Eine Band mit
mehr als dreissig Jahren Geschichte ist eher selten, eine die auch noch den grossen
Durchbruch geschafft hat, eine noch seltenere. Im Falle der Scorpions ist es ihnen
gelungen, über Jahrzehnte präsent zu bleiben und mit dem neuen Album wieder zurück zu
ihren Ursprüngen zu kehren. Steht nun bald wieder eine neue Scheibe in den Läden, so
wurde es Zeit, Frontmann Klaus Meine zu Wort kommen
zu lassen.
MF: Wofür steht denn euer neuer Titel "Unbreakable"? Hat er für euch
eine tiefere Bedeutung?
KM: Ja, wir haben uns den Titel ausgesucht, da wir eine Band sind, die jetzt seit mehr als
dreissig Jahren zusammen und durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist, die mit dem neuen
Album immer noch soviel Spielfreude rüberbringt und der Stachel noch kerzengerade steht.
Da ist "Unbreakable" einfach ein guter Titel!
MF: Eure neuen Songs klingen wieder rockiger, lehnen sich näher an die alten
Sachen an. War das eine Entwicklung, die innerhalb der Band selbst ablief oder liegt das
auch ein wenig am aktuellen Zeitgeist, der den Hard Rock und Metal wieder
gesellschaftsfähiger gemacht hat?
KM: Diese Entwicklung, dass Hard Rock wieder akzeptierter ist, ist ein glücklicher
Zufall. Für uns ist es unsere eigene Entwicklung und Geschichte. Ende der 90er war die
Rockmusik generell nicht so sehr ausgeprägt. "Alternative ruled the world". Wir
sind im Mainstream mit den Balladen natürlich sehr weit nach vorne gekommen und haben uns
durch diese Dekade durchgekämpft. Ende der 90er haben wir ja mit "Eye to eye"
ein eher experimentelles Album gemacht, was sicher keine schlechte Platte war, aber es war
einfach keine Scorpions-Platte. In sofern ist das bei den Rockfans auch nicht so besonders
gut angekommen. Die Projekte, die wir danach gemacht haben, kamen uns im Rückblick eher
wie eine Auszeit vor, wo wir die Möglichkeit hatten, uns mit ganz anderen Dingen zu
beschäftigen, ganz anderen Herausforderungen wie zum Beispiel "Moment of glory"
mit den Berlinern Philharmonikern und auch das "Untouched"-Album, das lange in
der Luft war. Besonders aus Asien hatte man immer Druck gemacht, wann denn endlich die
Unplugged-Platte komme. Das waren Projekte, die uns sehr viel Spass gemacht haben und die
uns nach dreissig Jahren in der Rockspur die Möglichkeit gegeben haben, einfach mal alles
hinter uns zu lassen und uns wieder neu zu besinnen. Deswegen war die Ausrichtung auf
"Unbreakable" für uns von vornherein klar. Es war nach so vielen Jahren die
grösste Herausforderung, wieder ein amtliches Rock-Album zu machen, denn die Hardcore
Rock Fans haben letztendlich immer wieder gesagt, es sei toll, dass wir mit Orchestern
spielen oder unplugged. Ihr seid vielseitig, das ist alles wunderbar, aber was ist mit
einer richtig geilen Rock-Platte? Das haben wir uns zu Herzen genommen und haben gesagt
o.k.! Obwohl wir nach so langer Zeit keinem etwas beweisen müssen, wollten wir für uns
selbst noch einmal wissen, ob der Stachel noch sticht und wir wollten auch den Rockfans da
draussen zeigen, dass wir in unseren Herzen Rocker sind. Wir wollten allen noch einmal so
richtig zeigen, wo der Rock-Hammer hängt!
MF: War es für euch als Musiker nicht auch ein wenig frustrierend, zum Beispiel
nach "Eye to Eye", in dem eher mässig besuchten Volkshaus zu spielen? Ihr wart
ja immerhin grosse Arenen gewohnt.
KM: Ach, sagen wir es einmal so, wir spielen für die Fans. Man geht in so einer langen
Karriere eben durch viele Höhen und auch mal wieder durch ein tiefes Tal. Entscheidend
ist es, dass man immer wieder aufsteht. Man darf die Motivation, die Liebe an der Musik
und die Lust auf Tour zu gehen, darüber nicht verlieren. Natürlich ist es, wenn man bei
der einen Tour im ausverkauften Hallenstadion spielt und bei der nächsten im Volkshaus
stehst, sicher nicht unbedingt wovon du träumst. Aber wir sind eine Band, die sich
von solchen Dingen auch nicht unterkriegen lässt. Die 90er waren nicht gerade
rock-verwöhnt. Die kleine Gruppe der Rock-Fans damals hat sich auch nicht gerade so zu
den Helden der 80er bekannt. Ich will jetzt nicht genau sagen, wie es in der Schweiz war,
das weiss ich nicht, aber in Amerika zum Beispiel war es so. Dort sind kaum noch Leute in
die Konzerte gegangen, wenn es hiess: 80er Jahre Rock. Wir waren die ganze Zeit da, nur wo
waren die Fans? Die Zeit hat sich, Gott sei dank, auch wieder geändert. Klassik Rock ist
wieder zurück gekommen. Wir haben natürlich bei all den Projekten, die wir in all den
Jahren gemacht haben gemerkt, dass die U.S.A mehr auf Rock ausgerichtet ist, im Gegensatz
zu den Balladen in Europa. Der Punkt in ganz Europa, somit auch in der Schweiz, war, dass
wir mega Erfolg mit "Wind of change" und diesen übermässigen Balladenerfolg
hatten. Deshalb war die Wahrnehmung einfach so, dass viele gemeint haben: In den 80ern
wurde so richtig gerockt und in den 90ern nur noch Balladen gespielt. So nach dem Motto
"die arbeiten auf ihre Rock-Rente hin". Da haben eben viele auch nicht
mitbekommen, dass wir in der Zeit dreimonatige Touren in den Staaten gespielt haben, bei
denen wir jede Woche fünf Konzerte hatten und Whitesnake unser Special-Guest waren. Der
Rock-Markt in Amerika ist eine ganz andere Geschichte. Allerdings war das in den 90ern
auch nicht immer so. Jetzt hat es sich allerdings in vielen Dingen wieder zu dem zurück
bewegt, was wir aus den 80ern kannten und das hat uns natürlich auch mit inspiriert,
wieder ein Rock-Album zu schreiben.
MF: Wusstest Du, dass ihr mit "Wind of change" in der Schweiz den
absoluten Verkaufsrekord bei Singles haltet?
KM: Ist das wahr? Cool! Nein, das wusste ich nicht. Aber natürlich ist auch "Wind of
change" im qualitativen Rock-Bewusstsein entsprechend eingegraben, aber ich rede
jetzt von den Balladen generell. Die europäische Radiostruktur ist daran natürlich mit
Schuld. Es werden im Radio eben nur die sanfteren Titel präsentiert. Limp Bizkit machen
im Moment ja die gleiche Sache durch und haben mit "Behind blue eyes" einen
Riesenhit! Es kommen viele Leute, die die Nummer aus dem Radio kennen und gehen ins
Konzert und warten nur auf den Hit und können mit den anderen Sachen vielleicht nicht
ganz so viel anfangen. Das ist dann eine Situation, die den Hardcore Rock-Fans natürlich
nicht gefällt. Die lieben ihre Band für die harten Klänge und wollen natürlich auch,
dass es am Besten immer so weiter geht. Und unsere Hardcore-Fans haben gemeint: Mensch
toll, ihr seid so vielseitig, ihr habt so tolle Sachen gemacht, aber so ein richtig geiles
Rock-Album schon lange nicht mehr. Das mussten wir einsehen und haben dieses Mal wirklich
versucht, unsere Stärken wieder zu reaktivieren und zu sagen o.k., was ist es, das ein
geiles Scorpions-Album ausmacht? Was ist es, was die Rock-Fans von uns erwarten und mal
sehen, ob wir das hinbekommen! Und das mit der gleichen Spielfreude und dem gleichen
Enthusiasmus. Das ist leicht gesagt, wenn jemand meint: Macht doch mal wieder ein Album
wie "Blackout"..., es ist wirklich leicht gesagt, aber wir haben uns das echt zu
Herzen genommen und deshalb ist es weniger die allgemeine Entwicklung, sondern unsere
eigene. Natürlich kommt das der Sache sehr zu Gute, dass sich der Trend wieder allgemein
in diese Richtung entwickelt, aber für uns war nach all den Projekten, die wir gemacht
haben, ausschlaggebend zu sehen, wo die Reise für uns hingeht. Sie konnte nur dahin
gehen, was die Scorpions eigentlich ausmacht? Das haben wir mit unserem neuen Album
versucht um zu setzen.
MF: Wenn ihr wieder härter werden wolltet, ist euch das wirklich gelungen.
KM: Ja, auf alle Fälle! Wir bekommen auch sehr gute Reaktionen bisher. Wir sind einfach
dem nachgegangen und haben probiert, was dabei rauskommt. Es war so ein bisschen nach den
ganzen Balladen, Projekten und den ganzen "Best-Of's" so, als ob wir noch eine
Rechnung mit den Rock-Fans offen hätten, die zu Recht seit langem und sehr geduldig
dieses Rock-Album einfordern. Da haben wir gesagt, okay und das machen wir jetzt und das
so kompromisslos, wie es geht. Dass da auch zwei Balladen drauf sind, ist ganz klar, aber
die waren bei unserem ersten Album von 1971 auch drauf. Das gehört für uns halt dazu.
Das Album ist aber eindeutig auf Rock ausgerichtet und dass es bei unseren langjährigen
Fans und den Rock-Magazinen so gut aufgenommen wurde, freut uns natürlich wirklich. Es
war eine Sache, die wir immer wieder gesagt haben. Wir wollten die ganze Zeit eine
amtliche Rock-Platte abliefern und dieses Mal konnten wir das endlich einlösen.
MF: Du hast gerade eure lange Bandgeschichte angesprochen, wie ist es denn für
euch persönlich? Seid ihr alle sehr gut befreundet oder ist das nur ein Job?
KM: Die ganze Bandgeschichte ist eine Philosophie der Freundschaft. Rudolf Schenker und
ich haben die Band Anfang der 70er zusammen gemacht. Matthias Jabs ist seit 78 dabei, seit
dieser Zeit bilden wir den harten Kern der Scorpions. James Kottak ist seit Mitte der 90er
dabei, ein amerikanischer Drummer. Wir haben einen neuen Bassisten in der Band, er kommt
aus Krakau, Polen. Insofern haben wir die Osterweiterung schon vorgezogen. Die Tatsache,
dass sich unsere Leben auch seit den späten 80ern stark zwischen Amerika und Osteuropa
abgespielt haben, trägt jetzt auch in dem Band-Lineup Früchte. Das ist eine sehr
spannende Geschichte, aber der Kern der Band sind Matthias, Rudolf und ich. Dieser
Freundschaftsfaktor ist halt wirklich sehr stabil. Sonst wären dreissig Jahre plus, wie
wir gerne sagen, nicht möglich. Wir sagen nicht so gerne fast vierzig Jahre, das kommt so
schwer über die Lippen. Wir haben auch unsere kontroversen Diskussionen und unsere
Fights, aber wir kämpfen immer für das Gleiche, nämlich ein gutes Ergebnis, eine starke
Platte oder was auch immer. Wir respektieren uns und es hat in den ganzen Jahren nie einen
Grund gegeben zu sagen, das war's jetzt. Wenn die Freundschaft nicht so stark wäre,
glaube ich nicht, dass ich es mir nach so vielen Jahren noch mit dem Bus antun könnte,
durch Amerika zu fahren und fünf Konzerte pro Woche zu spielen. Das ist wirklich eine
harte Bewährungsprobe. Da muss man schon sehr gut miteinander klar kommen und das ist bei
uns der Fall. Deswegen macht es uns nach wie vor Spass. Wir sind immer noch eine Live-Band
und wir spielen sehr viel. Selbst wenn wir in letzter Zeit wenig in der Schweiz gespielt
haben, sind wir auch international sehr viel unterwegs und aktiv. Wir haben in den letzten
Jahren eigentlich permanent gespielt und wissen gar nicht, was wir zuerst machen sollen.
Dieses Album haben wir ja ach in sehr kurzer Zeit eingespielt. Wir waren nur drei Monate
im Studio, früher haben wir ja Jahre im Studio verbracht. Dieses Mal war es eher auf die
Art "Come on, let's do it!", lass uns einfach ein frisches Album einspielen. Wir
wollten an einem einzelnen Song nicht so lange daran rumpolieren, sondern haben gerade mit
dem nächsten Song weiter gemacht. Dadurch haben wir offenbar auch eine gewisse
Spielfrische eingefangen.
MF: Du sprichst selbst schon an, dass ihr viele Konzerte spielt und ständig
tourt. Gibt es dabei eigentlich noch Highlights für euch? Konzerte, die aus den anderen
herausstechen, wie vielleicht das "Moscow Music and Peace-Festival Ende der 80er?
KM: ja klar, wenn wir gefragt werden, was unsere beliebtesten Konzerte waren, dann ist das
Festival in Moskau auch immer dabei, ganz klar! Aber die richtigen Höhepunkte liegen für
uns gar nicht soweit zurück, denn das war ja 1989. Sicher in den 80ern gab es geile
Konzerte, wie das Rock in Rio 1985 mit 350 000 Zuschauern, das war auch grandios. Da gab
es schon einige Highlights, aber für uns war es zum Beispiel auch ein Highlight, letztes
Jahr im September in Moskau auf dem roten Platz zu spielen. Als dritte Band überhaupt!
Ich glaube Paul McCartney, Red Hot Chilli Peppers und Pavarotti. Danach waren es schon die
Scorpions. Vorher hat das weder jemand gemacht, noch die Genehmigung dafür erhalten. Das
war natürlich ein grossartiger Event. Auf dem roten Platz "Wind of change zu
singen" war auch für uns etwas Besonderes!
MF: Ja auch jetzt in naher Zukunft habt ihr ja schon wieder einige Events wie das
Sweden Rock angekündigt.
KM: Ja, wir fangen Ende April in Udessa an und es gibt ein Album Release-Konzert im Zirkus
Krone in München und dann gehen wir so quer durch Europa. Die Tour baut sich gerade erst
auf und ich hoffe, dass die Schweiz noch dazu kommt. Es ist auch geplant, dass wir wieder
in die U.S.A gehen. Es gibt konkrete Angebote, aber ich weiss nicht, ob wir das dieses
Jahr noch machen oder erst nächstes Jahr. Heute hatte ich unter anderem auch schon ein
Interview mit der grössten Radiostation in Peking, es tut sich also etwas. Wir spielen ja
schon seit vielen Jahren quer durch Asien, haben aber natürlich noch nie in China
gespielt. Interviews mit China sind dann schon etwas Besonderes für mich. Es ist
unglaublich, was sich da tut und in sofern kann ich mir schon vorstellen, dass wir auf der
nächsten Tour vielleicht auch einmal in China spielen. Das ist wirklich ganz interessant.
Ende Mai sind wir dann auch auf Zypern, da waren wir auch noch nie. Da werden sicher auch
einige aus dem Libanon kommen, denn dort haben wir vor einigen Jahren schon einmal
gespielt und hatten dort grossen Erfolg. Die Tour baut sich also für uns ganz gut auf und
ich schätze, wenn das Album erst einmal draussen ist, werden noch einige Konzerte dazu
kommen und hoffentlich sind wir dieses Jahr auch noch in der Schweiz.
MF: Man konnte dich in der Jury der Comeback-Show im Fernsehen bewundern. Wie bist
du dazu gekommen?
KM: Tja, wie kommt man zu so was? Ich selbst fühle mich auch auf der anderen Seite viel
wohler, nämlich auf der Bühne. Solche Dinge kommen eben auch manchmal daher. Es ist auch
eine neue Erfahrung. Es kommen sehr viele Anfragen und die meisten Sachen sagt man eh
schon ab, tja und das war jetzt einfach eine Geschichte, die ich eben einmal zugesagt
habe. Das war eine ganz interessante Erfahrung. Es gibt zur Zeit so viele Casting-Shows,
da kommt man ja kaum noch drum rum irgendwo dabei zu sein. Es hat mir Spass gemacht, es
war o.k., aber grundsätzlich stehe ich lieber auf der Bühne!
Genau dort möchten wir ihn auch bald wieder sehen und hoffen deshalb, dass es
dieses Jahr wirklich noch ein Konzert in der Schweiz geben wird! Klaus Meine sendet noch
liebe Grüsse gen Süden und hofft, dass Euch das neue Album gefällt und auch alle Rock
und Metal-Fans wieder auf ihre Kosten kommen!
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