Interview: Victory
By Tinu
Von Null aus, gleich auf das 70'000 Tonnen Schiff.



Victory sind wieder da. Oder waren sie nie ganz weg? Zumindest ist Herman Frank als Antriebsfeder wieder am werkeln. Nicht nur sein Engagement in den letzten Monaten bei Accept, sondern auch seine eigene Herman Frank Band liessen den Flitzefinger nie in Vergessenheit geraten. Auch weil Alben wie „Don’t Get Mad“, „Hungry Hearts“, „Culture Killed The Native“ oder „Temples Of Gold“ noch heute zum Besten gehören, was es im Gitarren betonten Rock/Metal zu hören gibt. Wie es zum erneuten Start kam, was sich alles bei Victory getan hat und wieso seine alten Kumpels nicht mehr an Bord sind, das hat Herman im folgenden Interview verraten. Und so ganz nebenbei. Er ist einer der unkompliziertesten und freundlichsten Musiker, mit denen man sprechen kann!

MF: Wie kam es zum erneuten Start von Victory

Herman Frank: Ich habe so oft bei Autogrammstunden mit Accept immer wieder Victory-Platten signiert und wurde gefragt, wieso es die Band nicht mehr gibt. Irgendwann dachte ich mir: „Wieso eigentlich nicht?“. Auch aus dem Grund, weil ich gemerkt habe, dass Accept mich nicht ein volles Jahr beansprucht… So ein bisschen Ausgleich ist immer schön. Okay, ich könnte zum Kegeln fahren (grinst), aber ich stehe auf diese Victory-Mucke und es ist schade, dass man die nicht spielen kann. Darum ist die Truppe wieder am Start.

MF: Ist Victory die Band, die du immer machen wolltest und entspricht zu 100 % Herman Frank?

Herman Frank: Es ist eine meiner Combos. Ich kann nicht nur mit einer Sache leben. Das ist leider, oder Gott sei Dank so. Musik beschränkt sich bei mir nicht nur auf eine Band. Da muss ich mich an anderen Ort ausleben können. Ab und zu eine andere Baustelle, das ist wunderbar. Es ist mir auch lieber diese kommenden Clubshows zu spielen, als mich als Support bei einer anderen Band anzuhängen. Das ist ehrlicher und das wollte ich auch wieder. Der absolute Kontakt, wenn die Halle brennt, besser gesagt der Club (lacht), oder wenn es von der Decke runter tropft und brummt. Da ist die Reaktion direkter und kompakter. Das ist ein richtiges Konzert, nicht wie bei einem Openair, wenn du schon fünf Meter Abstand zum Publikum hast und die Definition eines Rockkonzertes. Nicht mehr als 500 Leute, damit ist man heute schon gut bedient, aber ein direktes Erlebnis. Das finde ich klasse und habe dies in den letzten paar Jahren auch vermisst. Logisch, ich würde auch gerne in einem Stadion spielen (lachend). Schlimm finde ich diese ganzen Openairs wie Wacken oder Sweden Rock. Das hat seinen Reitz, aber vom Sound her, vom Spielen und Erlebnis der Musiker, ist das alles zu offen und zu weit weg.

MF: War es geplant, wieder mit Tommy Newton, Peter Knorn und Fritz Randow, deinen alten Victory-Kumpels aufzutreten?

Herman Frank: Das haben wir Jahrzehnte lang gemacht… In den letzten Jahren liefen doch ein paar Dinge auseinander und die Interessen verlagerten sich. Peter ist glücklich mit seinem Management und Tommy mit seinem Studio. Insgeheim war er schon immer eher der Produzent, denn der Musiker. Das habe ich vermisst. Dieses Verlangen danach Musik zu machen. Dies wurde mit der Zeit bei den anderen flacher. Dieses heiss darauf zu sein, war nicht mehr vorhanden. So war für mich von Beginn weg klar… Tommy will nur noch im Studio arbeiten und gesundheitlich würde es vielleicht auch nicht klappen. Sich da reinzuhängen, zu üben, Ideen haben… Ich glaub sein Denken ist auch ganz anders. Peter hat keinen Bock mehr, durch die Clubs zu tingeln. Das muss man akzeptieren. Fritz war zuerst an Bord und wir haben zusammen geprobt. Tja (lacht), und dann merkt man plötzlich, dass man nicht mehr so fit ist, weil man in den letzten Jahren nicht mehr diesen Rock’n Roll getrommelt hat. Die Saxon-Zeit lag einige Zeit zurück… Da fehlt auch das Feuer. Man muss sich überwinden und es tut vielleicht auch weh man wieder proben muss. Das ist anstrengend und ich verstehe das… Es hat nicht geklappt.

MF: Wie sieht’s mit dem Sänger aus? Was wäre mit Charlie Huhn oder Fernando Garcia gewesen?

Herman Frank: Von Charlie habe ich sofort eine Mail bekommen (lachend). Irgendjemand hat auf Facebook geschrieben, dass wir mit Victory wieder am Start sind. So hat er geschrieben: „Herman willst du eine Tour machen, ich komme sofort als Special-Guest“ (lachend). Glücklicherweise habe ich nicht zurückgeschrieben (lacht). Ich fände dies prima, aber Charlie, zwischen Amerika und Europa liegen dich ein paar Liter Wasser (lachend). Die Special-Guest ist so finanziell nicht machbar. Sollten wir in Amerika spielen, würde ich dies sofort machen. Die bestehende Truppe wurde bewusst so ausgewählt, dass sie in Hannover wohnt und jederzeit üben kann. Nicht wie früher, dass man sich drei Tage vor einer Tour traf und die Songs runter spielte. Nein, das wollte ich nicht mehr haben. Ins Eingemachte gehen und dies richtig!

MF: Was war wichtig für die neue Bandkonstellation…

Herman Frank: …dass sie gut trinken können (lacht). Christos (zweiter Gitarrist neben Herman) wurde mal gefragt, wieso kommt es, dass du zusammen mit Herman Gitarre spielst. Seine Antwort, ich saufe wie er (lacht). Die Wahrheit ist, dass er eine Klasse Gitarre spielt. Das passt einfach! Er bewegt sich toll auf der Bühne, hat eine coole Ausstrahlung und immer gute Laune. Der Bassist, Peter Pichel (ehemals Running Wild) kenne ich von der Herman Frank Band. Der macht einen pfundigen Groove, da kannst du dich draufsetzen. Sänger Jioti Parcharidis arbeitet seit Jahren mit mir zusammen und war bei den letzten Victory-Sachen im Boot dabei. Der singt einfach klasse. Darum kommt Fernando überhaupt nicht in Frage. Man kommt an ihn auch nicht ran, da seine Managerin in total abschottet. Was man so hört, ist er auch nicht mehr so fit.

MF: Und Schlagzeuger Michael Wolpers kennst du von Moon’Doc her…

Herman Frank: …Fritz hat die Anforderungen ein wenig unterschätzt. Auch wenn bei den Proben die Hütte gebrannt hat, war am nächsten Tag die Handmanschette wieder von Nöten. Da macht wahrscheinlich die Physis nicht mehr mit. Vielleicht ist seine Zeit nun auch vorbei. Herrgott seit über 40 Jahren trommelt er sich den Wolf und da muss man den Leuten auch zugestehen, dass sie sich nicht mehr so quälen müssen. Schade. Aber mein Kumpel Michael Wolpers ist sehr, sehr kurzfristig (lachend) eingesprungen. Wir hatten gerade eine Probe, sind dann ans „Rock Of Ages“-Festival gefahren und haben uns da durchgelogen. Aber zumindest so gut, dass eine Person einer Plattenfirma kam und mit uns eine neue Scheibe aufnehmen will. Michael ist aus Hannover und engagiert. So kann ich mich reinhängen und wieder mit Freude an die Sache herangehen. Es soll Spass machen. Wir spielen die Songs ein bisschen anders, mit mehr Freiraum. So tauchen auch ein paar Sessionteile auf. Die Mannschaft, die jetzt an Bord ist, zieht ganz gut mit.

MF: Michael hat auch bei Moon’Doc mitgespielt. Planst du auch da, diese Truppe zu reaktivieren?

Herman Frank: Nein. Wenn ich was Eigenes mache, dann die Herman Frank Band. Zwei Platten haben wir bis anhin veröffentlicht und die gefallen mir nach wie vor prima. Da bekamen wir zum Teil sich überschlagende Kritiken. Albums des Jahres, des Metals und auf die Fresse… So produziere ich und wollte es auch immer tun. Da gehört nicht immer Perfektion rein, sondern muss Ecken und Kanten haben. Wenn man eine Platte macht, muss man was erzählen. Der Fan muss das hören, spüren und fühlen und es muss rumpeln im Karton. Ohne grosses Keyboardintro… Das würde ich aber gerne mal machen, aber ich habe keinen Keyboarder… Das alles muss aus der Seele kommen. So mussten wir bei der Herman Frank Band überhaupt keine Kompromisse eingehen. Darum habe ich mich über die guten Kritiken gefreut und wirklich gut verkauft hat. In erster Linie mache ich diese Truppe für mich. Es ist auch kein Problem in drei Bands zu spielen. Das passiert ja immer abwechselnd (lacht). Bei keiner der Combos bin ich für zwölf Monate eingebunden. Ich würde ungern zu Hause sitzen wollen. Wenn es sich vereinbaren lässt kann man doch durchaus die Zeit sinnvoll nutzen. Die Stilrichtungen der Truppen sind Gott sei Dank auch ein bisschen unterschiedlich. Leider ist die Herman Frank Band etwas ausgebremst, da Rick Altzi bei Masterplan singt. Was ich ihm nicht übel nehme. Da kann er wenigstens live singen. Er hat einen super Job bei mir abgeliefert und dann ist es logisch, dass er andere Angebote bekommt. Da bin ich selber schuld, wenn ich ihn so antreibe (lacht). Rick möchte auch unbedingt noch eine weitere Herman Frank Scheibe einsingen. Darum, lieber Herr Grapow, erlaube es (lacht). Accept ist die Hauptband. Der Rest der Zeit möchte ich schon für meine eigene Qualität nutzen.

MF: Daneben darf man Poison Sun nicht vergessen, die Band mit deiner Frau Martina…

Herman Frank: …das tut mir so leid! Da ist es sehr schwer etwas Neues auf die Beine zu stellen. Das Album ist prima und ich unterschreibe es in Russland, China und wo auch immer. Die Leute freuen sich darüber und schreien alle: „Geil!. Wann gibt es was Neues?“ Da braucht es mehr Zeit (lacht). Ich kann aber nicht alle Jahre zwei Alben schreiben und komponieren. Das geht nicht! Ich hoffe, dass ich den eigenen Anspruch habe, bei einem neuen Album nur gutes Material zu veröffentlichen. Das ist bis anhin zum Glück auch so geworden. Müsste ich am Fliessband schreiben… Das würde nicht klappen und das Gefühl würde fehlen. Das wären eine Qual und eine Marterei. Es ist nicht ganz einfach, dass man sich beim Songschreiben nicht wiederholt. Und wer mehr als zwei Songs geschrieben hat, weiss wie schwer das ist. Das ist eine Herausforderung und wenn sie geschafft ist, ist das immer ein tolles Gefühl. Der Weg dahin ist echt hart.

MF: Wie hast du die Veröffentlichung der letzten Victory-Scheibe „Dont Talk Science“ miterlebt?

Herman Frank: Wenn ich ehrlich bin, habe ich nichts davon gewusst (lachend). Das Album haben wir dank Thomas Jensen, dem Wacken-Mann, aufgenommen. Er hat das Geld vorgeschossen und es war seine Platte. Zuerst sollte die Scheibe bei SPV rausgebracht werden, aber zu dem Zeitpunkt hatte das Label seine Schwierigkeiten. Somit lag das Album auf Eis. Ein Jahr lang ist nichts passiert und ich ging mit Accept auf Tournee. In San Antonio knallte es mich leider auf die Bretter und ich lag mit fünf gebrochenen Rippen und einer kaputten Lunge im Spital in Houston. Mit meinem schweren Atem, der sich wie ein starker Raucher anhörte (lachend) und in meinem Morphimdilirium ruft meine Frau an und fragt mich: „Weisst du von einer neuen Platte von Victory? Die haben neue CDs geschickt!“ Da kam diese Scheibe ohne mein Wissen bei ZYX raus. Das Kurioseste war aber, dass Tommy Newton in den Interviews verkündete, dass sich Victory nach dem Album aufgelöst hätten. Ich hatte davon keine Ahnung. Bessere Promo für eine soeben erschienene Platte kannst du nicht machen, oder (lachend)? Die Platte finde ich wirklich klasse. Das klang alles ein bisschen frischer, als bei den Vorgängern. Aber, wie schon bei den da, 80 % des Materials hab ich geschrieben. Komischerweise wusste ich aber nicht, wann die Scheibe rauskommt, weil keiner der Herren es für nötig hielt, mich zu informieren. Deswegen auch… Die Zeit zusammen ist vorbei.

MF: Welches war für dich die schönste und erfolgreichste Zeit zusammen mit Victory?

Herman Frank: „Culture Killed The Native“ und „Temples Of Gold“! Klasse! Da waren wir mit Gary Moore zusammen auf Tour. Sieben Wochen in ganz Europa und nur grosse Hallen! Dann haben wir im Wisseloord Studio in Hilversum aufgenommen. Das beste Studio in Europa und Gott sei Dank mit Albert Boekholt als aussenstehende Person produziert. Warum wir immer alles von Tommy produzieren lassen musste, habe ich bis heute nicht verstanden. Das waren damals schon geile Konzerte. Mit zum Teil 2000 bis zu 3000 Leuten… Da hat's gebrannt und das war die Hochzeit von Victory. Alle haben an einem Strang gezogen. Als wir dann später zusammen mit Metal Church um die Häuser getourt sind… Ich hasse es, wenn einer mit einer rotkarierten Schottenhose auf der Bühne steht (meint damit Tommy) und einer Wampe. Das geht nicht und da hört’s bei mir auf. Da war ich ziemlich angefressen und verliere die Lust. So nicht! Man macht’s richtig oder gar nicht! Ohne die innere Einstellung ist alles gefakt!

MF: Tommy und du wurdet als eines der besten Gitarrenduos abgefiert.

Herman Frank: Er spielt schon eine klasse Gitarre. In der Anfangszeit war noch der Pfeffer drin. Das wurde im Laufe der Jahre immer weniger. Irgendwann fiel mir auf, dass er seit fünf Jahren immer das gleiche Solo auf verschiedenen Songs spielt. Das fand ich ein bisschen langweilig. So gingen die Wege auseinander, da der Anspruch nicht mehr der Gleiche war.

MF: Was kam man von euch auf der kommenden Tour erwarten?

Herman Frank: Das ist eine kleine Tour. Accept, die gehen auf Tournee. Das verdient den Namen Tour auch. Was wir machen sind Club-Shows. Wo eine Steckdose ist, da spielen wir. Wir spielten in Nürnberg vor 250 Leuten. Klingt nicht nach viel, aber für eine Band, die so lange nicht da war, ist das ganz dufte. Das Publikum hatte ihren Spass und wir als Band waren richtig gut. Weil wir geübt hatten! Komisch, das hat geholfen (lachend). Da ist wieder frischer Wind drin. Neben den paar Gigs spielen wir auch bei „70‘000 Tons Of Metal“ mit. Da freue ich mich drauf und das wird bestimmt lustig. Wir freuen uns auf alle Konzerte und wir spielen in der Schweiz, am 07. Februar 2014 in Uster! Den Freiraum für solche Gigs muss ich erahnen, damit ich bei Accept frei bin. Bei den Konzerten steht die Freude im Vordergrund. Ich will mit dieser Band spielen, die Jungs wollen dies auch und es sollen einfach gute, unterhaltsame und tolle Konzerte werden. Zudem schreibe ich schon wieder an einer Platte, ich kann’s nicht sein lassen. Aber das dauert alles! Wir hatten zwei Angebote, die aber eine neue Scheibe bis März wollten. Das kann ich nicht und will es auch nicht. Jetzt bin ich noch mit Accept unterwegs, dann muss für die Tour geprobt werden und ich will kein halbgares Werk veröffentlichen. Das braucht seine Zeit und ich lass mich da nicht mehr unter Druck setzen. Ich will nicht nochmals ein Album wie Victorys „You Bought It… You Name It“ veröffentlichen. Alter, da sind zwei oder drei Lieder drauf (lachend), aber der Rest… Das war eine Phase, da war die Band kaputt und ausgebrannt. Um Musik hat sich kein Mensch gekümmert und wenn der Anspruch ist, dass du auf der Titelseite eines Magazins erscheinst, ist dies der falsche Ansatz. Und bei der „Voiceprint“ war ich ja nicht dabei (grinsend)… Es wäre mir das Allerliebste, wenn die anderen Jungs noch dabei wären. Aber bitte schön, keine halbherzigen Sachen, sondern mit voller Hingabe dabei sein. Dafür muss man aber auch was tun und üben und zusammen proben. Sonst wird’s peinlich.

MF: Dann freuen wir uns auf das Konzert in Uster!

Herman Frank: Wir uns auch und sind gespannt! Wir geben unser Bestes und ich freue mich auf Ricola (lacht).

MF: Bis dann mein Lieber, alles Gute und wir sehen uns!

Herman Frank: Ganz bestimmt und herzlichen Dank für dein Interesse und das Interview.