Interview: Taking Dawn
By Roger W.
Ambitionierte junge Rock’n’Roll-Hard Rock-Bands gibt es wie Sand am Meer! Auch wenn diese Aussage stimmt, ist es immer wieder erstaunlich, mit welchem Enthusiasmus und Energie diese Gruppen am Werk sind. Dazu gehören auch Taking Dawn aus Las Vegas. «Time To Burn» heisst ihr Debüt-Werk, welches in den letzten Wochen in Europa über Roadrunner Records erschienen ist. Fast gleichzeitig hatten die Las Veganer Gelegenheit, im Vorprogramm von Airbourne ihren Sound unter die Leute zu bringen. Kein Wunder also, dass sich Gitarrist, Sänger und Komponist Chris Babbitt gerne Zeit für einen kleinen Schwatz mit Metal Factory nahm.

MF: Es tut mir leid, aber ich denke, dass noch nicht viele Leute aus der Schweiz Taking Dawn kennen. Wer seid ihr?

AR: Wer sind wir? Wir sind deine neue Lieblingsband, Baby! (zum zweiten Gitarrist) Ich bin gefragt worden, wer sind? Ist unser Album in der Schweiz bereits erschienen?

anderer Gitarrist: Ich weiss nicht.

AR: Ich weiss es auch nicht. Aber wir werden heute Abend draussen sein (Wortspiel, das nur auf Englisch funktioniert: Beeing Out kann als „rausgekommen“ bezogen auf die CD bedeuten, steht aber ebenfalls für rausgehen um zu spielen). Wir gehören zu den „***“ oder „***“… öhm… darf ich Fluchwörter benutzen?

MF: Nur zu, die Radiosendung wird erst nach 23 Uhr ausgestrahlt.

AR: Okay, cool!

MF: Also fluch so oft und viel du willst.

AR: Toll. Das mag ich. Ich liebe es zu fluchen. Ja wir sind eine neue Band und haben bei euch erst gerade unser erstes Album rausgebracht. Ich denke, wir sind nicht die neuste Band. Da gibt es bestimmt noch andere. Aber wir sind eine der neusten bei Roadrunner Records.

MF: Naja, doofe Frage. Aber fangen wir ganz vorne an. Chris, ich habe gelesen, dass du den Rock’n’Roll von deinem Vater kennen gelernt hast. Was denkt er nun darüber, wo er weiss, dass sein Sohn in einer Rock’n’Roll-Band spielt und durch Europa tourt?

AR: Er freut sich sehr darüber und ist stolz auf mich. Er ist wahrscheinlich die lauteste Person an unseren Shows. Er schreit immer nach Zugabe, wenn wir als Support unterwegs sind. Das bringt zwar nie was. Aber er schreit noch immer nach uns, wenn wir längst von der Bühne sind. Er ist sehr glücklich.

MF: In welchen Bands hast du den vor Taking Dawn gespielt?

AR: In keiner! Das ist unsere einzige Band.

MF: Wirklich?

AR: Ja, das ist meine erste Band.

MF: Cool. Und mit dieser ersten Band habt ihr bereits einen Vertrag mit Roadrunner ergattern können.

AR: Ja! Ich meine, es war nicht einfach, aber es hat geklappt. Ich meine, von 50 Bands nehmen die vielleicht eine unter Vertrag.

MF: Wie seid ihr denn zu diesem Vertrag gekommen?

AR: Wir hatten uns einige Nacktfotos von unserem AOR-Mann besorgt, welche seine Familie nicht sehen sollte. Uns so hat er uns sehr rasch unter Vertrag genommen, damit wir die Bilder sicher aufbewahren. Als wir unterschrieben haben, gaben wir ihm die Hälfte der Bilder. Und erst dann haben wir ihm die wirklich total schlimmen Fotos von ihm gezeigt, und jetzt können die uns nicht wieder feuern. (lacht)

MF: Klingt nett und wirkungsvoll. Ihr kommt aus Las Vegas. Viele Schweizer halten Las Vegas für den Mittelpunkt der Spielwelt. Wie ist es, dort zu leben?

AR: Es ist toll dort. Ich meine, ihr lebt ja hier in dieser Scheisskälte, bei der mir der Schwanz droht abzufrieren. In Vegas ist es viel wärmer. Und Vegas ist einfach unser Zuhause. Und all diese Lichter! Wenn du dort in ein Hotel gehst und da keine Spielautomaten stehen, stimmt was nicht. Und wenn alles um 12 Uhr oder wann auch immer schliessen würde, wäre das sehr, sehr ungewöhnlich.

MF: Wie schwierig ist es denn in Las Vegas für eine Rockband?

AR: Ich weiss nicht, wie schwierig es für eine Band in Europa ist, aber in den Staaten ist es sehr schwierig. Weil niemand interessiert es, ob du eine Band hast. Das Meiste was da noch geschieht, passiert online. Weil die Leute auch nicht mehr so oft an die Konzerte kommen. Es ist hart. Aber ich denke, es ist schwierig für jede Band, egal woher sie kommt.

MF: Gibt es viele Rockbands in Las Vegas oder stehen da alle nur auf Hip Hop?

AR: Nein, es gibt vor allem viele Deathcore Bands. Dann gibt es viele Indie Bands. Die Emo Bands sind irgendwie vorbei. Und auch sehr viele Arten von Thrash Bands. Aber nicht so viele Rockbands. Saint Rose und natürlich wir sind wirklich toll. Aber ich weiss nicht. Rock ist natürlich auch eine sehr schwierige Bezeichnung. Aber ich denke, dass wir eine Rockband und gleichzeitig eine Metalband sind. Oder dass wir eine Metalband und gleichzeitig eine Rockband sind, oder was auch immer. Es ist schwierig.

MF: Stimmt es, dass ihr in einer Reality-Show mitgespielt habt?

AR: Unglücklicherweise stimmt das, es ist wahr. Aber es war nicht so, dass wir eine Pool-Party-Show im Hard Rock Café hatten. Es war vielmehr so, dass ich zwar in der Show war, da aber nicht als Schauspieler mitgemacht habe. Die brauchten damals ein paar Sicherheitsmänner, deren Arbeit sie filmen wollten. Und da ich damals als Aufpasser arbeitete, war ich dabei. Eigentlich ging ich einfach meiner normalen Arbeit nach. Und so bin ich in der Show gelandet.

MF: Du hast also den Sicherheitsmann gespielt?

AR: Nein, ich war der Sicherheitsmann! Ich habe da nichts gespielt. Die sind mir einfach bei meiner Arbeit gefolgt und haben das mitgefilmt. Ich meine, was hätte ich dagegen machen sollen? (scheint sich zu schämen). Es gibt Momente, wo du keine Wahl hast, was du machen willst. Und das Filmteam bestand aus netten Leuten.

MF: Ihr habt bisher in Las Vegas gelebt. Wie ist es, in Europa auf Tournee zu sein?

AR: Es ist unglaublich toll. Es ist aber auch scheisskalt. Aber es war auch in Kanada kalt, von daher, ist es auch nicht so schlimm. Es ist wirklich schön, diese alten Geschichten in den Städten mit zu bekommen. Wir bekommen zwar nicht sehr oft die Gelegenheit, Dinge anzuschauen, darum sehen wir meistens einfach das Konzerthaus und seine unmittelbar Umgebung. Ich habe schon viel Gutes über die europäischen Frauen gehört. Wo sind die? Wieso sind die nicht hier?

MF: Im Sommer sind die schon hier.

AR: Also verstecken die sich im Winter.

MF: Ja, so ist es. Ihr solltet im Sommer wieder kommen.

AR: Meine Eier frieren bei der Kälte langsam ab. Und die Frauen kommen nicht. Grossartig (lacht).

MF: Gibt es unterschiede zwischen den Konzerthallen in Europa und denjenigen der USA und Kanada?

AR: Ja schon. Das Essen hier in Europa ist einfach spitze. Das Essen hier ist so viel besser als dasjenige in den Staaten. Dort gleicht es Hundefutter. Das Schlimme daran ist, dass es eher immer schlimmer und schlechter wird. Aber die Hallen sind in etwa gleich. Ich hatte sehr Respekt und auch ein wenig Angst vor Europa, weil viele europäische Bands mit denen wir getourt sind, nerven. Die dachten, sie wären besser und bekannter als wir und haben uns unterdrückt. Aber hier zu spielen ist cool, weil ihr hier richtige Paläste stehen habt. Wir haben in den Staaten an einigen wirklich üblen Orten gespielt.

MF: Welche denn?

AR: Das waren solche in Indiana, im Mittenwesten und Süden. Da stehen zum Teil sehr alte Konzertlokale, bei denen es sehr teuer wäre, diese zu renovieren. Es ist ziemlich abgefuckt.

MF: Und die geben euch nichts Gutes zu essen?

AR: Nein, leider nicht.

MF: Gehört gutes Essen denn nicht zu den grundlegenden Menschenrechten?

AR: Da siehst du es (lacht). Es scheint uns, dass gutes Essen für Europäer einfach dazu gehört. Das ist aber in den USA nicht so.

MF: Seltsam. Also wart ihr bereits mehrmals in den USA unterwegs?

AR: Ja, wir waren mit Trivium unterwegs. Mit Saliva, mit DragonForce und Sonata Arctica. Mit Lacuna Coil und All That Remains. Mit Theory Of A Deadmen und Halestorm. Und nun sind wir auf dieser Tour mit Airbourne.

MF: Wie kam es dazu, dass ihr mit Airbourne auf Tour konntet?

AR: Wir verfügen über tolle Konzertagenten und unser Label, bei dem auch Airbourne sind, hat uns sehr unterstützt. Und Roadrunner wollte uns unbedingt rausschicken. Aber am Ende liegt der Entscheid immer noch bei der Band, ob sie überhaupt und welche Touren sie unternehmen möchte. Wir sind also hier, weil das coole Leute sind. Ich danke jedem dafür.

MF: Also macht es Spass hier zu sein?

AR: Ja! Ich meine, ich könnte jetzt genauso gut zu Hause sein und meinem Scheissberuf als Sicherheitsmann nachgehen.

MF: Ihr trinkt nicht und nehmt auch keine Drogen. Wie arrangiert ihr euch mit Airbourne, die bekannt dafür sind, dass sie oft trinken?

AR: Wir haben eine gemeinsame Ebene gefunden. Es hat sich rausgestellt, dass wir alles Pussys sind. Es kommt für uns wirklich nicht darauf an, ob jemand betrunken ist oder nicht, solange er nach Mädchen Ausschau hält. (Pause) Welche wir bisher aber nicht gefunden haben (lacht).

MF: Verbringt ihr denn auch eure Freizeit mit Airbourne oder sind das einfach zwei Bands, die miteinander touren, aber sonst beide für sich sind?

AR: Nein, Airbourne sind wirklich tolle Jungs mit denen wir auch viel zusammen sind. Klar, sind die meistens ziemlich beschäftigt. Aber wenn sie mal frei haben, geben sie uns nicht das Gefühl, dass sie sich ab uns nerven und von uns abschotten wollen. Wir sind oft zusammen. Justin (Street, Bassist) hat mir erst neulich seine Bilder gezeigt. Das sind wirklich gute Sachen. Es ist viel besser, als wenn ich das versuchen würde.

MF: Kommen wir zum neuen Album. Es klingt für mich nach alter Schule aber gleichzeitig irgendwie frisch. Wie habt ihr die Songs geschrieben?

AR: Meine Lieblingsbands sind all diese Klassik-Gruppen. Viele dieser Bands kommen aus den späten 70er und 80er Jahren. Und frühen 90er. Diese ganze Zeit kann man als unser grösster Einfluss bezeichnen. Die ganze New Wave of American Heavy Metal und die neuen Thrash Bands sind von den schwedischen und finnischen Bands beeinflusst und haben diese mit dem Bay Area Thrash gemischt. Darum können wir auch nicht wie diese Bands klingen. Und so entsteht unser Sound. Wir hören oft Ozzy, Iron Maiden, Def Leppard und fuckin Guns’n’Roses, und die Musik kommt aus uns raus. Man kann bei uns aber auch teilweise Queen raus hören, oder auch die Scorpions.

MF: Hattet ihr denn eine Art Plan oder habt ihr einfach das geschrieben, was euch in den Sinn gekommen ist?

AR: Wir hatten keinen Plan und haben einfach das geschrieben, was gerade rausgekommen ist. Das ist auch der Grund, wieso wir gerade so klingen. Die Songs besitzen alle starke Gitarren und grosse Gesänge. Aber ich nehme mir nicht vor, bestimmte Arten von Songs zu schreiben. Das passiert einfach.

MF: Ich habe gelesen, dass du den Sound und die Attitüde von Bon Jovi und Skid Row zu den Kindern zurück bringen möchtest. Ist es nicht schwierig, einerseits sich selbst zu bleiben, und anderseits diese Attitüde von anderen zu verbreiten?

AR: Ich weiss nicht genau, was du meinst. Weil die Attitüde die wir leben, das sind 100 Prozent wir selber. Wir möchten da auch niemanden kopieren, sondern einfach uns selber sein. Zum Teil sind wir wirklich Dickköpfe. Aber das ist okay. Es ist nicht so, dass wir den Bon Jovi- und Skid Row-Sound unter die Leute bringen wollen, sondern mehr, dass wir diese Elemente einbinden möchten. Gleich neben denjenigen, welche wir von Megadeth und Iron Maiden haben. Ich mag diese Balance dazwischen. Nicht viele haben diese Heavy-Thrash-Teile in ihrem Sound zusammen mit dem Rock kombiniert. Wir versuchen, eine eigene musikalische Identität zu entwickeln. Viele Kinder und Jugendliche kennen diese Bands nicht mehr. Ich meine, vielleicht kennen sie noch Guns’n’Roses, weil es eben Guns’n’Roses sind. Aber wir können da nichts kopieren.

MF: Heute lernen die Jugendlichen diese Bands über Spiele wie «Guitar Hero» kennen. Wurdet ihr da schon für einen Song angefragt?

AR: Bisher noch nicht. Es wäre aber toll. Aber ich möchte da auch niemanden dazu drängen.

MF: In einem Song singt ihr: „Der einzige Gott den es gibt, seid ihr selber.“ Wie waren die Reaktionen in den USA auf dieses Statement?

AR: Ich weiss nicht. Es gibt ja so viele verschiedene Götter in Amerika. Das macht Amerika auch so grossartig. Aber wie waren die Reaktionen darauf? Ich weiss nicht, denn niemand hat bis jetzt darauf reagiert. Die kümmern sich mehr um das „Hallo-fuckin-lulja“-Ding. Die hören nicht genug genau zu, um da wirklich darauf reagieren zu können und dass es ihnen auffallen würde. Ich meine, religiöse Leute können Gott durchaus in sich selber finden und diejenigen, die nicht an Gott glauben, finden die Existenz einer Gottheit wohl ebenfalls in sich selber. Und das ist auch der Grund, wieso sie nicht an ein allwissendes Wesen glauben. Aber der Satz kann auf verschiedene Art und Weise interpretiert werden, was auch der Sinn der Sache ist. Aber ich denke, dass die meisten Leute gar nicht über das Gesungene nachdenken.

MF: Wir sind fast am Ende. Was müssen wir noch von euch wissen?

AR: Bringt mir Schweizer Mineralwasser!