Interview: Saxon

By Tinu
 
Mögen Festivals immer noch gerne.



Saxon und Nigel Glockler gehören fest zusammen. Auch wenn zwischenzeitlich Fritz Randow (Victory) oder Jörg Michael (Stratovarius, Grave Digger, Running Wild, Headhunter) bei den Engländern in die Felle hauten, so ist und bleibt es Nigel, der mit einer unglaublichen Dynamik und Präzision, und dem typischen Glockler-Groove, den Saxon-Tracks das nötige Feeling und den vorantreibenden Tritt gibt. Der 64-jährige Brite ist aber auch ein sehr sympathischer Interviewpartner, der dem Tod Ende 2014 nur ganz knapp entsprungen ist. Damals im Dezember wurde bei Nigel ein gebrochenes Gehirn-Aneurysma festgestellt. Wie es dem Trommler zwei Jahre später geht, und was in seinem Leben an Bedeutung bekommen hat, erzählt uns Nigel im folgenden Interview.

MF: Nigel, wie geht es dir?

Nigel: Danke, mir geht es sehr gut!

MF: Somit ist alles wieder okay?

Nigel: Ja, ich werde diesen Tag nie vergessen. Wir hatten einen «Day Off». Ich sass im Hotelzimmer an meinem Laptop und las die News. Einfach weil ich wissen will, was täglich alles Schöne in der Welt passiert (grinst). Ich bewegte mich auf dem Stuhl und es fühlt sich an, als ob mein Nacken gefriert und mein Kopf explodieren würde. Wie die schlimmste Migräne, die du dir vorstellen kannst. Vor meinen Augen schien sich alles von links nach rechts zu bewegen. Als würde ein Blitz durch meinen Kopf gehen. Selbst ein Schluck Wasser konnte diesen Zustand nicht abwenden. Ich legte mich auf mein Bett und hoffte, dass dieser Moment wieder vorbeigehen würde. Ich fühlt mich krank und wollte liegenbleiben, bis zum Abendessen, in der Hoffnung, dass meine Schmerzen nachlassen würden. Je mehr ich mich bewegte, desto stärker wurden die Schmerzen in meinem Kopf. Ich nahm eine kalte Dusche, doch auch dies brachte keine positive Wendung. Meine Frau rief mich an um Hallo zu sagen. Schnell stellte sie fest, dass ich sehr langsam und undeutlich sprach. Sie sagte: «Oh my God, what's going on with you?», und rief sofort unseren Tourmanager und die Ambulanz an. Der Rest von der Gesichte ist, dass im Spital mein Kopf geröntgt wurde. Sie stellten dort eine Blutung in meinem Hirn fest und… Gott sei Dank, lag ich im besten Spital von England, das sich mit solchen Dingen bestens auskennt. Sie operierten mich zwei Mal. Für einen Monat lag ich im Spital. Lustigerweise… Die Person, die mich operierte, Patrick Michel, besser gesagt, Herr Michel (grinst), besuchte mich beim Konzert in Newcastle. Ich lud ihn zu meinem ersten Konzert auf der nächsten Tour ein. Da meinte er nur: «You are a freak, it's a miracle that your back and doing what you doing so quickly!» Innerhalb von vier Monaten sass ich wieder am Schlagzeug und spielte die nächste Tour (grinst). Aber, heute ist alles wieder gut und danke dass du danach fragst! Und danke Gott, dass alles schlussendlich so glimpflich abgelaufen ist und einen riesen grossen Dank an meine Frau, sie hat mir das Leben gerettet, weil sie so schnell reagierte und meine Symptome richtig einzustufen wusste.

MF: Hat dich diese Zeit verändert?

Nigel: Ich bin sehr dankbar, dass ich jeden Tag bei bester Gesundheit verbringen darf und dass ich mich so gut erholt habe. Ich fühle mich heute sehr gut und geniesse die natürlichen Sachen bedeutend mehr (grinst). Heute sitz ich früh am Morgen draussen und geniessen mit meinen Katzen den Sonnenaufgang. Dabei höre ich den Vögel zu, wie sie pfeifen und bin dankbar, dass ich dies so noch erleben darf.

MF: Hat diese Krankheit dein Schlagzeugspiel beeinflusst?

Nigel: Absolut nicht! Ich denke, dass ich heute besser denn je spiele.

MF: Woher nimmst du dir denn heute noch die Energie, dermassen kraftvoll, zwei Stunden lang einen Saxon-Gig zu spielen?

Nigel (lautes Lachen): Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung!!! Das Geheimnis liegt darin begraben, dass man sich auf Tour schonen muss. Du kannst deine Kerze nicht runterbrennen lassen, wenn du verstehst, was ich meine (grinst). Nach der Show gehe ich in den Bus, trink ein Glas Rotwein, gehe dann in meine Koje und schlafe. Mit dem Bewusstsein, dass Morgen ein weiteres Konzert ist, gibt es nichts Besseres. Das ist ein Job, den ich erfühlen darf und ewigs Party feiern, geht nicht. Diese Arbeit, die ich sehr liebe, liegt mir viel mehr am Herzen.

MF: Somit war in der Vergangenheit das Klischee mit «Sex, Drugs And Rock' n Roll», die reine Wahrheit?

Nigel (lautes Lachen)? Weisst du, das hast du nicht nur im Metal oder Hardrock. Da habe ich Geschichten von klassischen Orchestern gehört… Da feiert jeder seine private Party. Die feiern mehr, als alle Rockbands zusammen, aber die können am nächsten Tag beim Spielen auch alle sitzen (lacht). «When I go for a party, they go mad!» Das habe ich aber alles nur gehört (lacht). Ob es wahr ist, ich habe keine Ahnung (grinst)!

MF: Was war für dich den wichtig in der Vergangenheit und was ist es heute?

Nigel (überlegt lange): Geschäftlich gesehen, versuche ich noch heute jeden Tag mein Schlagzeugspiel zu verbessern. Dabei möchte ich jeden Abend mein Bestes geben und benötige meine 100 % Konzentration beim Spielen.

MF: Hast du dich jemals als Rockstar gefühlt?

Nigel (lachend): Nein, da reicht es mit, wenn ich in den letzten Jahren immer wieder mit singenden Diven gearbeitet habe. Dieses Rockstar-Ding ist doch völliger Blödsinn. «Come down and just relax!» Wir arbeiten alle zusammen, in der Band und mit der Crew. Sei keine Diva, denn keiner ist mehr oder besser, als der andere. Und jeder ist auf die anderen angewiesen. Ich lebe mein Leben, behandle die Leute aber so, wie ich behandelt werden möchte. So schlage ich niemanden ins Gesicht, weil ich auch nicht möchte, dass mich jemand schlägt. Behandle die Leute, wie du behandelt werden möchtest und respektiere sie.

MF: Kiss, Judas Priest, Accept und Metallica taten es schon und spielten ein komplettes Album durch. Könnte dies auch mal bei Saxon passieren?

Nigel: Haben wir auch schon gemacht! Das müsste beim Download-Festival gewesen sein, als wir die beiden Alben «Wheels Of Steel» und «Strong Arm Of The Law» komplett spielten. Aber nur für eine Show. Keine Ahnung, ob wir dies wiederholen. Viele Leute an unseren Konzerten mögen das alte Zeugs, und die anderen mögen die neuen Tracks. Wir können nicht alles spielen, was die Fans von uns erwarten. Ich mag es alles zu mischen. Kürzlich haben wir einen Song von «Strong Arm Of The Law» ausgegraben. «Taking Your Chances» haben wir lange nicht mehr gespielt, plötzlich stand er wieder in der Setliste und wir spielten ihn jeden Abend. Es hat sich grossartig angefühlt und dabei spielten wir ihn seit Jahren nicht mehr. Abend für Abend haben wir mit diesem Lied den Fans den Arsch vermöbelt (grinst). Genau das liebe ich, wenn plötzlich Songs wieder ans Tageslicht kommen und zu einem Killertrack werden. Rush hat dies auch immer wieder gemacht und liessen vergessen geratene Lieder plötzlich wieder in das Set einbauen. Das ist fantastisch und man erfühlt so einigen Fans vielleicht auch einen kleinen Wunsch. Denn es klingt frisch, unverbraucht und hebt sich ab.

MF: Welches ist dann dein Lieblingsalbum von Saxon?

Nigel: «Power And The Glory» hat einen sehr speziellen Platz in meinem Herzen, weil es das erste Album, Studioalbum war, auf dem ich bei Saxon zu hören war. Schwierig… Ich liebe «Sacrifice», aber auch das letzte Studiowerk «Battering Ram». Bei all den Scheiben auf denen ich bei Saxon mitgespielt habe ist es sehr schwer dies zu beantworten. Es gibt auf jedem Album Lieder, die ich liebe.

MF: Wieso bist du in der Vergangenheit zwei Mal bei Saxon ausgestiegen?

Nigel (lacht): Beim ersten Mal… Ich mochte das damalige Management nicht. Es gab viele Dinge, die da zusammenflossen, aber es lag am Management (grinst). Beim zweiten Mal hatte ich Probleme mit meinem Muskel zwischen meinem Nacken und meiner Schulter. Das passierte in Brasilien, als wir tourten. Ich sitze jeden Abend an meinen auf den Millimeter genau gleich aufgestellten Drumkit. Irgendwas war an diesem Abend anders und es krachte in meinem Muskel. Während des Spielens bemerkte ich es nicht. Aber abends, als ich im Bett lag, knackste es noch immer. «What the hell is going on?», fragte ich mich. Ich hatte keine Ahnung, ob es der Knochen war, oder der Muskel. Erst mein Arzt klärte mich auf und sagte, dass mein Muskel kaputt sei. So musste ich mit dem Spielen für vier bis fünf Monate aufhören. Danach kam ich zurück (grinst). Ich bin wie eine kleine Spinne, die dank ihres Netzes immer wieder zurückfindet (lautes Lachen). Ich bin mir sicher, dass die zweite Auszeit mir gut getan hat. Wir waren immer so verdammt lang auf Tour. So begann ich es zu hassen Schlagzeug zu spielen. Es wurde zu einer täglichen Arbeit, die langweilig wurde und ich benötigte diesen Break. So kam meine Liebe zum Spielen wieder zurück. Heute fühlt es sich frischer an, als damals.

MF: Wie schwer ist es in einer Band die Freundschaft aufrecht zu erhalten? Oder wie wichtig ist die Freundschaft?

Nigel: Oh, das ist sehr wichtig! Aber nochmals, jeder braucht mal Abstand von den anderen. Tust du dies nicht, drehst du völlig durch (grinst). Jeder von uns hat seine Familie und will auch seine Zeit mit ihnen verbringen. Bist du auf Tour, siehst du das Gesicht der anderen 24 Stunden pro Tag und 7 Tage in der Woche. Da sind es plötzlich die kleinen Dinge, welche dir völlig auf den Zeiger gehen und Dinge, die du selber machst, welche die anderen in die Nähe eines Nervenzusammenbruchs bringen. Ohne Freundschaft würde man aber nicht so lange in diesem Bus sitzen und mit den anderen eine gute Zeit verbringen. Leute mit denen du es Abend für Abend geniesst diese Musik zu spielen.

MF: Was machst du dann in deiner Freizeit um deine Batterien aufzuladen?

Nigel: Puh...

MF: …du spielst Schlagzeugt?

Nigel (wie aus der Pistole geschossen): Oh nein! In meinem Studio findest du auch Keyboards und anderes Zeugs. So schreibe ich Sachen für das Fernsehen, Hintergrundmusik für Dokumentationen, dabei kann ich frei von der Leber weg komponieren. Dieses Material schicke ich dann den Companys und sie können verwenden, was sie wollen. Dies konnte ich aber schon länger nicht mehr machen, weil wir immer auf Tour waren. Nächstes Jahr möchte ich mich wieder mehr diesen Dingen widmen. Dieses Jahr war ich gerade für fünf Wochen in meinem Haus (lacht), da stellt sich die Frage, wieso ich überhaupt ein Haus besitze (lacht). Die restliche Zeit war ich unterwegs, oh mein Gott! Ich liebe es indisch zu kochen. Ich liebe Curry-Gerichte. All in der Band lieben Curry, je schärfer, desto besser (grinst). Aber, die Zutaten müssen frisch sein!

MF: Schaust du nicht mehr so oft Formel 1?

Nigel: Im Vergleich zu früher, hat sich dies ein bisschen gelegt. Es hat mich aber sehr gefreut, dass dieses Jahr Rossberg den Titel geholt hat. Es ist eine Schande, dass Jenson Butten nicht mehr mithalten kann. Mein Lieblingsfahrer bleibt Michael Schumacher. Ich möchte wissen, wie es ihm heute geht. Da gibt es keine Neuigkeiten, wie sein Gesundheitszustand ist. Er war so ein brillianter Fahrer. Was für ein furchtbares Ende seiner Karriere! Da steht er fast auf seinen Ski still, fällt und knallt auf einen Stein… Ein Sportler, der in den ersten Sekunden beim Start eines jeden Rennens, bis zur ersten Kurve, mit dem Leben spielte und jedes Mal hätte Tod sein können. Er hat alles überlebt, bis auf diesen Stein. Ach ja, ich bin ein grosser Star Treck Fan (lautes Lachen)!

MF: Was ist mit James Bond…

Nigel: …oh ja!!! Es dauert aber immer einen Moment bis ich die neuen Filme gesehen habe. Auf einer der letzten Tourneen waren alle Bond Filme im Tourbus dabei. Immer wenn ich in das Gefährt kam, sass die Crew da und schaute sich die genau gleiche Stelle des Filmes an. Immer den gleichen Part mit Daniel Craig. Ich sagte immer: «Mein Gott, dann gehe ich eben in meine Koje und schaue mir das Ganze ein anderes Mal an!» Am nächsten Tag wieder das Gleiche (lacht). So kaufte ich mir die DVD und schaute mir den Film zu Hause an. Ich liebe es auch einfach auszuspannen oder zu schwimmen.

MF: Wenn ihr schon so oft auf Tour sein, ist Saxon eher eine Live- denn eine Studioband?

Nigel: Nein… Wir geniessen alles was wir tun. Es sind aber zwei sehr unterschiedliche Tiere. Da sitzt du im Bus und fährst zum nächsten Auftrittsort. Dann hast du das Studio wo du deine neuen Stücke komponierst. Dieses Unbekannt zu Komponieren und nicht zu wissen, wie es sich entwickelt. Zu sehen, welche Wendung eine Idee nehmen kann, oder auch nicht. Beide Seiten haben ihr Spannendes, das wir sehr geniessen. Für viele ältere Truppen ist das Touren langweilig geworden. Aber ich geniess es noch immer, sei es nun etwas Neues aufzubauen, oder dieses dann in seiner Vollendung zu spielen. Diese harte Arbeit Abend für Abend ist toll. Auch wenn man während einer Tour seine Familien nicht sehen kann und seine Lieben vermisst, aber ich mag wirklich beide Seiten dieser Medaillie. Es macht Spass zum Beispiel in Schweden zu spielen und unsere Freunde von Candlemass zu sehen. Das ermöglicht dir diese Arbeit. In der Welt herumzukommen und deine Freunde zu sehen, die an allen möglichen Ort leben. Freunde, wie Mats «Mappe» Björkman (Gitarrist bei Candlemass) zu treffen macht immer wieder Spass. Oder an einem Festival all die Musiker zu treffen, die man in all den Jahren kennen und schätzen gelernt hat, das ist wirklich Spass. Solche Treffen hast du im Studio leider nicht.

MF: Wenn du die Zeit mit Saxon zurückdrehen könntest, was würdest du ändern?

Nigel: Oh mein Gott! Wahrscheinlich… Wenn ich das tun könnte… Auch wenn die Fans den Sound mögen, aber ich würde gerne hören, wie Jeff Glixman, unser Produzent von «Power And The Glory», das Album «Crusader» produziert hätte. Das wäre für mich sehr interessant. Auch wenn viele Leute die Produktion lieben, aber diesen Wunsch möge mir erfühlt werden (grinst).

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Nigel: Wir sind jetzt noch bis Weihnachten auf Tour, dann will jeder vom anderen für einen Moment nichts mehr wissen (lacht) und seine Ruhe haben. Dann stehen die Drumrecordings für das kommende Album an. Das wird wohl im Februar sein. Im März gehen wir für einen Monat in den USA auf Tour, zusammen mit UFO. Dann kommt sicher wieder die Festival-Zeit (grinst). Danach ist es September und wir gehen nochmals in den Staaten auf Tour. Was dann kommt… Wir werden es sehen (lacht).

MF: Nigel, besten Dank für das Interview und weiterhin alles Gute!

Nigel: Danke dir, es war mir ein Vergnügen!