Interview: Serious Black

By Roger W.
 
Abstand erzeugt mehr Nähe.


Drei hochstehende Alben innerhalb von nur drei Jahren schaffen heute nur noch ganz wenige Bands. Die internationale Power Metal Freundschaft Serious Black hat das erreicht, wovon selbst sehr grosse Bands nur noch träumen. Umso selbstbewusster berichtet Bassist Mario Lochert über die aktuellsten Ereignisse der Band. Den Rückschlag mit mageren 14 (!!!) im Vorverkauf abgesetzten Tickets in der Schweiz, machten Serious Black mit einem energischen Konzert locker wett. Dieses hat nach dem Interview wieder mal bewiesen, dass es für gute Stimmung nicht tausend Metal-Fans braucht, sondern nur wenige, die dafür die Musik umso frenetischer abfeiern.

MF: Wie läuft die Tour bisher?

Mario Lochert: Die Tour läuft eigentlich soweit ganz gut. Ich war wahnsinnig überrascht, als wir in Spanien waren. Ich hätte nie fast 200 Leute erwartet. Und das für das erste Mal als Headliner dort. Das ist wirklich verdammt gut. Hier natürlich jetzt in der Schweiz, ist es ein bisschen enttäuschend. Wenn du das zweite Mal hintereinander in den Charts in die Top 100 einsteigst in der Schweiz – und dann läuft es im Vorverkauf nicht ganz so, wie du es dir wünschst. Wobei ich mir allerdings keine Schuld geben kann. Ich glaube, dass wir drei starke Alben gemacht haben. Wir sind eine super Liveband. Du kennst mich ja lange genug. Aber dafür rocken wir genauso für 30 Leute wie für 2000, doch anyway. Ja, es läuft gut. Ich freue mich natürlich auf morgen in München. Das ist fast ausverkauft. Das ist Wahnsinn.

MF: Ein Heimspiel für dich?

Mario Lochert: Ja, für mich. Also München läuft aussergewöhnlich gut. Das Backstage ist fast ausverkauft. Ich freue mich wahnsinnig auf Leberkäsesemmel.

MF: Das Essen war bisher anders aber…

Mario Lochert: Aber gut.

MF: Also gut bisher.

Mario Lochert: Ja, aber anders.

MF: Ihr habt für diese Tour einen neuen Gitarristen. Ist er ein temporärer oder ein dauerhafter Ersatz für Bob?

Mario Lochert: Das werden wir jetzt sehen. Beim Bob hat es folgende Sachen gegeben: Der Gus G. ist jetzt nicht mehr bei Ozzy Osbourne dabei. Somit konzentriert sich Gus jetzt wieder sehr stark auf Firewind. Und natürlich hat es da Überschneidungen gegeben.

MF: Die Herbsttour von Firewind beginnt ja zwei, drei Tage nachdem eure aufhören wird.

Mario Lochert: Ja, genau. Und es hat auch noch andere Überschneidungen gegeben. Und der Bob hat gesagt, dass er mal über alles nachdenken muss. Ihn verbindet natürlich 16 Jahre mit Firewind. Und 16 Jahre Firewind verbinden einfach, ja. Und ich habe dann durch den Bill Hudson von Dirk Schneider und dem Trans Siberian Orchestra die Nummer von Chris (Christian Münzner) gekriegt. Ich habe den Chris angerufen und er hat geantwortet: „Pass mal auf. Power Metal gehört sowieso zu meinen Favoriten und das obwohl ich bei Necrophagist und bei Obscura gespielt habe.“ Und dann haben wir uns ein paar Tage lang unterhalten. Und das hat jetzt ganz gut gepasst. Chris ist dann auch wirklich mit Bravour auf der Tour eingestiegen. Er hat sehr gut gespielt, wir verstehen uns super und lachen viel. Und was weiss ich. Wir werden sehen, was kommen wird. Nichtsdestotrotz ist es ja so, dass eigentlich die Musik zählen sollte. Und diese Musik spielt er mit Herz, Liebe und Leidenschaft. Und das ist das Wichtigste. Und mit dem Bob, wie gesagt werden wir alles sehen. Aber natürlich vermissen wir ihn schon ein bisschen.

MF: Eine Tour im Januar und Februar liegt für ihn ja auch nicht drin, weil er da wieder mit Firewind als Vorband von Rage auf Tour ist.

Mario Lochert: Genau, und er hat auch andere Pläne. Bob will heiraten. Er will auch nicht mehr so viel Touren. Und bei uns ist es natürlich so, dass wir raus auf die Bühne wollen, auf die Strasse. Und wir wollen die ganze Welt betouren. Wir sind ja in diesem Jahr auch noch gleich im Dezember mit HammerFall in Mexico unterwegs. Dann sind noch ein paar Südamerika-Daten geplant. Und so weiter und so weiter. Dann geht's noch nach Japan und nach Russland. Also somit wollen wir touren. Und da müssen wir schauen, was man macht. Was rauskommt und so weiter. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg mit allem.

MF: Die weiteren Daten sind aber noch nicht auf der Webseite?

Mario Lochert: Doch! Also eigentlich nein. Die wird morgen upgedatet. Und dann kommen dann die anderen Daten hinzu.

MF: Ihr habt jetzt innerhalb von drei Jahren drei Alben aufgenommen – drei gute Alben. Diese Dichte haben eigentlich sonst nur die Metal-Bands in den 80er Jahren geschafft.

Mario Lochert: Tja, vielleicht liegt es daran, dass wir bereits so alt sind. Also eigentlich sind wir ja noch froh, dass wir noch normal pinkeln können. Viagra steht bei uns eigentlich auf dem Rider drauf, weil wir nicht mehr können. Also massive Potenzprobleme und Haarausfall, Färbemittel und so weiter. Nein, Spass beiseite. Bei uns ist der Unterschied zu anderen Bands glaube ich, dass wir sehr weit voneinander entfernt wohnen. Und du merkst, wenn wir uns sehen, dann es so ist, wie wenn du eine Band gründest und das Feuer lodert. Und bei anderen Bands, die sich zweimal pro Woche zum Proben sehen, da verebbt es, weil es zum Alltag wird. Aber so fliegen wir jeweils wieder auseinander, haben zwar dann noch Kontakt über WhatsApp, Skype und so weiter. Aber wenn wir zusammen kommen, dann brennt das Feuer. Du willst zusammen musizieren. Und jeder sammelt natürlich Ideen. Und sagt: „Woah, ist das geil, und lass uns mal das oder jenes machen.“ Ich meine es ist total bescheuert, wenn man das sagt. Okay wir waren im Mix von «Magic» und während dem Mix haben wir noch einen Japan-Track geschrieben sowie noch «Now You Never Know» aufgenommen. Also aus dem Stegreif heraus und zur gleichen Zeit wurden bereits vier Lieder fürs vierte Album geschrieben. Also unsere Plattenfirma AFM hat uns gesagt: „Hey Jungs, ihr habt einen Vogel!“ Aber wir arbeiten daran und es kommt, es geht voraus und was weiss ich. Natürlich gibt es bei uns auch Diskrepanzen. Allerdings sind das dann mehr oder weniger konstruktive Kritiken oder was weiss ich auch immer. Und natürlich schlägt mal wieder einer da oder dort über die Stränge. Aber das gibt es in jeder Band. Im Endeffekt haben wir alle dasselbe Ziel: Wir wollen zusammen nach oben, und wir wollen zusammen durch die ganze Welt touren. Und das ist das was uns von anderen Bands unterscheidet. Dass wir zusammenkommen und es wie am ersten Tag lodert.

MF: Das heisst, dass die Musik selber wieder zusammen entstanden ist und nicht via Skype?

Mario Lochert: Genau! Das war aber auch bereits auf dem Vorgängeralbum so. Wir haben schon während der Mirror-World-Tour weitere vier oder fünf Songs geschrieben. Und auch wenn unsere Plattenfirma sagt, dass das vielleicht zu viel ist… oder wie auch immer. Ich meine, ich kann mich ja selber nicht bremsen. Ich kann ja nicht sagen: „Du pass mal auf, ich schreibe jetzt 20 geile Songs. Und jetzt schiebe ich diese aufs Glatteis. Und dann dümple ich vor mich hin und spiel da, spiel da und das wird weniger und das wird weniger.“ Ich meine, da kommt es ganz darauf an, wie man das alles sieht. Ich denke, wenn du gute Alben veröffentlichen kannst, dann sollst du es auch tun. Das siehst du auch bei Sabaton. Da hat es auch geklappt. Sabaton haben ja auch jedes Jahr eine Scheibe raus geschossen, getourt, getourt, getourt, Studio, Studio und Studio, die Tour, die Tour und die Tour. Und so weiter und so fort. Und ja, es ist grossartig für mich.

MF: Ihr entwickelt euch ja auch musikalisch weiter. Ihr habt jetzt zum ersten Mal auch dieses Savatage-Element drin. Ist das Zufall?

Mario Lochert: Es ist halt einfach so, dass wir uns auch in keine Schublade stecken lassen. Bei uns ist es so, dass wir sagen: „Okay, das ist geil und das machen wir jetzt!“ Es ist jetzt nicht so, dass wir quasi krampfhaft versuchen, irgend jemanden zu imitieren. Oder wie es andere Bands gibt. Da wo du sagst, okay, die suchen krampfhaft zum Beispiel nach: „Okay, Sabaton funktioniert. Wir müssen uns so anhören wie Sabaton!“ Oder: „Die neue Scheibe von HammerFall ist ja geil geworden. Ich muss mich jetzt wie HammerFall anhören!“ Ich meine, wir schreiben unsere Songs. Und wenn du im Auto sitzt, bei den eigenen Songs bloss die Demospuren von Songwriting hast und du dann schon mit wippst, dann denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg. Eigentlich ist es ja bei vielen Musikern so, dass sie kotzen könnten, wenn sie ihre eigene Musik hören, also ganz knallhart gesagt. Und bei uns ist es wirklich so, dass ich mir das wirklich auch in der Freizeit anhöre und uns daran freuen. Meine Tochter hört es auch gerne. Was ganz komisch ist, dass die keine Kinderlieder mag, sondern sie sich lieber Serious Black «Magic» anhört. Und morgen in München darf sie das erste Mal mit den Mickey Mouse-Kopfhörern hinkommen und beim Soundcheck dabei sein, und so weiter und so fort. Und dann müssen wir mal schauen, was man da macht.

MF: Henjo Richter von Gamma Ray hat mir mal gesagt, dass ein Song, den er nicht beim 1000tsten Mal hören immer noch gut findet, nicht aufnehmen würde.

Mario Lochert: Ja, den „Send Me A Sign“ hat der Henjo ja geschrieben. Der gehört zu einem meiner Lieblingslieder aus dem Power Metal Bereich.

MF: Wie ist das textliche Konzept dieses Mal entstanden? War das Urban, der die Musik genommen hat und den Text dazu schrieb?

Mario Lochert: Also das Ding ist, dass «Magic» eigentlich ganz, ganz komisch entstanden ist. Wir waren wie gesagt auf der "Mirror World"-Tour. Da sind wir im Bus gesessen in Nürnberg. Und dann ist der Urban rauf gekommen mit dem Refrain (singt) „Serious Black Magic“. Und da haben wir gemerkt, dass das ziemlich geil ist. Das wird so ein Schlachtruf wie bei Accepts „Ball To The Walls“. Dann hat der Bob rumprobiert und sofort das passende Riff dazu gefunden. Und so hat das angefangen. Und dann hat der Urban gesagt, dass «Magic» ein geiler Titel fürs Album wäre. Und dann habe ich gesagt, dass wenn wir mit «Magic» gehen, dann würde ich gerne das Übernatürliche mit rein bringen und da gerne ein Boxset machen. Also quasi mit Tarot-Karten und einem Witchboard. Und dann hat der Urban gesagt: „Okay, wenn wir so weit gehen, dann will ich ein Konzept-Album schreiben.“ Natürlich hat jeder blöd geschaut, weil wir gesagt haben: „Okay, wenn du ein Konzept-Album schreibst, dann aber ein richtiges. Also quasi das Ganze in eine Story verpacken, vom ersten bis zum letzten Song.“ Das braucht normalerweise sehr viel Zeit, und es braucht so viel Energie und was weiss ich alles. Ich meine, wenn du eine Geschichte erzählst, kannst du ja nicht immer von vorne bis hinten sagen…. Dann hast du ja keine Geschichte erzählt. Also musst du die verschiedene Emotionen rüber bringen. Du musst unterschiedlich mischen. Das wird dir als Musikkenner vermutlich aufgefallen sein, dass die Produktion sehr verschieden ist. Das eine hat zum Beispiel mehr Bass-Drum, das andere hat mehr Snare, bei noch einem anderen kommt der Bass mehr raus. Dann hast du bei einigen Lieder Brutalo-Gitarren und bei anderen sind sie mehr crèmig. Diesmal haben wir den Mix für jeden Song von Anfang an gemacht, also nur damit auch die Musik zusammen passt. Das sind solche Geschichten. Urban würde jetzt sagen, wenn er gerade hier hocken würde. „Hey, das war jetzt wirklich ein Haufen Arbeit.“ Natürlich war es ein Haufen Arbeit und ich meine, dass ich auch jetzt wirklich durch bin, also jetzt auf Tour. Ich könnte mich jetzt eigentlich am liebsten hinlegen und schlafen. Aber ich bin dann halt doch so eine Stagesau, dass ich sage: „Okay, ich muss jetzt auf die Bühne.“ Und ich gebe alles. Aber nach der Tour wird dann mal geschlafen. Aber es war eigentlich in Anführungsstrichen „wirklich dermassen easy, diese Story in Musik um zu setzen.“ Es war so easy, auch wenn der Urban natürlich wahnsinnig viel gearbeitet hat. In seinem Studio hat er Wäscheleinen gezogen, wo dann die ganzen Texte dran gehangen sind. Wir haben ja nicht nur die 14 oder 16 Lieder geschrieben, die wir jetzt aufgenommen haben, sondern haben im Total 26 oder 30 gehabt. Da musst du ja auswählen, und dann musst du schauen, wie die Story dann noch zusammen passt. Und im Endeffekt ist es wirklich so, dass wir das wahnsinnig gut umgesetzt haben. Und ich glaube, das zeugt davon, dass wir wirklich eine coole Band sind. Ohne jetzt mir selber auf die auf die Schulter zu klopfen. Was ich ja auch nicht kann. Aber die Band ist gewillt, was zu erschaffen, was andere Bands nicht machen, ganz einfach also. Ich bin begeistert, sowas innerhalb eines Jahres aufzustellen, ist wirklich grandios.

MF: Der Urban hat ja auch mit Jonah Weingarten zusammen gearbeitet, mit welchem er bereits bei Pyramaze aktiv war.

Mario Lochert: Bei Jonah war die Arbeit diejenige, dass er in den USA wohnt. Somit ist er natürlich für die Keyboard-Lines zuständig. Gerade wenn der Urban irgendwelche Sachen hat, ist es natürlich sensationell cool, wenn der Jonah ebenfalls in den USA weilt und dort quasi die Keyboards einspielt. Ich habe auch nichts gegen ihn, er ist ein supernetter Kerl.

MF: Er ist ja auch auf dem Album zu hören.

Mario Lochert: Genau, wobei nicht auf diesem Album, aber mitgeschrieben hat er. Eingespielt haben wir es dann selber.

MF: Auf der Special-Edition vom neuen Album habt ihr eine Live-CD drauf. Das ist "Live In Atlanta". Ist das ein reines Bonus-Ding oder plant ihr das noch offiziell zu veröffentlichen?

Mario Lochert: Also wir haben ja nicht nur ein Live-Album gemacht, sondern haben auch ein Akustik-Album. Das ist da noch mit drin. Das ist quasi ein Unplugged-Album. Dann haben wir noch das "Live in Atlanta" und die «Magic?. Wir haben also eigentlich in diesem Jahr drei Alben gemacht, gemischt, gemastert und arrangiert.

MF: Genau, das heisst in der Box sind drei CDs.

Mario Lochert: Ja genau, drei CDs, und leider ist diese Box schon fast ausverkauft.

MF: Plant ihr sowas noch offiziell als Einzel-CD zu veröffentlichen?

Mario Lochert: Ich denke, die Akustik-Scheibe werden wir mit Sicherheit noch einmal auflegen, glaube ich. Weil die ist wirklich wahnsinnig gut geworden. Das Akustik-Album ist wirklich grandios geworden, in meinen Augen. Ich meine das haben wir auch Dominic zu verdanken. Dominic hat da wirklich tolle Arbeit geleistet. Auch beim Arrangieren mit dem Jan zusammen. Das ist wirklich ganz gut alles gelaufen. Und das war einfach wahnsinnig viel Arbeit.

MF: Und im Grunde nur für die Box oder wolltet ihr das einfach von euch aus?

Mario Lochert: Mein Gott. Also die Plattenfirma hat am Anfang gar nicht gewusst, was wir machen. Als wir dann gesagt haben, dass wir fertig sind und drei Master vorliegen, haben sie gesagt: „Was wollen wir mit drei Masters?“ Und ich: „Naja, veröffentlichen!“ Also die waren wirklich baff. Es war nicht gelogen, als ich auf Facebook gesagt und gepostet habe, dass die Masters jetzt fertig sind. Somit denke ich, dass wir gut auf dem Weg sind, und wir werden mal schauen, was kommt.

MF: Dann wünsche ich euch viel Glück und Ausdauer dabei.

Mario Lochert: Danke schön.