Interview: Testament
By Kissi
Normalerweise gilt ja die ungeschriebene Regel: Wurde eine Band einmal von uns interviewt, dann wird bis zur nächsten Veröffentlichung gewartet oder zumindest bis zu diesem Zeitpunkt, an welchem man wirklich wieder über etwas Neues schreiben kann. Testaments letzte Scheibe, das furiose Meisterwerk «The Formation Of Damnation» ist gut eineinhalb Jahre alt und schon im Juni des letzten Jahres stand uns Front-Testamentvollstrecker Chuck Billy Rede und Antwort dazu. Also kein Interview dieses Jahr mit den Thrash-Veteranen aus der Bay-Area? Denkste! Wer geschlagene 25 Jahre im Business ist und mit Alben wie «The Legacy» oder «The New Order» Metalgeschichte geschrieben hat, der weiss auch ohne eine neue Veröffentlichung einiges zu berichten und so begab sich Metal Factory an einem lauen Sommernachmittag ins Sounddock 21 in Dietikon. Empfangen wurde man von einem eher dicklichen Mann mit langen Haaren, eingekleidet in ein blaues Porsche-Hemd, Shorts und Flipflops. Darf ich vorstellen? Eric Peterson (EP), Gründungsmitglied, Rhythmusgitarrist und inoffizieller Bandkopf von Testament. Zu erzählen hatte der gutgenährte Riffmeister während dem gut 40 Minuten dauernden Gespräch jede Menge: Wie es so war, damals in den 80ern, in der legendären Bay-Area. Warum seine noch taufrische Siganture-Gitarre besser ist als diejenige von Dave Mustane und weswegen er nie daran gedacht hatte, Testament in den metalfeindlichen 90ern zu begraben. Dass es sich Metal Factory dabei nicht umhin kam, die Fühler in die Zukunft auszustrecken und nach dem nächsten Testament-Album zu fragen, versteht sich von selbst.

MF: Hallo Eric! Zuerst mal ehrlich: Nachdem ihr im März mit Judas Priest hier in der Schweiz wart, hätte ich nicht gedacht, dass ihr vier Monate später schon wieder kommt...


EP: Ja, wir touren viel im Moment. Eigentlich hätte ich mir ja schon eine kurze Pause gewünscht, aber es ist gut, gewollt zu werden und das muss man natürlich nutzen. Ausserdem konnten wir im Frühling ja nur eine halbe Stunde spielen, gerade mal sechs Songs. Jetzt können wir das ganze Set bringen und das ist schon cool.

MF: Das ist der zweite Termin eurer Sommer-Tour. Wie war der Kick-Off in Holland?

EP: Genial! Es war ausverkauft, die Leute waren super drauf... Holland war immer eines unserer Lieblingsländer, so etwas wie unsere Heimat ausserhalb der USA. Wir haben viele Freunde dort und ausserdem war Holland das erste Land in Europa, in welchem wir spielen konnten. Wir traten dort 1987 auf an diesem Festival...

MF: Dynamo...

EP: Genau, danke! Das war unsre erste Show ausserhalb der USA. Das spezielle daran ist, dass dieselben Leute, welche damals zu unseren Konzerten kamen, kommen heute immer noch. So sind sie heute so etwas wie unsere Familie. Sie kommen uns zuhause besuchen und bringen ihre Kinder mit. Das Komische war: Die Show war ausverkauft und die Venue eigentlich auch cool, aber wir hatten viele Probleme mit den Monitoren. Der Typ, der dafür verantwortlich war hatte nicht begriffen, dass man da einfach machen muss, was die Musiker ihm sagen. «Schraub die Gitarren hoch», «Ich brauch mehr Bass», solchen Kram eben. Der Typ aber dokterte irgendwie herum. Der Sound auf der Bühne war also schrecklich, aber die Leute haben das wohl nicht gemerkt, da wir dafür unseren eigenen Mischer dabei haben. Dass es für das Publikum gut klingt, das ist das wichtige. Es war halt die erste Show...

MF: Zuvor habt ihr eine ausgedehnte Headliner-Tour durch die USA gemacht, was schon lange nicht mehr der Fall war bei euch...

EP: Yeah, es war der Hammer! Wir haben eine US-Tour schon so lange nicht mehr als Headliner absolviert. Wir spielten in den letzten Jahren mal in New York, dann wieder in L.A. oder Chicago, aber wir fuhren schon so lange nicht mehr in einem Tourbus über längere Zeit durch die Staaten. Was wir auf dieser Tour zum ersten Mal gemacht haben, war ein V.I.P.-Package anzubieten. Diese Tickets kosteten zwar mehr, aber dafür kriegte man auch was geboten. So konnte man etwa eine meiner Signature-Gitarren gewinnen oder limitierte Versionen unserer Scheiben. Daneben kriegte jeder eine Tasche voll Merchandise. Überraschenderweise wollten ziemlich viele Leute diese Tickets kaufen, sodass wir jeden Abend mit 20 - 30 Leuten rumhiengen, die mit uns quatschen konnten etc. Natürlich kommen wir auch nach der Show noch raus, aber manchmal halt erst ziemlich spät. Es machte Spass, neue und alte Fans besser kennenzulernen. Ausserdem war es auch für uns als Band nützlich: Die Leute durften nämlich den Soundcheck miterleben und das zwang uns dazu, auch wirklich Soundcheck zu machen. Vorher waren wir manchmal - ich muss es ehrlich sagen - einfach zu faul dazu. Auf dieser Tour aber mussten wir und dabei spielten wir oft auch Songs, die wir später während der Show nicht zockten. Deswegen war das eine wirklich coole Sache, genauso wie die Tour.

MF: Auch speziell an dieser Tour war, dass ihr die Fans jeweils die Setlist des Abends bestimmen liesst. Setlist A war euer legendäres Album «The Legacy» (1987) + Best-Of, Setlist B war «The New Order» (1988) + Best-Of und Setlist C bestand aus einem Querschnitt aus eurer ganzen Geschichte plus neues Material. Woher kam diese Idee?

EP: Ich denke, die Idee stammte von den beiden speziellen Shows in London und Holland im Frühling. An diesen beiden Abenden spielten wir zuerst «The Legacy», dann «The Order»! All diese Songs in der klassischen Reihenfolge zu spielen, zuerst «Over The Wall», dann «The Haunting» und «Burnt Offerings», das hat einen riesen Spass gemacht. Es war einfach der Wahnsinn, als wir «Apocalyptic City» fertig gespielt hatten und Chuck rief: «Das war «The Legacy»!» Das Licht ging aus und das Intro von «The New Order» wurde eingespielt. Dieser Moment war echt riesig! Der Vibe war einfach magisch. Man konnte Gesichter im Publikum sehen, die strahlten und daran dachten, wie sie die Scheiben zuhause hörten. Diese beiden Abende hatten viele Erinnerungen zurückgebracht. Danach dachten wir: Warum sowas nur einmal tun? Was wir nicht wollten war, das eine ganze Tour lang so zu machen. Deswegen gaben wir den Fans die Chance, selber zu entscheiden.

MF: Und wie sah das Ergebnis aus? Welches Set hat insgesamt gewonnen?

EP: Das Haupt-Set hat immer gewonnen, Setlist C... Die Fans fanden die Idee wohl nicht so cool wie wir. Ein paar Mal war es ziemlich knapp und «The New Order» hätte es fast geschafft. Letzten Endes gewann aber immer Setlist C und um ehrlich zu sein: Es ist auch die beste der Setlists. Auch da hat es ja viele Nummern von «The Legacy» und «The New Order» drin, daneben aber auch Songs von «Formation Of Damnation» und andere Songs, die unsre Fans scheinbar mögen.

MF: Schon vor einem Jahr, behauptete ich, dass Thrash Metal wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat und beinahe wieder so gross ist wie in den 80ern, zumindest in Europa. Wie sieht es mit dem Thrash Metal Revival in den USA aus?

EP: Ich denke, ich würde nicht Revival sagen. Thrash Metal scheint mir heute wieder berühmt, da dieser Stil von allen Metal-Stilen einfach die meisten Möglichkeiten für einen Musiker wie für Fans bietet. Thrash ist melodisch, hart, aggressiv und gleichzeitig bombastisch und manchmal auch ziemlich anspruchsvoll. Wenn du zum Beispiel Glam Rock oder Metal anschaust, dann ist das einfach Glam. Eine Stimmung. Dasselbe bei Black Metal, ein Genre, dass ich zwar sehr schätze und einen starken Ausdruck besitzt, aber es ist eben einfach Black Metal. Thrash verbindet verschiedene Stile, verschiedene Gefühle. Viele Thrash-Bands haben ruhige Parts mit schönen Melodien und Gitarrenharmonien und nicht nur Geriffe.

MF: Vor einem Jahr habe ich darüber mit Rob Cavestani von Death Angel gesprochen. Seine Antwort dazu war: «Die Kids von heute haben ihre Metal-Hausaufgaben gemacht.»

EP: Yeah, genau das meine ich! Musikalisch gesehen ist Thrash Metal vielleicht der beste Stil für Metal, für Härte und Melodien. Das hat nun auch die Jugend wieder gemerkt. Gute Qualität setzt sich durch!

MF: Als eine, sagen wir, Ikone des Thrash Metal, als ein Mitglied der Gründer-Generation: Kannst du in einem Satz erklären, was Thrash Metal ist?

EP: Thrash Metal ist die Verbindung aller Metal-Stile in einem. Thrash Metal besitzt am meisten Härte, am meisten Melodie, am meisten Aggression. Thrash Metal ist einfach am meisten Metal! Thrash Metal ist 'the most'. Das ist witzig, denn 'the most' (am meisten) ist ein typischer Bay-Area-Ausdruck von 1987. Paul Baloff (Original-Sänger von Exodus, gestorben 2002 - Anm.d.Verf.) sagte immer: «that's so most!». Alle anderen sagten damals immer: «that's killer!», aber wir in der Bay-Area bezeichneten etwas als 'the most', wenn es uns gefiel. Wenn etwas scheisse war, dann hiess es: «that's the least». Also, um auf deine Frage zurück zu kommen: Thrash Metal is the most!

MF: Wie gesagt, der Thrash Metal ist zurück und es gibt viele junge Fans, wie mich, die damals, in den 80ern, nicht dabei waren. Wie war es damals? Wie entstand so etwas wie Thrash Metal?

EP: Als es begann, Anfang der 80er, da gab es Testament ja noch nicht. Ich war erst dabei, Gitarre zu lernen und eine Band zu gründen. Vorher war ich aber schon Teil der Szene und ging an Konzerte. Damals war die NwoBHM das grosse musikalische Ding. Judas Priest, Def Leppard, Iron Maiden. Diese Bands waren hart, schnell und natürlich der grösste Einfluss für Thrash Metal. Was sie aber hatten, das war dieser Look: Spandex-Hosen, gestreifte Leggins etc. Viele Bands damals vermischten diesen englischen Sound mit den New York Dolls. Ich denke das war damals der Anfang, dieser Mix aus Heavy Metal und Punk. Die Clubs, in die ich ging, dort spielten viele Punk Bands, wie etwa The Exploited. Nun spielten die Gitarristen aber plötzlich schnelles, anspruchsvolles Zeug und hatten lange Haare, während der Sänger und die Attitüde immer noch Punk war. So entstand wohl Thrash Metal. Ein Mix aus Heavy Metal und Punk. Plötzlich war dann da eine Band namens Exodus, hart, schnell, aber dennoch anspruchsvoll. Natürlich waren Metallica eigentlich die allerersten, aber sie kamen aus L.A., nicht wirklich aus der Bay Area. Dann wurden sie sehr schnell gross und spielten ganze Tourneen und kamen nur noch einmal alle zwei Jahre zu uns. Das ist eine gute Frage, denn manchmal vergisst man, woher man kommt.

MF: Und plötzlich gab es auch Testament...

EP: Wir alle waren einfach plötzlich alle da! Wie Gremlins, zuerst ganz brav, dann etwas Metal-Wasser und plötzlich gab es eine ganze Szene. Ich erinnere mich, dass ich bei einer Death Angel Show war, kurz bevor wir unsre Band gründeten. Sie waren irgendwie 13 Jahre alt oder so und ich dachte: «wow!» Dann gründeten wir uns und Alex (Scolnick, Lead-Gitarrist von Testament - Anm.d.Verf.) war gerade mal 16, ich 19. Wir waren alle verdammt jung und hungrig. Es war eine richtige Kettenreaktion: Zuerst Exodus, Possessed, Death Angel, dann wir und wir wurden irgendwie grösser. Dann gingen Exodus auf Tour und plötzlich waren wir zusammen mit Exodus die vorherrschenden Bands. Dann kamen Forbidden, Violence, Heathen, alle nacheinander in einer kurzen Zeit. Als wir nach «Practice What You Preach» zurück in die Bay Area kamen nach Touren, da gab es schon eine neue Szene, eine Art von Funk Metal. Ich stand nur da und fragte mich: «Was zur Hölle ist das?». Bands wie Psychefunkapus oder Mordred, welche schon Metal machten, aber mit viel Funk dabei. Es war komisch, aber auch cool, denn plötzlich hatte es viele Mädchen in den Clubs, was bei Thrash Metal leider nie so war, hahaha... Dieser Stil verschwand aber schon nach wenigen Monaten wieder, während Thrash den Test der Zeit bestanden hatte.

MF: Was denkst du, welche Bands sind die Nachkommen von Bands wie euch aus der Bay Area?

EP: Ich denke, viele Bands aus Schweden wurden von uns beeinflusst. Arch Enemy oder so sind verdammt gross und haben sich sicherlich auch unsere Scheiben angehört. Jedoch kam dazwischen noch der Death Metal, weswegen sie auch davon stark beeinflusst sind. Dabei muss man sagen, dass Death Metal natürlich wiederum stark von Thrash-Bands wie uns beeinflusst wurde. Aber auch später und heute gibt es jüngere Bands wie Municipal Waste oder Hatchet, die wirklich genau unseren Sound übernehmen. Ich denke da insbesondere an eine Band, welche mit uns zusammen auf der US-Tour spielten, Lazarus A.D. Die Jungs sind wirklich cool und haben einen verdammt starken Live-Sound. Ich weiss nicht, wie sie auf Scheibe klingen, aber live sind sie echt stark. Die musst du dir unbedingt ansehen, wenn sie in die Schweiz kommen.

MF: Seit einigen Jahren ist Testament zurück im legendären Line-up. Nach all den Wechseln in den 90ern wirkt ihr als Band stärker und vitaler als im letzten Jahrzehnt und auch erfolgreich. Warum? Warum funktioniert es gerade jetzt wieder?

EP: Ich denke, es hat auch vorher funktioniert. Wir haben einfach ein paar falsche Entscheidungen getroffen. Der Musikgeschmack der Masse änderte sich drastisch Anfang der 90er, als einfach alle auf Grunge standen. Es war ein Wechsel, der viele Bands unerwartet traf. Viele sprangen entweder auf den Zug auf und zogen sich auch Flanel-Hemden an, während andere sich auflösten, da keine Nachfrage mehr da war. Wir zogen einfach unser Ding durch, konnten zwar nicht mehr so viele Gigs spielen und waren weniger erfolgreich, aber wir hielten irgendwie durch. Ein aderer Grund für unser Durchhalten waren die verschiedenen Einflüsse durch andere Musiker in dieser Zeit. Mit Gene Hoglan (u.a. Drummer bei Dark Angel, Death, Strapping Young Lad - Anm.d.Verf.) zu jammen oder Dave Lombardo oder John Tempesta (u.a. Drummer von Exodus, Rob Zombie, The Cult - Anm.d.Verf.). Ich denke, Testament am Anfang, mit Louie Clementi war super, er ist einer meiner Brüder, aber sein Drumming war nicht so powerfull.

Paul Bostaph (Testament-Drummer, Ex-Forbidden, -Slayer, -Exodus - Anm.d.Verf.) war der erste, der nach Louie mit uns zusammenspielte. Drei Tage, bevor wir auf Tour gehen sollten, stieg Louie aus. Zuerst war Alex ausgestiegen und nun Louie. Wir dachten: «Fuck! Was sollen wir tun?». Für Alex hatten wir mit Glen Alvelais schon einen Ersatz. Paul aber war zu dieser Zeit noch bei Slayer, aber wir kannten ihn. Ausserdem wussten wir, dass er gerade die Drum-Tracks für die neue Scheibe von ihnen eingespielt hatte. Da wir auch wussten, dass Slayer im Studio ziemlich langsam sind, riefen wir Tom Araya an und fragten: «Hey, bevor wir Paul überhaupt fragen, würde es euch etwas ausmachen, wenn wir Paul fragen würden, mit uns zwei Monate auf Tour zu kommen?» Tom machte es nichts aus und wir trafen uns am Tag der Tour mit Paul und ich brachte ihm im Bandraum, während der Tourbus schon wartete, so viele Songs wie möglich bei. Ich glaube, wir schafften acht Songs und während der Reise trommelte Paul mit Kopfhörern die ganze Zeit auf seinen Beinen herum. Ich denke, an diesem Abend spielten wir 10, am nächsten 11, am übernächsten 12 Songs und immer so weiter.

Ich denke einfach, durch neue Einflüsse, insbesondere Schlagzeuger, wurde neues Leben in die Band gebracht. Ich denke, Ende der 80er wurden wir immer besser als Band und auch ich konnte immer mehr so spielen und Songs schreiben, wie ich mir Musik vorstellte. Mit neuen Musikern bekam ich neue Möglichkeiten. Mit Louie ging das nicht immer. Ich wollte ein «dschgdschgdschg» (klopft auf seinen Beinen einen Rhythmus zu diesem Sprechgesang) und Louie sagte: «Nein, ihr macht «dschgdschgdschg» und ich mach einfach «dschgdschgdschdschdschg»» (klopft einfacheren Rhythmus). Er wollte nie Doublebass spielen, da er es nicht so gut konnte. Mit anderen Mitgliedern wurden auch wir besser und vielseitiger. Ich denke, das erreichte seinen Höhepunkt mit «The Gathering» mit Dave Lombardo, wo man zwar uns hörte, Chuck und mich, aber vermischt mit neuen Einflüssen und insbesondere einem neuen, modernen, fetten Sound. Es gibt viele gute Gründe dafür, dass wir heute besser klingen, hahaha...

MF: Absolut! Das kann man ja etwa bei den neu aufgenommenen Klassikern auf «First Strike Still Deadly» (2001) gut nachvollziehen.

EP: Yeah! Dazu kommt, dass wir heute wissen, was wir wollen. Wir wissen heute, wie wir klingen wollen, Chuck die Vocals, ich die Gitarren, Paul die Drums. Wir haben eine klarere Vorstellung, weswegen wir auch selber mitproduzieren. Früher überliessen wir Soundfragen einfach den Produzenten und scherten uns wenig drum.

MF: Du bist der Gründer der Band und auch der einzige, der eigentlich immer voll dabei war...

EP: Nein, Chuck stieg auch nie aus...

MF: Stimmt, aber er musste wegen seiner Krankheit unfreiwillig eine Pause einlegen. Trotzdem bist du eigentlich die Konstante der Band vom Anfang bis heute, sozusagen der inoffizielle Boss. Hast du dir nie überlegt, während den schwierigen 90ern, die Band aufzulösen?

EP: Nein! Niemals! Ich hatte nie das Gefühl, dass Testament am Ende angekommen sind, da die neuen Mitglieder immer wieder auch neues Leben in die Band brachten. Ich glaube, dass, wenn wir damals im Original-Line-up weitergemacht und versucht hätten, durch diese harte Zeit zu kommen, dass es nicht funktioniert hätte. Wenn andere nicht ausgestiegen wären, dann hätte ich es damals vielleicht getan. Ich denke nämlich, wenn du über einen Zeitraum als Band mit den immer selben Mitgliedern Erfolg hast, dann wird es irgendwann schwierig, neue Impulse hereinzulassen. Man kommt aus einem gewohnten Denkmuster nur schlecht wieder raus. Mit den neuen Mitgliedern gab es einen Wechsel.

MF: Nach 20 Jahren Testament: Hast du eine andere Beziehung zu Testament? Siehst du Testament 2009 anders als 1989 oder 1990?

EP: Yeah, definitiv! Ich denke, als Band sind wir selbstbewusster geworden. Wir wissen, was wir können und wollen. Damals hätten wir zum Beispiel nie geglaubt, dass wir eine Ballade und ein harter, schon fast Death-Metal-Song in einem Set spielen könnten. Heute wissen wir, dass das geht, dass man eine gute Balance schaffen kann, und eine Prügel-Nummer wie «Demonic Refusal» und ein ruhigerer Song gut zusammen spielen kann.

MF: Denkst du, dass sich deine Rolle in der Band in den letzten 20 Jahren verändert hat?

EP: Oh ja, absolut! Ich hab die Band gegründet, aber damals war ich eigentlich einfach der Rhythmus- und Riff-Typ. Ich schrieb schon einen grossen Teil des Materials, aber ich hatte keine stärkere Stellung in der Band. Als dann in den 90ern Mitglieder kamen und gingen, da verlieh mir das mehr Gewichtung als Konstante. Heute hat jeder in der Band in etwa gleichviel zu sagen, aber ich denke, viel des Materials wird durch meine Vorstellung gefiltert, wie die Songs etwa strukturiert sein sollen oder welche Arrangements wir machen. Eine Art Produzenten-Rolle.

MF: Neben Testament hast du 2001 deine eigene Black-Metal-Band gegründet...

EP: Ich gründete sie 2000, im Jahr des Drachen.

MF: Was den Namen Dragonlord erklärt. Warum gerade eine Black-Metal-Band?

EP: Sicher hab ich nicht ans Geld gedacht, hahaha... Als ich Testament gründete hiessen wir ja noch nicht so, sondern Legacy und glaub es oder nicht, aber wir waren eher eine Black Metal Band. Nicht unbedingt soundmässig, wie Black Metal heute klingt, aber vom Image und Stil her. Wir orientierten uns stark an Mercyful Fate, Venom oder auch Angel Witch, welche zwar eher Heavy Metal waren, aber ein satanisches Image prägten. In 2000 schaute ich mir die alten Photos an. Schwarzweiss geschminkte Gesichter, lange Nietenarmbänder, Blut und Friedhöfe als Hintergründe. Da dachte ich: Yeah, eigentlich waren wir vor all den anderen Bands schon Black Metal. Immer, wenn ich das dann anderen Leute sagte, antworteten die mir: «Ok, kann schon sein, aber das musst du beweisen!» Als ich dann Bands wie Emperor, Dissection, Dimmu Borgir oder Old Man's Child Ende der 90er hörte, da wollte ich auch so etwas auch machen, meinen Wurzeln zuliebe. Ich wollte dabei den Stil, den ich spielen mit dem kalten, bombastischen des Black Metals mischen. So entstand Dragonlord.

MF: Wird es nach «Rapture» (2001) und «Black Winds Of Destiny» (2005) eine weitere Scheibe geben oder nimmt dich Testament total in Beschlag?

EP: Es wird eine neue Scheibe geben, welche im Winter fertig sein sollte. Heissen wird sie «Blasfomority of Sincere Death» (Name der Kompliziertheit wegen ohne Gewähr - Anm.d.Verf.) und vermutlich sollte sie Ende Januar oder Anfangs Februar rauskommen. Ich arbeite schon seit einigen Jahren an dem Material und sammle Ideen. Ich arbeite auch wieder an neuem Testament-Material, aber bei Dragonlord hab ich eigentlich schon alles, weswegen ich das im November vollenden will. Ich muss nur noch mit meinem Keyboardplayer zusammensitzen und dem Schlagzeuger. Die Sachen sind eigentlich fertig, sie müssen nur noch zusammengefügt werden.

MF: Anderes Thema: Dieses Jahr hast du deine eignene Signature-Gitarre von Dean bekommen. Fühlst du dich geehrt oder ist es einfach eine nette Sache für dich?

EP: Beides eigentlich! Ich betrache mich nicht als Gitarrenhelden wie etwa Michael Schenker. Ich denke, ich bin ein guter Gitarrist, insbesondere Rhythmus-Gitarrist. Die Leute, die Signature-Gitarren bekommen sind eher die auffallenden Lead-Gitarristen wie etwa Gus, Gus G. Von... von...

MF: Firewind!

EP: Genau! Gus oder Alex oder Michael Schenker, dass sind eher die Musiker, die Signature-Gitarren kriegen. Drum find ich es cool, dass auch ich als Rhythmus- und Riffgitarrist mit einem solchen Instrument geehrt werde. Nach dem Motto: «Hey, du spielst auch gut und schreibst dazu noch gute Songs!» Daneben find ich es gut, dass die Gitarre nicht zu exzentrisch gestaltet ist. Auf dem Körper ist der Totenkopf mit dem Pentagramm und auch als Nicht-Testament-Fan kann man die Gitarre cool finden, da es einfach cool aussieht. Richtig Heavy Metal eben.

MF: Daher auch das Wortspiel oder? Sie heisst «Old Skull», da sie auch «oldschool» ist!

EP: Und der Totenkopf, welcher drauf ist, ist ja das uralte Testament/Legacy-Logo! Es ist cool, dass ich dieses Zeichen mit dem Drachen verbinden konnte, welcher am Kopf oben ist. Daneben hatte ich ziemlich viele Freiheiten. Ich konnte meine Tonabnehmer drauf tun, obwohl sie eigentlich billigere verwenden wollten. Auch sonst konnte ich die Gitarre wirklich so modulieren, wie ich sie auch spiele. Es ist nicht nur ein Marketing-Gag. Gleichzeitig wollte ich sie auch nicht zu teuer machen. Deswegen verdiene ich auch nicht so viel daran. Sie sagten mir, ich könnte viel mehr Kohle machen, wenn ich die Gitarre für 1200 $ verkaufe, aber ich finde, für 700 $ inklusive Koffer bekommt man wirklich viel für sein Geld. Dann sagten sie: «Du solltest auch noch ein billigeres Modell machen». Dave Mustaine hat so eins gemacht. Ich nahm also so ein Ding in die Hand und sagte sofort: «Auf sowas kommt mein Name auf keinen Fall drauf!» Ich meine, er hat 2000 Gitarren oder so verkauft. Das ist eine Menge Kohle, aber ich kann mir nicht vorstellen, meinen Namen für ein Billigprodukt herzugeben. Ich will meine Signature-Gitarre ja auch selber spielen und nicht einfach dran verdienen.

MF: Was uns natürlich interessiert: Wie weit bist du mit dem neuen Testament-Material?

EP: Es gibt eigentlich noch gar keine ganzen Songs bisher, sondern einfach viele Ideen. Ich bin froh darüber, dass wir im Moment ohne Stress an neuen Ideen arbeiten können. Um ehrlich zu sein: Wir haben ein neues Studio, komplett umgebaut, mit neuem, fantastischem Equipment und wir verbringen viel Zeit damit, dort auszuprobieren. Dadurch, glaube ich, erhalten wir auch wieder neue Einflüsse und Ideen.

MF: Kannst du uns schon ein wenig mehr über diese Ideen erzählen? In welche Richtung geht das Ganze?

EP: It's gonna be more! The most, hahaha... Nein, ich denke, es wird noch härter, schwerer sein. Was ich gerne machen würde, was ich mir vorstelle: Ich will mehr Thrash-Songs im Stil von «The Formation Of Damnation», dem Titeltrack der letzten Scheibe. Nicht nur solche Nummern, sondern drei, vier vielleicht. Und etwas, was wir schon lange nicht mehr gemacht haben, wird sein, dass wir einen langsamen Songs aufnehmen wie «The Legacy» oder «Trail Of Tears» von «Low» (1994). Ich hab einen neuen solchen Track geschrieben und find ihn 'killer'. Ich denke, dass ist einer der besseren Songs. Die Nummer wird clean und melancholisch beginnen, nach dem härteren Refrain aber nicht wieder zurück ins Cleane gehen, sondern hart bleiben, ähnlich vielleicht wie in «The Ballad».

MF: Habt ihr schon ein Veröffentlichungsdatum im Auge oder ist das noch zu früh?

EP: Wohl zu früh! Wenn alles gut läuft, dann wird die Scheibe wohl im Mai oder Juni rauskommen.

MF: 2010?

EP: Ja, ich denke schon. Nach all dieser Zeit haben wir alle noch viele Ideen übrig, die wir irgendwie einfach noch nicht veröffentlichen konnten. Ich werde sicherlich auch alte Tapes nochmal durchhören, da ich eben noch viel Rohmaterial zuhause habe. Ich denke, «The Formation Of Damnation» ist eine Vorbereitung auf die nächste Platte. Wer diese Scheibe mochte, der wird unser nächstes Album garantiert lieben!

MF: Naja, die Wartezeit bis dahin hält sich ja noch in Grenzen.

EP: Yeah... Ich denke, wir haben unsre Fans neun Jahre auf «Formation Of Damnation», auf ein neues Album warten lassen. Das reicht wohl, hahaha...

MF: Stimmt... Welche Pläne haben Testament sonst noch für die nähere Zukunft? Wie sieht der Masterplan aus?

EP: Was ich persönlich denke: Wenn wir so erfolgreich sein wollen, wie wir jetzt sind, in diesem bescheidenen Mass, dann müssen wir einfach so weitermachen, wie wir es die letzten beiden Jahre getan haben. Wir werden möglichst viel spielen, an möglichst vielen Orten, möglichst viele Festivals. Dann werden wir wohl so weitermachen können. Falls wir dabei super-erfolgreich werden - cool! Ich mein, man weiss nie... Es braucht eine Nummer und du hast es vielleicht geschafft. Vielleicht können wir eine neue Version von «You've Got Another Thing Coming» schreiben oder so. Obwohl ich nicht weiss, ob ich das überhaupt will. Bei Testament ging und geht es immer um das ganze Album. Viele alte Bands, die hatten einfach einen saustarken Song und das Album als Ganzes konnte oft nicht völlig überzeugen.

MF: Werdet ihr in der nächsten Zeit auch wieder auf Tour gehen?

EP: Im September, denke ich, werden wir Südamerika und Japan bereisen und ich denke, obwohl das eigentlich noch nicht spruchreif ist, dass wir in Japan eine DVD aufnehmen werden. Diese wird dann wohl passend zu Weihnachten in den Regalen stehen. Das wird cool! Von Oktober an bis Februar werden wir aber nichts anderes machen als Musik schreiben und Aufnehmen.

MF: Kommen wir also zur letzten Frage, die ich immer stelle: Wo wirst du und/oder Testament in 10 Jahren stehen?

EP: Vermutlich werde ich genau dort drüben stehen (zeigt mit seinem Finger einen Meter von sich auf den Boden), hahaha. Nein, ich denke, wir werden das tun, was wir jetzt tun, denn es ist das, was wir lieben und ganz ehrlich: es ist das einzige, was ich wirklich kann. Ich weiss nicht wirklich. Gerade jetzt vergeht die Zeit so verdammt schnell! Als du vorher gesagt hast, dass ich das Ganze schon seit 26 Jahren mache, da überlegte ich schnell und fand dann raus: «Yeah, verdammt nochmal! Das stimmt!». Dieses Vierteljahrhundert war so schnell vorbei, also sollte ich die 10 Jahre, die jetzt kommen werden, gar nicht wirklich mitkriegen. 10 Jahre, das sind etwa zwei, vielleicht drei Alben.

MF: Hoffentlich drei bis vier neue Scheiben!

EP: Naja, von Album zu Album dauert es schon etwa drei Jahre. Du bringst die Scheibe raus, dann tourst du ein, eineinhalb Jahre lang und dann gehst du wieder ins Studio. Ja, vielleicht zweieinhalb Jahre...

MF: Hoffen wir einfach, dass noch möglichst viele Testament-Alben kommen werden. Eric, Danke, dass du dir soviel Zeit genommen hast.

EP: Thanks man! Ich hoffe, du kannst etwas von meinem Geschwafel brauchen!