Interview: Unisonic

By Tinu
 
Michael Kiske und Kai Hansen frisch ineinander "verliebt".



Lange war es sehr still um den ehemaligen Helloween-Sänger Michael Kiske. Er war massgeblich für die grössten Erfolge der Kürbisse verantwortlich, stand doch seine Stimme im Mittelpunkt des Geschehens. Vieles wurde in letzter Zeit über Michael geschrieben, auch eine Story im Rock Hard, bei dem der Sänger schon fast als Metal-Hasser abgestempelt wurde. Nach der Supportshow für Edguy, sass mir der mit einem Kreuzbandriss kurz vorher aufgetretene Shouter gegenüber, um über die neue Supergruppe Unisonic zu plaudern. Michael, einer der nettesten Interviewpartner und weit weg davon, den Metal zu hassen. Aber einer der weiss, was er will und was er nicht will. Kai Hansen, der Gamma Ray Leader und ehemalige Helloween Gitarrist gesellte sich später zum Interview. Zusammen mit den Pink Cream 69-Muckern Dennis Ward und Kosta Zafiriou sowie dem Krokus Gitarristen Mandy Meyer wird das Line-Up dieser Hammertruppe vervollständigt, von der man garantiert noch sehr viel hören wird! Aber überlassen wir nun das Wort Michael und Kai, die kurz zwischendurch von Tobias Sammet unterbrochen wurden, der gerade eine Verschnaufpause seines Konzertes genoss…

MF: Ich bin noch immer geplättet von eurer Supportshow heute Abend. Wie wars für euch? Das war eine super Vorstellung!

Michael: Ja, das war gut, aber auch eine der lahmsten Shows. Viele sagen, das sei normal für die Schweiz, aber ich hatte meinen Spass. Auch wenn ich nur auf dem Stuhl gesessen habe. Bei einem Sprung vom Drumriser habe ich mir das Kreuzband gerissen. Am Ende von „I Want Out“! Richtig geil! Hab‘ mich dabei auch richtig erschrocken, das muss ich ehrlich sagen. Nach dem Sturz dachte ich mir schon, dass da was passiert ist. Ich wollte aufstehen, aber das Bein ging seitlich weg. Den Schluss des Songs haben ich am Boden liegend gesungen. Die Bandmitglieder dachten, es sei eine Showeinlage. Die hatten keine Ahnung, was passiert war. Auch einige Fans dachten, das gehöre zur Show (lacht).

MF: Wie ist es für dich, wieder auf Tour zu sein?

Michael: Das ist ganz schön. Das Wichtigste ist, dass man eine gewisse Routine entwickelt. Zu Beginn einer Tour bin ich immer nervös..., 2010, als wir mit Unisonic gestartet sind. Im Laufe der Zeit kriegst du dein Selbstbewusstsein zurück. Es beginnt Spass zu machen, weil es kein Stress mehr ist.

MF: Du hast super Musiker um dich, zwei sehr geile Alben veröffentlicht und profitierst sicherlich auch von den beiden Helloween-Scheiben („Keeper Of The Seven Keys“)…

Michael: …ganz klar.

MF: Möchte man da nicht nochmals so richtig durchstarten?

Michael: Auf jeden Fall! Ich erwarte vom dritten Album wirklich einiges. Das erste Album war einfach die Debütscheibe. Die zweite Scheibe ist meiner Meinung nach sehr stark! Da ist die Band wirklich dahin gekommen, wo wir am liebsten schon beim Debüt gewesen wären. Das muss aber einfach auch mal wachsen. Das dritte muss geil werden. Auch, dass wir dann eigene Headliner-Shows spielen können, zumindest in Deutschland. Das ist wichtig fürs Ego (lacht).

MF: Wie schwer ist es, all die Musiker zeitlich an sich binden zu können, da sie alle noch anderen Aktivitäten nachgehen?

Michael: Das ist eigentlich nur ein Problem bei Kai. Er ist nicht multitaskingfähig, ich aber auch nicht (lachend)! Macht er was mit Gamma Ray, erfordert dies schon ziemlich viel Zeit. Dieses Mal hat sich das auch überschnitten, darum hatte er nicht viel Zeit, sich bei „Light Of Dawn“ einzubringen. Hoffentlich ist dies beim nächsten Album anders. Bei den anderen ist das kein Problem, da die Band Priorität hat. Unisonic geniesst bei mir die erste und oberste Priorität. Alles andere wird dann gemacht, wenn die Zeit vorhanden ist.

MF: Wer hat die Songs des neuen Albums geschrieben?

Michael: Da muss man präzisieren. Viele glauben, dass die meisten Lieder von Kai geschrieben worden sind. Das stimmt aber nicht! Die hat nämlich alle Dennis komponiert. Er hat sich selbst total übertroffen. Persönlich fand ich seine Lieder schon immer geil. Dass er sich aber hinsetzen kann und Songs komponiert…

Tobias Sammet (hat eine kleine Konzertpause, weil Felix gerade sein Drumsolo spielt und betritt den Raum): …dass er sich überhaupt hinsetzen kann, ist schon ein Wunder!

Michael: …das ist schon mal geil (lacht)! Aber er schreibt Lieder im Stil von Kai… Alles frisch… Vielleicht ist das Album deshalb auch so frisch geworden. Für Dennis war das etwas Neues.

MF: Wie gefährlich ist es für dich, dass die ganzen Rufe nach einer Reunion mit Helloween wieder hochkommen, da der Sound von Unisonic schon gewisse Parallelen aufweist…

Michael: …die halte ich nicht für nötig! Persönlich kann ich es verstehen. Mittlerweile bin ich voll auf Friedenskurs mit den Helloween-Jungs. Ich bin mir sicher, dass wenn ich Michael Weikath (Gitarrist und Urmitglied von Helloween) das nächste Mal treffe, werden wir zusammen ein Bier trinken. Es reicht jetzt und ich habe keinen Bock mehr auf diesen Krieg. Ich habe mich genug ausgekotzt und es ist genug. Das Problem einer Reuniontour ist…

Tobias Sammet: …dass er nicht laufen kann…

Michael: …das ist das erste (lachend). Ne, dass Helloween schon seit über 20 Jahren einen anderen Sänger haben. Somit ist dies eigentlich eine ganz andere Truppe, die ein anderes Publikum hat. Das würde sich für mich echt ein bisschen komisch anfühlen. Mit Unisonic und mit Kai, können wir machen, was wir wollen. Wenn es entsteht, dann lassen wir das zu, dass Unisonic ein bisschen nach Helloween klingt, wie bei „Your Time Has Come“. Andersrum spielen wir auch Untypisches, das nicht zu Helloween passt. Aber es macht Spass, solche Nummern zu schreiben und zu spielen. Es gibt für mich keinen Grund, einer Helloween-Reunion, auch wenn ich verstehen kann, dass die Fans sich dies wünschen, die auf die „Keeper“-Alben stehen. Aber es ist komisch… Helloween haben nun mal einen Sänger, der wesentlich länger dabei ist, als ich es war. Ich war sieben Jahre bei Helloween. Das ist doch komisch?

MF: Aber es waren die erfolgreichsten Scheiben…

Michael: ..das stimmt. Die verkaufen sich noch immer sehr gut die „Keeper“-Scheiben. Die beiden Alben fand ich am besten und ich finde sie heute immer noch geil! Zu der Zeit hatte die Band in dieser Konstellation bestens funktioniert, mit der ganzen Chemie. So, wie es jetzt bei Unisonic der Fall ist. Auch wenn die heutige Show nicht gut war. Als ich noch laufen konnte, ging das um einiges besser.

MF: Du hast mal ein Interview fürs Rock Hard gegeben…

Michael: …JA!

MF: Das wurde damals auch hochgepusht, dass der Kiske den Metal nur noch scheisse findet…

Michael: …nö, das finde ich gar nicht…

MF: Inwieweit wurdest du da missverstanden oder missinterpretiert?

Michael: Ja, das haben viele auch ein bisschen so gedreht. Okay, ich habe da auch scharf geschossen, und so kam vieles zusammen. Ich war sehr enttäuscht, wie das mit Helloween gelaufen ist und welche Reaktionen dies hervorrief. Es ist bescheuert etwas hinzustellen wie: „Das klingt nicht wie Helloween und ist scheisse!“ Die Journalisten sollten ein bisschen anders an solche Dinge heran gehen. Da kamen viele Dinge zusammen. Schlussendlich ging es mir, nach damals, nur um die Sachen, die mich nach wie vor ankotzen. An der Musik- oder besser gesagt an der Metal-Szene. Das machen ja nicht alle, aber dieses Glorifizieren finde ich unmenschlich. Da habe ich stark was dagegen und werde auch immer mein Maul aufreissen. Wenn man Menschenverachtendes hoch hält. Wie können Bands das verantworten, wenn junge Fans sagen, dass es toll ist, ein Arsch oder ein schlechter Mensch zu sein? So eine Gesellschaft willst du nicht und ich auch nicht. Aber! Was mir fehlte, war der Kontakt zu den Fans. Kai war der Erste, der sagte: „Mensch, du musst mal wieder raus!“ Ich war so ein bisschen in meiner eigenen Welt gefangen. Dinge die ich sage, zu denen stehe ich auch! Aber die Wirklichkeit sieht doch sehr anders aus.

Die Metalfans, die ich seit 2010 treffe, sind alles andere als böse! Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Da bin ich Tobi auch sehr dankbar. Er war derjenige, der mich mit Avantasia so ein bisschen aus den eigenen Wänden rausgeführt hat. Das hätte besser nicht sein können. Da haben Kai und ich uns auch wieder gesehen und viel miteinander gesprochen..., ein bisschen ineinander verliebt (grinst). Aus diesem Grund ist er dann auch bei Unisonic eingestiegen. Zu den moralischen Dingen, die ich hochhalte stehe ich auch! Aber gewisse Dinge habe ich ganz klar zu einseitig gesehen. Jetzt differenziere ich auch. Es ist wichtig innerhalb einer solche Szene auch für etwas anders zu stehen. Es war auch, und das sage ich ganz ehrlich… Viel verletztes Herz. Helloween war mein Leben, das habe ich gelebt. Und plötzlich dreht sich alles um und ist scheisse. Verstehst du, was ich meine? Das ist nicht einfach, alles zu verkraften und letztendlich bin auch ich nur ein Mensch. Aber ich sage, was ich denke und werde mich auch nach wie vor nicht zurück halten. Nur weil die Leute es hören wollen, werde ich nicht Süssholz raspeln. Wenn ich dies nicht alles gemacht hätte, dann wäre ich heute nicht hier und würde mit dir dieses Interview führen. Deswegen bin ich auch relativ ausgeglichen. Ich habe nicht nur in mich rein gefressen, sondern es auch raus gelassen.

MF: Wie wichtig war Avantasia zur Entstehung von Unisonic?

Michael: Für Unisonic war Avantasia nicht wichtig. Aber dafür, dass Kai bei Unisonic spielt. 2009 hatte ich mich schon mit Dennis und Kosta getroffen. „Du machst Scheiben, die keine Sau interessiert, was hältst du davon, wieder mal eine richtig geile Band zu machen?“. Das war genau der richtige Zeitpunkt. Immer alleine, das machte keinen Spass mehr. Dann kam das Angebot für die Avantasia-Tour und die Chemie stimmte. Das alte Flair mit Kai passte und da wir nur einen Gitarristen hatten, kam eines zum anderen.

Kai: Es war superklasse, wieder mit Michi Musik zu machen. Wir haben auf der Avantasia-Tour schon gebrainstormt und sind zum Schluss gekommen, wieder etwas zusammen in Angriff zu nehmen.

Michael: Du bist mir so wichtig, und es ist echt geil, wieder zusammen in einer Band zu sein! Wir hatten die geilste Zeit zusammen mit Helloween, dann kam dieser Bruch und jetzt müssen wir dies noch zu einem geilen Abschluss bringen!

Kai: Danke! Ich freue mich, dass du wieder aus der Versenkung aufgetaucht bist, auf der Bühne stehst und das machst, was du wirklich gut kannst.

Michael: Gut, heute war das aber nicht so toll…

Kai: …ja, auch wir haben bessere und schlechtere Momente! Ich freue mich aber ein Loch in die Mütze.

Michael: Bei der ersten Scheibe hatte ich noch ein bisschen Sorge, weil wir zu lange am Material rumgekasperlt haben. Die Ideen waren alle sehr gut, aber wir kamen nicht zu Potte. Es benötigte den Kai, speziell in Sachen Bandchemie, um das Ding abzurunden. Obschon er fürs zweite Album keine Zeit hatte, sind wir als Truppe so gewachsen, dass alles so viel geiler geworden ist!

Kai: Für das Debüt war noch keine musikalische Richtung da. Auch nicht, wie weit du dich… Oder wo du überhaupt hinwillst. Was das werden soll? Das war völlig undefiniert. Ein paar Musiker, die wirklich gut sind… Als ich dann eingestiegen bin, haben wir zusammen echt Gas gegeben. Es rockte, war ein bisschen poppig, aber auch heavy. Aber definitiv nicht die Mucke, mit der wir bekannt geworden sind. Das war für mich sehr erfrischend, denn damit konnte ich mich mit Gamma Ray bestens abgrenzen.

Michael: Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die Kreativität innerhalb einer Band einfach läuft! Wenn du nur noch am rumstreiten bist…

MF: Ist für euch die Zeit stehen geblieben…

Michael: …beim Publikum habe ich das Gefühl, dass die wie mit einer Zeitmaschine zurückgewandert sind. Die Jungen stehen vorne, das Alter von damals und die Älteren stehen hinten (lacht).

Kai: Für mich gibt es nicht so einen nostalgischen Effekt. Ich hatte auch keinen Bruch und war konstant mit Gamma Ray dabei. Für mich ist es schön zu sehen, dass dieser Sound nicht kaputt zu kriegen ist und die Fans von älteren zu jüngeren mutieren (lacht). Wie ein Drachen mit vielen Köpfen. Hat man alle abgeschlagen, dann wachsen an einem anderen Ort wieder neue! Mit Gamma Ray und Unisonic haben wir ein bunt gemischtes Publikum. Da gibt es Leute, die immer da waren, ganz neue wie solche, die damals da waren und heute wieder da sind…

Michael: …und solche, die damals noch gar nicht geboren waren (lacht)…

Kai: …andere lernen erst jetzt wer wir sind und woher wir herkommen. Ich bin mit dem Glamrock aufgewachsen wie Slade, T. Rex oder Sweet. Erst später habe ich heraus gefunden, wo diese Truppen ihre Wurzeln her haben. Deep Purple, Led Zeppelin und so weiter. Mit „Ballroom Blitz“ konnte ich was anfangen, mit „Space Truckin'“ zuerst noch nicht. Ich hoffe, das geht den jüngeren Fans nun auch so.

MF: Wäre eine Tour mit Helloween eine Option?

Kai: Absolut! Es gibt ja schon viele Gerüchte. Für mich intern… Es gibt ja schon die eine oder andere Aussage, die gefallen worden ist. Bevor wir alt und dusslig sind und mit Alzheimer alt werden… Lass uns doch nochmal irgendwann eine geile Tour spielen. Mit Helloween, was es mal war und jetzt ist, ein ganz grosses Ding machen und um die Welt fahren. Von A bis Z alles durchspielen in einer drei- bis vierstündigen Show. Why not? Wir haben eine Chance dies zu machen, und wenn wir diese verschenken, bis wir alt und klapprig sind, dann sind wir ziemlich bescheuert.

Michael: Ich brauche das im Moment noch nicht! Da will ich zuerst mit Unisonic an einen Punkt gelangen, an dem ich weiss, dass es gut ist…

Kai: …genau! Dann kam man über sowas reden. Gamma Ray und Helloween sind gestandene Bands, Unisonic ist im Aufbau. Dann gibt es noch Roland mit Masterplan… Aber es gibt viele Kandidaten, die zu den grossen Helloween irgendwas beigetragen haben. Bringt man die alle in einen verdammten Sack und haut ordentlich mit dem Knüppel drauf, schickt sie auf Tour (lacht), schadet das doch niemandem und es gibt eine Menge Leute, die sich ein Loch in die Mütze freuen würden! Inklusive mir. So, und jetzt könnt ihr wieder alle total spekulieren, reden und sonst was. Es wird erst etwas geschehen, wenn was passiert!

Michael: Zuerst werden wir aber Anfang 2015 neue Songs schreiben. Dafür wollen wir uns Zeit lassen, um das Optimale raus zu holen, ohne Zeitdruck! Zwischenzeitlich werde ich eine Elvis-Platte einsingen. Etwas völlig anderes, aber das liebe ich und mache es sehr gerne. Dann folgt eine Kiske/Somerville und sollte ich mich nicht von Eggi anstecken, dann singe ich die in den kommenden zwei Wochen noch ein… Was schreit der Typ denn so (man hört Tobi Sammet während seines Konzertes im Backstageraum singen), wir machen hier ein Interview! Unverschämt (grinsend). Aber das Hauptding wird die nächste Unisonic sein!

MF: Dann freuen wir uns auf das, was kommen wird. Ich wünsche euch ganz viel Glück für die Zukunft und bedanke mich für das ehrliche Interview!

Michael: Wir danken dir!

Kai: Es war mir, wie immer, eine Freude Martin!