einzuspielen. Das passiert aber eher selten (lacht). Die fast hundert Leute, die uns bei den vier Alben geholfen haben, sind über die ganze Welt verstreut. Es ist heute einfach so, dass ein File per E-Mail nach Amerika geschickt wird, dort spielen die Musiker ihren Part im eigenen Homestudio ein und drei Tage später bekommst du Post aus den Staaten mit dem entsprechen Instrumentalspuren. Vor zehn bis fünfzehn Jahren wäre dies noch nicht möglich gewesen. Schon gar nicht mit einer solchen Armada an Musiker. Das hat Vieles vereinfacht. Klar wäre es schön, wenn ich mit jedem einzelnen Musiker im Studio stehen könnte, aber dann hätten wir an einem neuen Album fünf Jahre, bis es fertig wäre, und die Kosten für Hotel und Flüge würden das Budget völlig sprengen.

MF: Wenn du heute neue Lieder komponierst, fällt dir das leichter als früher?

Mark: Ja! Heute bin ich wie von allen Fesseln befreit. Früher komponierte ich mit dem Gedanken, wie Scott mit einer Idee zufrieden sein wird. Oder wusste schon, dass es ihm nicht gefallen könnte. Jetzt kann ich mit jedem Scheiss ankommen, und Vossi nimmt dies auf. Klar hat er seine Ideen oder bestimmte Vorstellungen betreffend des Arrangements. Das ist auch gut, denn schlussendlich arbeiten wir alles im Team aus. Aber! Ich kann frisch von der Leber weg alles einbringen und wenn es drei Doublebass-Drum Tracks sind, dann sind es eben drei schnelle Tracks. Niemand rümpft dabei die Nase. Das war früher ab und zu vorhanden. Klar, Crystal Ball war eine demokratische Band, in der man aufeinander Rücksicht nahm. Das habe ich heute nicht mehr. Darum kann ich befreit komponieren und meinen Ideen freien Lauf lassen. Das ist absolut genial!

MF: Welches ist der beste Song, den du jemals geschrieben hast?

Mark (lachend): Normalerweise..., vor zwei Jahren hätte ich gesagt, diesen Track gibt es nicht. Sicher existieren Favoriten-Songs, aber da wird noch immer was Besseres dazu kommen. Nach dem Lied «Rise Of The Animal» war mir klar, dass ich auf dieses Stück mein ganzes Leben hingearbeitet habe. Vom Sound, wie auch von den Melodien und der Länge des Tracks... - Ich wollte immer eines dieser Lieder schreiben, die nie aufhören (lacht). Das aber immer geil tönt, nie langweilig wird und mit einem tollen Refrain ausgestattet ist. Dann wird er noch gesungen von Michael Kiske... - Da muss ich schon sagen (lachend), was will ich denn noch mehr? Trotzdem geht es immer weiter. Ich frage mich immer wieder bei all diesen Songwritern, woher nehmen die jetzt noch diesen und jenen Part, der noch geiler klingt? Aber es ist so, du findest immer noch eine neue und andere Inspiration, oder gehst zurück in die 70er-Jahre. Darum ist bei mir sicher noch nicht alles ausgeschöpft.

MF: Hattest du als Musiker jemals das Gefühl, den Boden unter den Füssen zu verlieren?

Mark: Nein! Wieso auch, da waren wir mit Crystal Ball eine zu kleine Nummer. Gehst du in die Grössenordnung Avantasia, dann wäre ich vielleicht der Meinung, dass ich der Geilste und Beste bin (grinst). An allen Orten sind die Hallen ausverkauft und alle schreiben nur Positives über mich. Dann denke ich, musst du aufpassen, nicht den Boden zu verlieren. Mit Crystal Ball hatten wir gute Erfolge, auch mit Wolfpakk, aber dies findet auf einem Level statt, der überschaubar ist. Würde ich da abheben (lacht), würde ich mich selber belügen. Da müsste ich schon ein paar Millionen Alben verkaufen, damit ich mit erhobenem Haupt durch Luzern marschiere (lacht).

MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?

Mark: Früher war es, zusammen mit meinen Jungs aufzutreten. Ich war stolz auf Crystal Ball und darauf, wie wir alles anpackten. Spitzbübisch freute ich mich über den immer grösser werdenden Erfolg. Wir verkauften Platten und konnten touren. Vielleicht auch, weil uns zu Beginn niemand einen Kredit gab. Mit harter Arbeit und Fleiss schafften wir ein gewisses Niveau. Das war mir wichtig, dass wir dies als Band schafften. Fünf Freunde, die mit dieser Musik etwas erreichen konnten. In einer Zeit, in der man dieser Art von Musik überhaupt keine Chance gab. Es war mir wichtig, dass wir uns durchboxten und als Einheit doch einiges erreichten. Mit 25 Jahren sind die langen Haare noch wichtig und die schicken Lederhosen. Heute ist mir das scheissegal wie lange meine Haare sind, dafür ist mir der Song wichtiger. Die Freude an der Musik, am Songschreiben, oder ein positives Feedback, dass Biff von Saxon bei uns mitsingt. Dass er dann meine Worte umsetzt und einsingt... - Das alles ist mir heute viel wichtiger. Die Musik und die Freude, mit Vossi etwas zu gestalten. Das ganze Klimbim drum herum... - Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir nicht mehr touren. Stehst du auf einer Bühne, musst du was darstellen und machst eine Show. Heute ist es das Studio, in dem du mehr ausprobierst und tüftelst. Plus die Aufregung, wer das Lied spielen und singen wird (grinst).

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Mark: Ich überlege schon wieder, wann ich zu Vossi ins Studio gehe (lacht). Ideen bestehen schon, aber jetzt sollte ich ein bisschen bremsen, und wir sollten uns eine gewisse Auszeit geben. Das Ziel sollte nicht sein, im Frühling 2018 mit einem neuen Album auf der Matte zu stehen. Sicher möchte ich noch ein fünftes Album mit Wolfpakk kreieren. Wer weiss, vielleicht gibt es auch mal einen Festivalauftritt, bei dem eh schon all die Stars auftreten, die bei uns mitgesungen haben. Zuerst muss sich das neue Album aber mal etablieren, und dann sehen wir weiter.

MF: Mark, besten Dank für das Interview, und alles Gute für die Zukunft.

Mark: Ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast!