Interview: Die Apokalyptischen Reiter
By R.K.
Die Apokalytischen Reiter sind schon eine aussergewöhnliche Band. Seit nun zehn Jahren begeistern sie ihre Fans mit CDs, bei denen einen eigentlich erst richtig die Bedeutung des Wortes Crossover klar wird. Da kann ein Reggae-artiges Stück neben einem Black Metal-lastigen Stück stehen, worauf wiederum Erinnerungen an den Power Metal geweckt werden. Für die Radio Sendung "Taktlos Metal" auf Kanal K (www.kanalk.ch führte ich Ende November ein Interview mit dem Reiter-Sänger Fuchs. Dabei erfuhr ich, was ein Reiter-Album eigentlich mit einer 4-Jahreszeiten-Pizza zu tun hat, welche Bedeutung der Samurai vom neuen Album hat und was für eine Rolle ein Typ namens Skeleton in der Reiter-Biographie inne hat. (F = Fuchs)

MF: Gratulation zum neuen Album "Samurai", hat mir sehr gefallen. Das Cover ziert nach drei Alben zum ersten Mal kein Pferd und ist auch sonst nicht wirklich Reiter-typisch. Wieso gab es diesen Stilbruch?

Fuchs: Ach..., na ja, ich denke, wir versuchen halt, immer mal was Neues auszuprobieren. Also es ist ja auch so, dass wir nicht immer dieselbe Musik spielen oder wir haben auch das Studio gewechselt. So ist es vielleicht am einfachsten zu erklären. Also da steht kein besonderer Sinn dahinter, sondern einfach nur mal was Anderes zu machen, sich zu entwickeln. Mal was Anderes auszuprobieren, eben einfach kreativ zu bleiben.

MF: Aber der Samurai, der hat schon eine gewisse Bedeutung? Oder wurde der vor allem ausgewählt, weil das Cover gut aussah?

F: Nein, das nicht. Also das war so: Als der Album-Titel feststand, haben wir das Cover in Auftrag gegeben. Das hat ein Deutscher gemacht, der in Spanien lebt, Helmut H. Hauptmühl heisst der Typ. Ja, und die Platte heisst eigentlich so, weil sie wahrscheinlich das derzeitige Bandgefühl am besten ausdrückt. Also, die Samurai waren ja einerseits die Krieger mit der einzigen Erlaubnis zu töten. Die waren sehr mächtig, die hatten eine strenge Disziplin und ihren Ehrencodex gehabt. Anderseits haben sie natürlich auch ein sehr leichtes Leben gelebt. Sie haben die Kunst, das Theater und die Musik unterstützt. Und das sind Eigenschaften, die wir uns selber gerne auf die Fahne schreiben.

MF: Im Vergleich zum Vorgänger "Have a nice trip" klingt "Samurai" um einiges lockerer, scheint aber weniger Tiefgang zu haben. Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen diesen beiden Alben für dich selber?

F: Na ja, ich sag mal, das Leben schreibt die Lieder und genau so war's einfach. Weniger Tiefgang würde ich auch nicht nachvollziehen; lockerer auf jeden Fall. Ich sag mal, das ist eben wie ein musikalisches Tagebuch, die Scheiben. Und je nach dem was einen so umgibt, wird das eben aufgesaugt und in Form von Liedgut wieder ausgekotzt. Und genau so ist es eben auch passiert. Und dann kommt eben so was raus.

MF: Von wegen Tiefgang. Da gibt es doch auch Lieder, bei denen ich interessante Bemerkungen hören durfte. In "Der Teufel" singst du, dass unsere Seele des Teufels Werk sei. Ist das nicht ein bisschen zu pessimistisch?

F: Das ist einfach nur eine philosophische Herangehensweise. Ich hab' einfach mal versucht, die..., sofern man den an den Teufel und an einen Gott glaubt, die Genesis einfach mal umzudrehen. Wie wär's denn, wenn nicht Gott uns erschaffen hat, sondern der Teufel, den wir als Gott anbeten und sich fortan an unseren Leiden sozusagen ergötzt. An deiner Gier, an deiner Sehnsucht und allem was dir das Leben so schwer macht. Also das ist so der Sinn dahinter. Und im Refrain löst sich die Sache dann auf, dass man sich selber vielleicht nicht so wichtig nehmen soll und dass man im Prinzip ein kleines Licht ist im Weltenlauf und dass man einfach leben sollte.

MF: Gerade diesen Titel fand ich textlich sehr interessant. Weil auch ich denke, man soll nicht immer alles von der gleichen Seite sehen.

F: Nö! So sind ja auch unsere Alben. Da gibt es ja sozusagen alles. Niemand ist ja das ganze Jahr nur böse oder nur traurig, nur herzallerliebst oder erfreut. Die Reiter machen vielleicht Musik in Form einer 4-Jahres-Zeiten-Pizza.

MF: Also im Stil von, dass das irgendwie wintermässig kühl beginnt und sich dann aufwärmt und so...?

F: Ja, gut. Das hängt halt dann davon ab, wie man die Songs auf der Scheibe anordnet. Also das war für uns die beste Lösung, weil die Songs auch zu ganz unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Also wir sind auf jeden Fall keine Band, die sich für zwei Wochen in irgend eine Holzhütte zurückzieht und dann ihr neues Eisen schmiedet, sondern es passiert schon über einen längeren Zeitraum. Viele der Sachen sind auch auf Reisen entstanden. Zum Beispiel "Lazy day" oder "Die Sonne scheint", das sind Sachen, die in Portugal und Frankreich entstanden sind. Und da scheint nun mal die Sonne ziemlich viel und das war eigentlich ziemlich perfekt. Dann entstehen vielleicht eher so die..., die leichteren Songs, sag ich mal.

MF: Auf der "All you need is love"-CD hattet ihr den Titel "Reitermania" und auf der aktuellen Samurai-Scheibe den Titel "Reitermaniacs". Was verbindet die Lieder ausser den ähnlichen Namen?

F: "Reitermaniacs" ist wohl noch mehr eine Fan-Hymne. Also ist speziell für unseren Fan-Club "Reitermaniacs" entstanden, die uns wirklich wahnsinnig viel unterstützen und viel für uns tun und ganz oft bei den Konzerten da sind, und ein ganz reger Austausch stattfindet. Es ist eigentlich..., natürlich feiern wir uns mit dem Lied auch selbst..., also ich find' das eigentlich eine ganz gute Sache, sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und zu sagen, wie toll man sich findet. Und wir feiern uns mit dem Lied. Oder feiern die Fans jedenfalls mehr mit dem Lied. Das ist ein kleiner musikalischer Blumenstrauss für all diejenigen, die uns über all die Jahre unterstützt haben, und uns dahin gebracht haben, wo wir eigentlich jetzt sind.

MF: Gab es da ein besonders schönes Erlebnis im Zusammenhang mit den Fans?

F: Och, da gibt es immer viele schöne Erlebnisse. Also wir machen ja einmal im Jahr immer ein grosses Fanclub-Treffen. Und da ist eigentlich nur Reden, Party, Grillen, Trinken, einfach nur Spass haben, die Leute können Fragen stellen. Also es sind schon fast familiäre Verhältnisse, ohne Auftritt, ohne Spielen, also irgendwas zum Anfassen.

MF: Gibt es auch ein schönes, blumiges Beispiel von einem speziellen Fan-Erlebnis?

F: Na, vielleicht. Wir waren ja letztes Jahr mit Subway To Sally auf Tour, und wir haben da einfach mal gesagt, dass doch bitte alle Fanclub-Mitglieder in gelben T-Shirts kommen sollen. Und das haben sie dann auch tatsächlich gemacht und da gab's ganz witzige, kreative Sachen. Die Leute haben sich da wirklich ein gelbes T-Shirt gekauft und da irgendwelche Sachen draufgemalt oder draufgedruckt und die tauchen jetzt natürlich immer wieder auf. Also es war schon lustig. Das war eine riesige Halle. Da waren 1800 Leute. Die Bude war ausverkauft und da hast du überall diese kleinen gelben Reiter-Tupfen gesehen und das war sehr schön.

MF: Vom Stilmix her seid ihr eine der wenigen Bands, die sich als Crossover oder als Open-Minded-Band bezeichnen können. Der Anteil der deutschen Texte ist jetzt aber wieder gesunken. Wohin wird die musikalische Reise gehen, kann man das schon sagen?

F: Das kann man mit Sicherheit noch nicht sagen. Aber der Anteil ist eigentlich nicht gesunken, das hör' ich immer wieder in Interviews..., aber der Anteil ist ungefähr Hälfte - Hälfte, wie es schon immer war.

MF: Ich hab' gestern nur mal gezählt. Beim neuen Album sind es fünf deutsche Lieder, beim Letzten waren es acht!

F: Gut, dann lag ich vielleicht doch falsch. (lacht)

MF: Aber es fällt grundsätzlich nicht auf, also wenn man es nicht nachzählt.

F: Also, es passiert nicht bewusst.

MF: Nein, überhaupt nicht.

F: Da steckt auch nichts dahinter. Es sind vielleicht, ich sag' mal die einfacheren Gefühle oder die einfacheren Worte, die Songs sind vielleicht eher in Englisch, kompliziertere Sachen eher in Deutsch. Also da bedient man sich vielleicht eher seiner Muttersprache. Und ausserdem ist es eine schöne Sache, wenn man auf der Bühne steht und die Halle brüllt deinen Song mit. Das ist einfach ein wunderbares Gefühl.

MF: Das passiert öfters mit den deutschen Songs?

F: Ja!

MF: Jetzt zum Thema Line-Up. Du konntest ja auf dem Album "Have a nice trip" nicht mehr Gitarre spielen.

F: Doch, das hab' ich noch eingespielt.

MF: Das hast du noch eingespielt?

F: Ja, ich hab' alle Alben eingespielt. Wir haben uns auf der neuen Scheibe ("Samurai") die Arbeit geteilt. Also es war so, dass ich nach "All you need is love" Probleme mit den Händen hatte. Es war eine Sehnenscheiden-Entzündung und die musste erst mal auskuriert werden und deshalb kam es auch zu dem neuen Gitarristen. Der ist aber mittlerweile festes Bandmitglied.

MF: Aber die Hand ist wieder ausgeheilt?

F: Ja!

MF: Man hört ja von Dave Mustaine (Megadeth-Frontsau) zum Beispiel, dass er auch Probleme mit der Hand hatte und nicht mehr spielen konnte. Aber das ist heilbar?

F: Auf jeden Fall, man muss sich einfach mal 'ne Pause gönnen. (lacht)

MF: Wieso habt ihr jetzt Pitrone als festes Band-Mitglied aufgenommen?

F: Na, weil er sich einfach gut eingelebt hat. Und weil er einfach ganz gut zu uns passt. Und er ist ein superfeiner, netter Kerl. Und die Arbeit mit zwei Gitarren im Proberaum hat sich einfach super gestaltet. Also es wird auch so sein, dass ich in Zukunft für ein paar Songs die Gitarre wieder in die Hand nehmen werde, auch live. Ja und es sind eben viele zweistimmige Sachen raus gekommen. Ich denke, das Album ist sicher leicht Gitarren-lastiger, was für mich eine sehr positive Entwicklung darstellt.

MF: Ich habe in eurer Bandbiographie gelesen, dass ihr mal einen Drummer hattet, der sich Skeleton nannte.

F: Ja! (lacht)

MF: Er war Gründungs-Mitglied von den Apokalyptischen Reiter. Weisst du, was der heute so treibt?

F: Ja, klar! Er ist immer noch ein Freund von uns und wir haben da regen Kontakt. Also Skeleton hat die Band ja mitgegründet. Er war mit mir einer der Väter der Reitermania und er spielt heute noch bei Disaster-KFW
(www.disaster-fkw.de). Das ist eine lokale Band, die haben jetzt letztens auch eine CD raus gebracht. Also er ist immer noch aktiv. Und Skeleton hiess er einfach nur, weil er so dünn war, so furchtbar dünn.

MF: Da hat man die Rippen gesehen?

F: Also mehr als das, das war eigentlich mehr so eine tapezierte Fischgräte! (lacht)

MF: Allgemein ist das Line-Up aber schon seit Jahren stabil. Was machen andere Bands falsch in diesem Zusammenhang?

F: Ach, das weiss ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es vielleicht nur eine Person gibt, die die Band antreibt und alles andere austauschbar ist. Das ist ja bei uns nicht ganz so der Fall. Oder dass die Egos vielleicht kleine Kriege gegeneinander führen, so was. Ich denk' aber, dass es für eine Band sehr wichtig ist, dass das Line-Up stabil ist. Also keine Ahnung. Wir kennen uns einfach schon so lange, wir kannten uns ja vor der Musik schon, und sind teilweise zusammen aufgewachsen.

MF: Bei euch ist es zudem so, dass es musikalisch auch ohne neue Leute von Album zu Album verschieden ist. Bei anderen braucht es zum Teil neue Leute, um dies zu erreichen.

F: Ja gut, frisches Blut bringt sicherlich immer was Neues, neue Ideen, neue Änderungen. Ich sag' mal die Inspiration, die..., also wie gesagt..., mein Leben ändert sich ständig oder es passiert ständig irgendwas, was ich aufnehme und verwerte. Und eine grosse Inspirations-Quelle ist das Reisen. Ich bin einfach auch viel unterwegs. Also ich treffe ständig irgendwelche Leute, bewege mich in anderen Kulturen, anderen Ländern und da bleibt das irgendwie nicht aus. Also zum Beispiel diesen Song "Fatima" auf der "Have a nice trip", da war ich mit einem Israeli durch Australien unterwegs und der hat mir den ganzen Tag diese arabische, jüdische Musik vorgespielt. Und dann komme ich nach Hause, schnappe mir die Gitarre und da war die Melodie da. Also so passiert das dann.

MF: Ihr seid ja bei Nuclear Blast. Zum Beispiel auf www.powermetal.de liest man oft Kritik von den Fans, dass Nuclear Blast nur noch ein Kommerz-Label sei und die Musik der Künstler poppig beeinflusse. Hast du das Gefühl, dass Nuclear Blast eure Musik beeinflusst hat?

F: Nein, in keinster Art und Weise! Natürlich sind Nuclear Blast dem Kapitalismus verpflichtet und werden Bands nicht ewig halten, die keine entsprechenden Verkaufszahlen liefern. So ist es nun mal. Anderseits muss ich sagen, dass es die beste Plattenfirma ist, die wir je hatten. Also man kann dort anrufen und erreicht tatsächlich jemanden. Die hören sich deine Wünsche und Vorschläge an, setzen sich mit dir auseinander und das gehört in dem Business eher zu den Unüblichkeiten (cooles Un-Wort! Der Lektor). Also ich kann nichts Schlechtes sagen und dass sie in unsere Musik reinreden gibt's einfach nicht. Das würden wir auch nie zulassen.

MF: Also die würden nicht kommen und sagen: "So ihr macht jetzt diesen Song, weil wir noch einen Single-Hit brauchen"?

F: Nö, also das Ruder würden wir uns auch nie aus den Händen nehmen lassen. Weil dann funktionierst du automatisch als Dienstleister und nicht mehr als Künstler. Also wir lassen uns da in unserer Kreativität in keinster Weise beschneiden.

MF: Dann gibt es auch viele, die etwas gegen diesen Wahn an "Limited Editions" haben. Was hältst du von "Limited Editions" in dieser Menge, wie sie Nuclear Blast raus wirft?

F: Ja gut, wie gesagt. Die denken halt ökonomisch und andererseits wollen sie mit dieser "Limited-Sache" auch der Brennerei einen Riegel vorschieben. Dass sich der Fan das dann wirklich auch kauft und nicht aus dem Netz zieht. Es ist einfach so, dass so gut wie jede Platte schon vor der Veröffentlichung im Netz steht und das ist für die Plattenfirma natürlich ein riesiger Schaden.

MF: Weisst du, ob "Samurai" schon lange vorher auf dem Netz war?

F: Ja, ja..., schon lange! (lacht)

MF: Wie viele Wochen dann?

F: Also wir haben schon vor der Veröffentlichung ein paar Shows gespielt und die Leute konnten es einfach schon mitsingen.

MF: Mit eurem Stilmix könnt ihr mit fast jeder Metal-Band touren und auf fast jedem Metal-Festival spielen. Mit wem würdet ihr trotzdem nie touren wollen?

F: Uhh..., das kann ich jetzt so gar nicht beantworten. Also da ist natürlich die Musik die eine Geschichte und die Persönlichkeit der jeweiligen Leute die andere Geschichte. Also wir waren ja mit ganz unterschiedlichen Bands auf Tour. Von der Mittelalter über die extrem Black Metal was weiss ich..., mit Marduk oder mit Death Angel, Pro Pain und mit sonst wem, und also ich weiss nicht. Die Leute, die die böseste Musik spielen, sind meistens die Netten. (lacht) Aber wir hatten eigentlich noch nie irgendwelche Probleme oder Auseinandersetzungen, deswegen kann ich nicht sagen mit welcher Band ich nicht auf Tour gehen möchte.

MF: Wisst ihr schon, auf welchen Festivals ihr im Sommer spielen werdet?

F: Ja! Also es gibt da schon ein paar Sachen. Aber mir ist jetzt am Wochenende aufgetragen worden, dass ich es noch nicht verraten darf. Das Einzige was ich verraten darf, ist das "Full Force". Das ist auf jeden Fall definitiv bestätigt worden.

MF: Ihr kommt ja noch in die Schweiz, nach Winterthur, für zwei Shows, hab' ich gesehen. Was werden die Fans dort so erwarten können?

F: Na, die werden auf jeden Fall eine gute Show geboten kriegen. Wir werden uns jedenfalls Mühe geben und es wird sich optisch eine Menge ändern. Wir werden auf jeden Fall eine gute Show fahren, falls es möglich ist in diesem Club. Aber ich weiss, dass man da gerade am Verhandeln ist, ob man nicht in eine grössere Halle umziehen könnte, um eben ein paar Sachen möglich zu machen. Es gibt eine völlig neue Bühne und mehr möchte ich noch gar nicht verraten. (siehe Konzert-Bericht aus Luzern!)

MF: Da können wir ja mal gespannt sein. Wir sind bereits am Ende des Interviews. Vielen Dank, dass du dir dafür Zeit genommen hast.

F: Ich danke auch! Vielen Dank auch an die Fans, die uns unterstützen. Ich hoffe, wir werden möglichst viele von euch auf der Tour sehen.