Interview: Trivium

By Oliver H.
 
Es geht auch ohne Soziale Medien.



Trivium – Lange war es still um Matt Heafy & Co. Überraschend und schnell, wie etwa das Corona-Virus über Europa, fegten dann plötzlich die vier Kalifornier unsere Gehörgänge durch. Zuhause und zur Knechtschaft verdonnert, war es eine willkommene Abwechslung, mit Corey Beaulieu von Trivium über ihr neues musikalisches Werk zu plaudern. Trotz schlechter Telefonverbindung reichte es für ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Gespräch mit dem Gitarristen der Band.

MF: Der Titel der neuen Platte ist «What The Dead Men Say»? Was bedeutet dieser?

Corey: Wir haben uns einfach hingesetzt und neue Songs gemacht. Einen Titel für die Platte hatten wir noch nicht, aber wie es ebenso ist mit dem Schreiben, auf einmal sieht man alles in einem grösseren Zusammenhang. Es ergibt ein gesamtes Bild, zu dem sich mit der Zeit auch der passende Titel heraus kristallisiert. «What The Dead Men Say» passt in die heutige Zeit! Es wird vieles gesagt, aber nicht gelebt. Es sind tote Worte, von "toten" Menschen. Der Titel hat dann schliesslich auch geholfen, dem Album einen roten Faden zu geben. Wir konnten uns als Band damit identifizieren und Songs, die noch nicht ganz ausgearbeitet waren, unter Berücksichtigung dieses Aspekts fertig stellen.

MF: Nach der letzten Tour hattet ihr eine offizielle Pause von zwei Jahren angekündigt. Es war wirklich still geworden und dann – Überraschung – die erste Single kam heraus. War das von euch so geplant?

Corey: Eigentlich nicht. Wir hatten nach der Tour wirklich Erholung nötig, und besonders Matt (Heafy, Sänger Gitarrist) wurde ja schon während der Tour abberufen, da er Vater von Zwillingen wurde. Wir spielten also die letzten Gigs ohne ihn, um im Anschluss wirklich die Beine hochzulegen. Wie es aber manchmal so geht, mit der Zeit für sich kommen auch die Ideen. So fingen wir schon bald an, uns Musikdateien hin und her zu schicken. Mitbekommen hat man nach aussen vermutlich nichts, da Trivium nicht eine Band ist, die alles was sie tut, in den Sozialen Medien postet. Wir haben keinen Bock, ständig Bilder aus dem Studio und Ausschnitte von den Aufnahme-Sessions zu präsentieren. Es erschien uns richtig, diesen Weg einzuschlagen.

MF: Mit «The Sin And The Sentence» habt ihr viele neue Fans gewinnen können, vielleicht aber auch einige der ersten Stunde für immer verloren. Worin siehst du den grössten Unterschied zwischen «The Sin…» und «What The Dead Men Say»?

Corey: Ich denke, die neue Platte knüpft ziemlich genau da an, wo wir mit «The Sin…» aufgehört haben. Wir haben uns für «The Dead Men…» nichts vorgenommen, sondern uns von den Gefühlen leiten lassen. Uns war es wichtig zu zeigen, dass viel Kraft in diesem Album steckt. Mit Kritik von aussen leben wir ja schon länger, und seit «In Waves» wurde sowieso jedes folgende Album ganz genau unter die Lupe genommen. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass wir doch noch eine Schippe "Härte" aufs neue Album gepackt haben. Gerade die Vocals haben den Grad des Klargesangs nochmals reduziert, weil es anders nicht gepasst hätte. Dass Fans auf so einem langen Weg auch teilweise verloren gehen, ist vermutlich normal. Es ist zum einen schade, zum anderen aber auch toll zu sehen, dass unsere musikalische Entwicklung auch positive Seiten hat und wir viele neue Fans für unseren Sound begeistern können. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Alben gar nicht so gross ausfallen, wie es zwischen anderen Veröffentlichungen schon der Fall war.

MF: «What The Dead Men Say» habt ihr an einer Schule aufgenommen? Was ist die Geschichte dahinter?

Corey: Oh… (lacht), das kam mehr oder weniger per Zufall zustande. Es ist eine eher künstlerisch ausgerichtete Schule, die sich in verschiedenen Abteilungen mit der Produktion von Spielen, Filmen und Musik befasst. Ich kenne Absolventen, die auch für «Game Of Thrones» oder ähnliche Projekte arbeiten durften. Das ist megacool. Ich selbst habe an dieser Musikschule meinen Abschluss gemacht, und sie liegt hier bei Orlando (Florida), ganz in meiner Nähe. Wir haben unsere Aufnahmen dort als Möglichkeit für die Studierenden bereit gestellt, Dinge direkt in der Praxis zu erfahren. Auch das Albumcover haben wir schrittweise mit den Studierenden vor Ort entworfen. Das war eine sehr tolle, inspirierende Erfahrung. Ein weiterer Pluspunkt dieser Session war auch, dass wir kaum von unseren Familien und Freunden getrennt waren. Die Aufnahmen fanden gefühlt im heimischen Garten statt, und es konnte auch einmal vorkommen, dass die Kids im Studio vorbei kamen. Gerade während den Aufnahmen sind wir als Band und Personen noch enger zusammen gerückt. So oft, wie während dieser Zeit essen wir normalerweise nie zusammen (lacht).

MF: Für die neue Platte habt ihr wieder mit Josh Wilbur zusammengearbeitet. Welche Qualitäten bringt er mit, und was ist seine Rolle bei Trivium?

Corey: Josh ist schon fast ein fünftes Mitglied von Trivium. Er spornt uns an und versucht immer das Beste aus uns heraus zu holen. Er bringt uns auf neue Ideen oder drängt uns teilweise auch fast dazu, Dinge auszuprobieren, an die wir nie gedacht hätten. Wenn wir uns allerdings im Anschluss gegen seine Vorschläge entscheiden, ist das absolut ok für ihn. Wir haben es probiert, und manches funktioniert und manches eben nicht. Er ist auch, was den Sound betrifft, experimentierfreudig. Josh weiss mittlerweile genau, wie Trivium zu klingen haben, aber trotzdem versucht er stets das Beste aus allen Instrumenten raus zu holen, ohne den gewohnten Sound zu sehr zu verändern. Josh und Trivium sind das "Perfect Match".

MF: Hatte diesmal auch Alex Bent (Schlagzeug) einen Einfluss auf die neue Platte? Er stiess ja während den «The Sin-Sessions» frisch zur Band und konnte damals nicht allzu viel beitragen.

Corey: Oh ja, ganz klar! Während und nach den Aufnahmen haben wir uns immer besser kennengelernt. Wir waren zusammen auf Tour und haben gesehen, was alles an Kreativität in Alex steckt. Sein Spiel ist frisch wie präzise, und er beherrscht viele Schlagzeug-Stile. Er hat ein sehr gutes Gespür dafür, was in einem Song passt und was nicht. Wir haben beim neuen Album dank Alex komplett auf die Arbeit mit Drum-Computern verzichten können. Er wollte immer alles und zu jeder Zeit eigenhändig einspielen. Er braucht das, um sich die Songs zu eigen zu machen.

MF: Sind dann also die Blast-Beats oder die Latino-Rhythmen bei «Sickness Unto You» zum Beispiel seine Beiträge?

Corey: Das ist ganz klar die Handschrift von Alex (lacht). Vermutlich hinterlässt er auch künftig vermehrt seine Spuren… (lacht)

MF: Hatte das Covid19-Virus negativen Einfluss auf die neue Platte, und was bedeutet die aktuelle Situation für die kommende Zeit bei Trivium?

Corey: Wir haben die Platte glücklicherweise noch im Oktober 2019 komplett aufgenommen und im Verlauf des Jahres fertig gestellt. Somit sind wir etlichen Verschiebungen gerade noch entgangen. Für die kommenden Konzerte sieht es schon böser aus. Auf die Spielpraxis hat die momentane Situation sehr einschneidende Auswirkungen. Wenn wir es genau betrachten, haben wir nämlich zwei Platten draussen, die wir noch nicht so oft live performt haben. Natürlich haben wir uns sehr auf die Gigs und Tourneen im Sommer 2020 gefreut, aber das muss nun erst einmal ruhen. Ich werde versuchen das Beste daraus zu machen und mich den Dingen zu widmen, für die ich normalerweise keine Zeit habe oder die ich bewusst hinaus schiebe (lacht). Verzweifeln bringt ja nichts. Die Situation ist nun mal so, wie sie ist.

MF: Gibt es noch etwas, das ich nicht gefragt habe aber wichtig zu wissen wäre?

Corey: Nun, eigentlich nicht. Ich würde einfach vorschlagen, dass du dich gemütlich mit unserer neuen Platte hinsetzt und dir ganz viel Zeit zum Anhören nimmst. Diese haben wir jetzt nämlich alle mehr als genug. Und wenn das ganz viele andere auch noch tun, dann passt das doch ganz gut (lacht laut)… bleib gesund, und ich hoffe, dass wir uns vielleicht auch einmal bei einem Liveauftritt persönlich treffen und reden können.

MF: Das wäre toll! Also, dann ist hiermit unsere Zeit abgelaufen. Ich danke dir vielmals für das offene und lustige Gespräch und bleib ebenso gesund!

Corey: Danke, du auch!