Interview: Sonata Arctica
By Rockslave
Dass Finnland ein generell gutes Pflaster für Heavy Metal ist, dürfte mittlerweile bald jedem Fan bekannt sein. Während es bei uns recht selten vorkommt, eine Rock- oder Metal-Band in den Charts auftaucht, so ist das im hohen Norden oben längst zur Gewohnheit worden. Dieses Jahr stand/steht bisher natürlich ganz im Zeichen von Nightwish, aber Sonata Arctica haben sich hartnäckig an ihre Fersen geheftet. Lohn dieses Einsatzes war bislang der (finnische) Chart-Sieger "Don't say a word", ein sehr eingängiger Melodic Speedster, der vorab auf einer 4-Track Mini-CD veröffentlicht wurde. Und kaum ist das Album "Reckoning night" draussen, kommt die Kunde aus Japan, das man dort wiederum den ersten Platz bei den Import-Künstlern bekleidet! Und mit Sicherheit wird es auch in der Heimat ordentlich abgehen. Dem nicht genug, haben Sonata Arctica auch in der Schweiz mit Platz 85 die Top-100 geknackt. Von Sänger Tony Kakko wollte ich deshalb in Erfahrung bringen, was dieser Erfolg für ihn und die Band bedeutet und welchen Stellenwert Nightwish für Sonata Arctica haben. Daneben entpuppte er sich (trotz dem Umstand, dass ich an diesem Abend als Zwölfter und letzter Journalist des Tages dran kam!) als überaus sympathischer und heiterer Gesprächspartner. Umso mehr, als er mich zuerst zu früh (!) anrief und darob über sich selber lachen musste. Zum Zeitpunkt des Interviews war das neue Album "Reckoning night" übrigens noch nicht veröffentlicht. Inzwischen fand die Show am 30. Oktober in Basel statt und alle, die dabei waren, werden diesen Abend so schnell bestimmt nicht mehr vergessen!

MF: Eure neue Single "Don't say a word" kletterte bis auf den ersten Platz der finnischen Charts. Was bedeutet das für dich und die Band?

T: Das ist natürlich etwas ganz Wunderbares, wir haben uns sehr darüber gefreut! Als wir es erfuhren, war es uns echt ums Rumhüpfen... (lacht) - obwohl überrascht waren wir nicht, da wir ja mit der "Victoria's secrets"-Single (vom Album "...") in der ersten Woche auf Platz Zwei kamen und danach zwei Wochen auf der Eins standen. Gut, wir erwarteten schon eine Platzierung unter den ersten Drei und wurden nun angenehm überrascht.

MF: In der Tat klingt "Don't say a word" mindestens "etwas" nach dem aktuellen Nightwish-Material. Wurdet ihr von ihnen beeinflusst?

T: Nun..., ich hatte diesen Song bereits zu dem Zeitpunkt geschrieben, als wir noch am Aufnehmen von "Silence" (2001) waren (lacht). Ich bin mir nicht sicher... (wegen dem Beeinflussen)- natürlich klingt es etwas danach, aber ich war mir dessen nicht bewusst (lacht weiter). Zudem war es so, dass ich mir das neue Nightwish-Album erst angehört habe, nachdem wir unsere Aufnahmen abgeschlossen hatten. Ich brachte nicht genug Mut auf, dieses vorher an zu hören, da ich um die gute Produktion und das Spezielle ansich wusste. Deshalb sagte ich mir, wenn ich es jetzt fertigbringe, "Once" nicht rein zu ziehen, werde ich unser eigenes Ding fertig stellen können!

MF: Ich kenne (und mag) Sonata Arctica seit "Ecliptica", der ersten CD. Eure Musik wird von fantastischen Melodien dominiert. Wie schwer ist es, diese so komponieren zu können?

T: Das ist eigentlich eine natürliche Angelegenheit und nicht schwer. Ich weiss nicht..., vielleicht habe ich eine Art Talent dafür. Melodien waren für mich seit jeher das Wichtigste in der Musik und sind deshalb präsent.

MF: Das Line-Up der Band hat sich seit den Anfangstagen verändert und nun seid ihr zu fünft. Wie würdest du Sonata Arctica Anno 2004 beschreiben: Stärker als je zuvor?

T: Yeah..., wir sind wie Brüder. Die Stimmung in der Band ist so gut wie noch nie und auch live rocken wir mächtig ab. Ich denke, im Moment sind wir besser als je zuvor. Zudem sind wir ja eine junge Band, haben erst vier Alben draussen und noch einen langen Weg vor uns.

MF: Was ist der Hauptunterschied zwischen heute und den Anfangstagen als Band, wenn du eure History und die Musik-Szene generell betrachtest?

T: Der Unterschied zwischen dem ersten und dem letzten Album..., nun, wir haben mit jedem Album einen etwas dunkleren Weg beschritten, wennauch nicht dramatisch, aber doch stetig. Es passiert(e) da etwas..., also das erste Album war noch stark von Stratovarius beeinflusst. Deshalb wurden wir auch von vielen Leuten nur als "kleine Stratovarius" bezeichnet, wofür es keinen Grund mehr gibt, da wir mittlerweile unseren eigenen Weg gehen. Das Gute dieser Entwicklung, den Lineup-Wechseln und allem anderen ist so oder so, dass zwischen dem ersten und letzten Album ein roter Faden besteht. Auch nach allem, was geschehen ist, reden wir immer noch von der gleichen Band. Zu Zeiten von "Ecliptica" war mein Gesang zwar seit einigen Jahren live-erprobt, aber überhaupt nicht geschult. Nun haben wir viel getourt und ich habe dabei meine eigene Art des Gesangs gefunden. Früher, von Stratovarius beeinflusst, versuchte ich so wie Timo Kotipelto zu singen und merkte dann aber, dass dies nicht meinem Naturell entsprach. Aber nun singe ich besser als je zuvor und auch die Bandbreite hat sich entsprechend vergrössert. Ich bin sehr glücklich darüber!

MF: Lass und zu den neuen Songs zurück kehren! Auf der EP (Mini-CD) hat es zwei weitere Cover-Versionen. Das sind nicht die Ersten. Wie habt ihr all diese ausgewählt und was ist schwieriger: Einen Cover-Song zu arrangieren oder einen eigenen, neuen Song zu kreieren?

T: Ähmm..., es ist sicher einfacher, einen bestehenden Song einer anderen Band zu wählen und den dann zu covern, gleichzeitig auch schwierig, nicht einfach eine Kopie des Originals zu machen. Dann lässt man es besser sein. Wie wir unsere Cover-Songs wählen..., als Erstes müssen wir vor allem die Band und ihren Song mögen. Des Weiteren muss er gefühlsmässig zu uns passen und nach Sonata Arctica klingen..., wie bei einem eigenen Stück. Ich glaube, wir haben immer einen Weg gefunden, verschiedene Interpreten wie Metallica ("Fade to black"), Iron Maiden ("Die with your boots on"), aktuell Depeche Mode ("World in my eyes") oder Bette Midler ("The wind beneath my wings" - lacht) zu interpretieren! Gerade diesen Song hörte ich überaus gerne und mochte ihn schon sehr lange. Deshalb wollte ich ihn unbedingt machen und so einem komplett neuen Publikum erschliessen. Und die Leute lieben ihn wegen seiner Aussagekraft und dem lyrischen Tiefgang.

MF: "World in my eyes" ist ja ein alter Depeche Mode Song. War es einfach, die Erlaubnis dafür zu kriegen, diesen verwenden zu dürfen?

T: Also..., (lacht anhaltend) - bisher gab es für unsere Plattenfirma eigentlich überhaupt keine Probleme damit. Wir haben soweit noch jeden Song gecovert, den wir wollten und das Label war um "legalen Stoff" bemüht. Deshalb hat uns bislang keiner gesagt, dass wir es nicht hätten tun dürfen. Wenn wir nun einen Cover-Song einer bekannten Band oder eines berühmten Artisten wie zum Beispiel Michael Jackson machen würden und der nach der Veröffentlichung nicht damit einverstanden wäre, kriegen wir dadurch ordentlich Werbung ab (lacht befreit)! Das war noch nie ein Problem..., zudem wäre ich glücklich und stolz darauf, wenn jemand anders einen Sonata Arctica Song covern würde. Was den DM-Song angeht, so wählten den Jani und ich aus. Wir wollten ihn schon für "Winterheart's guild" verwenden, hatten aber keine Zeit damals. Nun haben wir ihn gemacht und für den Rest der Band ist es die bisher abgedrehteste Wahl unserer ganzen Karriere! Sie hörten das Original aus den 80ern zum ersten Mal und fragten sich, wie wir auf sowas kommen. Als damit wir damit anfingen und die Gitarren und den Rest beifügten, hörte es sich immer besser an, machte Spass und nun mögens die anderen auch.

MF: Werdet ihr "World in my eyes" auch live spielen?

T: Ich denke nicht..., ausser, wenn es ein Hit würde...

MF: ...so als dritte Zugabe vielleicht?!

T: He, he, he..., yeah! Aber ich glaube im Moment ist es nicht vorgesehen.

MF: Ich habe den Eindruck, um abschliessend nochmals auf "World in my eyes" sprechen zu kommen, dass da zwei Lead-Stimmen vorhanden sind. Eine von ihnen klingt exakt nach Andrew "Mac" McDermott von Threshold! Hat es hier wirklich Guest-Vocals drauf?

T: Nein, nein, nein..., das stammt alles von mir! Vielleicht ein kleiner Teil des Solos bei "Wildfire" (Album-Track), aber eigentlich höre ich nichts, was nach Threshold klingt. Als ich den Song ein paar Leuten einfach so vorspielte, kamen sie nicht darauf, wer das nun wirklich ist. Es ist vielmehr so, dass ich in unterschiedlichen Lagen singe. Ich liebe es, mit meiner Stimme zu "spielen", respektive verschiedene Stile zu versuchen. Das Umfeld ist dadurch manchmal etwas vor den Kopf gestossen. Für mich ist es aber wie eine Art des Schauspielerns.

MF: Das heisst, wir hören also 100% Tony...

T: ..., ja, absolut!

MF: Am 11. Oktober wird das neue Album "Reckoning night" veröffentlicht. Was können wir, die Fans von ihm erwarten?

T: Nun..., es wird euch sicher überraschen! Es hat, nebst der verwendeten Hammond Orgel, ein paar heisse Sachen drauf. Wir haben unseren Stil ein wenig geändert, fettere Chöre und eine umfangreichere Orchestration eingesetzt, vergleichbar mit Nightwish. Alles ist grösser und klingt meiner Meinung nach einfach besser! Aber man hört immer noch Sonata Arctica...

MF: Für die nächsten paar Konzerte spielt ihr den Support von Nightwish, eine zur Zeit sehr populäre und erfolgreiche Band. Könnt ihr für euren eigenen Erfolg von dieser Konstellation profitieren?

T: Es kommen so viele Leute, um Nightwish zu sehen, die noch nie was von uns gehört haben! Sie spielen grosse Shows, allein in Hamburg kamen 12'000 Fans..., das ist unglaublich, vor so einer Kulisse zu spielen. Die hohen Verkaufszahlen (von Nightwish) in Deutschland sind ein klares Zeichen dafür, dass nicht nur Heavy-Fans (die tun es sowieso), sondern sich vermehrt auch "Nicht Metal-Fans" im Publikum befinden. Das ruft uns auf den Plan, denn wie haben einige Balladen am Start und nicht nur den harten Stoff. Vielleicht mögen sie uns deswegen ein wenig, kommen so auf den Geschmack und kaufen auch andere Metal-Alben. Ich kann dir, als Beispiel, die Geschichte eines Schweden erzählen, der zuvor eigentlich nur auf Hip-Hop und Rap stand. Dann hörte er einen Song von uns und "klick", fiel der Zwanziger runter! Er fand Gefallen an uns und kaufte weitere Alben. Inzwischen hat er sich auch Metallica und Iron Maiden zugelegt, ein echter Wandel. Und so arbeiten wir daran, eine Art Zugang im Sinne eines Gateway's zum harten Metal zu sein, da wir auf unseren Alben stilistisch sehr variabel sind.

MF: Mein "Klick" fand vor über 25 Jahren statt..., ich bin jetzt 40... (lache)

T: (lacht auch) ... bei mir war es 1997, als Stratovarius "Visions" veröffentlichten, als es "Klick" machte, dabei mochte ich "Episode" (den Vorgänger von 1996) zuerst überhaupt nicht, aber nachdem ich sie live gesehen hatte, kaufte ich mir am Tag darauf auch dieses Album und liebte es fortan sehr..., es ist toll!

MF: Eine Art der (Vorwärts-) Entwicklung...

T: ...yeah! Ein angenehmes, unbeschwerliches "Klick".

MF: Am 30. Oktober werdet ihr in Basel spielen. Was weisst du über die Schweiz und warum wir dein Heimatland (Finnland) auch besuchen kommen?

T: Wir spielten bisher zwei Mal in der Schweiz..., in Pratteln... und..., es kamen viele Fans auch verschiedenen Ländern ind Schweiz..., einem ja nicht sehr grossen Land. Es ist immer ein wenig für sich, aber es kommt trotzdem ein internationales Feeling auf. Die Halle in Pratteln ist etwas abgelegen, deshalb bewegten wir uns nicht gross. Ich hoffe aber, mal mehr als das aus dem Fernsehen, Filmen, Postkarten und so weiter vor eurem Land zu sehen. Es freut mich, wieder dahin zu kommen. Basel..., ein neuer Ort, eine neue Stadt..., toll! Aber ihr..., warum solltet ihr nach Finnland kommen? Hmm..., wir haben viel unberührte Natur und eine andere Art Landschaft. Nette Leute..., etwas verschlossen vielleicht (lacht)..., wenn wir zu viel trinken, dann reden wir wohl zuviel (lacht laut). Wir haben hier in Finnland sehr harte Winter, deshalb ist es idealer im März, als so um den Frühling herum zu kommen. Oder nach Lappland mit seinen Skigebieten, eine andere Seite von Finnland. Dann die Sommer bei uns, die sind speziell, da die Sonne praktisch 24 Stunden scheint. Für mich nichts Ungewöhnliches, da ich hier aufgewachsen bin. Wenn man dann aber im Sommer mal nach Italien oder so kommt und es Nacht wird, dann ist das schon sehr komisch für mich.

MF: Im Frühling dieses Jahres traf ich Tuomas und Jukka (von Nightwish) zu einem Interview in Zürich. Sie waren dort von einer einheimischen Biersorte sehr angetan. Was würdest du nach Hause mitnehmen wollen?

T: Ha..., was würde ich..., hmm..., schwierig zu sagen (lacht)! Das Publikum (lacht abermals  herzlich)! Ich weiss nicht.., vielleicht eine Uhr, eine gute Anschaffung.

MF: Letzte Frage..., was ist deine Message an die Schweizer Sonata Arctica Fans und die Leser unseres Webzines?

T: Nun..., widmet Euch bitte unserem neuen Album und habt etwas Geduld, wenn es sich einen nicht gerade zu Beginn öffnet. Das ist keine McDonald's Musik, man muss sie etwas länger "kauen". Dann kommt zu unserer Show und lasst uns zusammen Spass haben..., das ist die beste Medizin für alles!