Interview: Okto Vulgaris

By Leopold S.
 
Keine Privatsphäre auf der Tour.



«Modern Me», so heisst das full-length Album, eigentlich das full-length Debüt-Album der Churer Rock Hardrock Grunge Alternative Stoner Band namens Okto Vulgaris. Wer schon mal in den Genuss einer Liveshow besagter Band gekommen ist, die/der weiss, was es geschlagen hat und ja, diese unbeschreibbare Power, welche einfach live gesehen, gehört und gespürt werden soll, diese wurde nun sowohl auf einen Silberling als auch auf Vinyl gebannt und ja, diese Power wurde 1:1 übertragen. Nun, um mehr zu erfahren, beschloss Metal Factory, bei Okto Vulgaris mal anzuklopfen...

MF: Hoi zämä! Erstmal Gratulation zum Album «Modern Me», welches musikalisch wie auch produktionstechnisch eindeutig einen goilen Livecharakter erhalten hat. Wie ist es dazu gekommen? Mit wem habt ihr zusammen gearbeitet?

OV: Hello Metalfactoryaner. Die Band gibt es seit circa vier Jahren. Nach der EP «Tube One» (2017) war es unserer Meinung nach an der Zeit, auch den Rest unserer Songs mal auf einen Tonträger zu packen. Aufgenommen haben wir «Modern Me» bei unserem Freund Tom Gartmann von t-club production suite. Bei ihm haben wir schon einen Grossteil der EP aufgenommen, Jeder von uns arbeitet gerne mit ihm, und Tom war es sehr wichtig, den Charakter der Band einzufangen. Dort wurden schon mal ein, zwei Flaschen geköpft und mit Zigarette eingesungen. Der Wohlfühl-Faktor im Studio spielt den Song mit ein. Ausserdem haben wir alles nackt eingespielt, so die Gerüchte.

MF: Wie verlief der Songwritingsprozess zu «Modern Me» ab? Was hat sich geändert gegenüber der EP?

Sarah: Songs entstehen bei uns im Jam oder es spukt eine eine fast fertige Idee herum. Oftmals steht auch nur ein Gitarrenriff im Raum, ein Song entspringt mal innert Minuten, und manche brauchen Monate. Unser Liedgut entsteht frei von der Leber, wir sind zu viert und jeder bringt seine Ideen ein. Dann wird auch mal heftig diskutiert, bis zum fertigen Song. Wir verbringen seit Beginn an viel Zeit miteinander. Geprobt wird in einem Turm. Im Schreibprozess hat sich gegenüber der EP nicht viel geändert. Wir haben nur etwas mehr Übung darin.

MF: Es ist mir auch aufgefallen, dass ihr die Power, welche ihr live auf der Bühne zelebriert, perfekt auf «Modern Me» rüber gepackt habt. Man merkt, wie die Band sich mehr und mehr zusammenschweisst. Ist dies ein Prozess des steten Tourens, des steten Zusammenspielens?

Mähna: Auf jeden Fall. Auf Tour verbringt man sehr, sehr, sehr viel Zeit miteinander, wir wohnen beim Touren meist alle in einem Ford Transit und Privatsphäre ist ein Fremdwort. Man ist nie allein beim Pinkeln. Das schweisst zusammen. Knapp sechzig Konzerte, in halb Europa verteilt, stärken den Zusammenhalt. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen, Reibung erzeugt Wärme.Den Grossteil von «Modern Me» wurde an einem Wochenende aufgenommen. Gute Vorbereitung, und eine Prise Eigendynamik (verkatertes Zuspäterscheinen im Studio, Frühstücksexzesse, etc.) und während den Aufnahmen gab es viel zu lachen, Qualität wurde trotzdem hochgeschrieben und wir haben uns gegenseitig angespornt. Laut unserem Studio-Meister Tom, gebt mir mehr Arsch und Titten, that's Rock'n'Roll!

MF: Welche musikalischen Einflüsse haben euch beim Songwriting zu «Modern Me» begleitet?

Sarah: Die Einflüsse kommen von überall, obwohl der Rock und Punk wie Metal in unseren Playlists dominiert. Findet man bei Jack «Das Lied der Schlümpfe», so stehe ich unglaublich auf den Song «Toxic» von Britney Spears, Mähna tanzt zu Celine Dion, während sich Mary heimlich mit der Kelly Family beschallt. Unsere Nachbarn im Wohnblock neben dem Probeturm nennen es Geklimper und Gegröle… Tuberock?! Wer nichts mit dieser Antwort anfangen kann, checkt einfach unsere Videos im Netz oder kauft die Katze im Sack!

MF: Ihr bringt euer Album in Eigenregie heraus. Wie hat sich das so gestaltet, bzw. ergeben? Wie denkt ihr allenfalls über einen Vertrieb oder gar bei einem Label unter Vertrag zu kommen? Oder ist das gar nicht euer primäres Ziel, sondern einfach die Mucke zu machen, ohne dass dabei euch jemand drein redet?

Mary: Bis jetzt, kein Thema. Wir machen alles selbst, kümmern und designen unser Merch, Plakate, Covers, Bandpics, Videoclips, Booking, Chauffeur und ja, sogar eine funktionierende Buchhaltung. Neben der Musik nutzen wir jedes Talent, das in die Band-Wiege gelegt wurde. Es ist ein riesen Haufen Arbeit. Punkto Label sind wir nicht komplett abgeneigt, wer weiss, was noch passiert. Das primäre Ziel ist es im Vorprogramm der Foo Fighters zu spielen.

MF: Man weiss, dass ihr viel live spielt. Durch die aktuelle Situation ist dies nicht mehr so wie gewohnt durchführbar. Welche Alternativen habt ihr schon ausprobiert oder heckt ihr was aus, um live dennoch stets präsent zu sein?

Mähna: Jede Band auf der Welt kämpft mit Bühnen-Entzug. Panik!!! Die meisten Tonträger verkaufen wir meist bei den Live-Gigs, auch wenn wir sautraurig über die Situation sind. Es geht weiter. Die Hälfte des Lockdowns waren unsere zwei Mädels in Brasilien unterwegs, trotz 8000 km Entfernung haben wir zusammen einen neuen Song geschrieben und veröffentlicht. Corona kann uns mal! In den nächsten Wochen untermalen wir «Bran San» vom aktuellen Album mit einem niegel-nagel-neuen Videoclip. Spätestens Anfang Juni auf sämtlichen Social-Medias und Youtube anzusehen.

MF: Wie sieht es bei euch textlich aus? Welche Themen verarbeitet ihr?

Sarah: In den Texten wird der Alltag verarbeitet, mit viel Platz für Interpretation. Jeder ist sein eigenes modernes Ich. Im Song «Modern Me» handelt es davon, dass man auch mal aus dem Raster fallen darf.  Giulia zum Beispiel ist eine Hündin mit fischigem Mundgeruch, die mir beim Rauchen Gesellschaft leistete, viele Textbausteine sind hier beim Rauchen mit der Hündin entstanden. «Hero» ist in einer Bandprobe im Jam fast komplett zugeflogen, das geschah in der Nacht, als Trump zum Präsidenten gewählt wurde, eher Zufall. Im Inhalt: Helden sind nutzlos, wenn wir alle gerettet werden. Ansonsten handelt das Album von Liebe, Sucht, Trennung, Hass, Tod und Schadenfreude, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

MF: Nun, beim Cover-Artwork habt ihr mich echt überrascht. Welche Idee steckt dahinter? Inwiefern steht es zu den Texten und der Musik?

Mary: Das Cover ist ein Teil des Küchentisches von Sarah, gepaart mit einem Foto, das in unserem Stamm-Lokal Palazzo in Chur im Ausgang geknipst wurde. Schon beim ersten Blick aufs Foto, ja, einer ist sogar ein Lover, da ward' uns klar, ihr kommt aufs Album. Es sind die kleinen Dinge, die das Leben schöner machen.

Lachender Jack: Das Lemuren-Muster auf der CD/Vinyl erzählt von einem Konzert in Dresden 2019, leider mussten wir dieses absagen, da unsere Sängerin mit Lebensmittelvergiftung im dortigen Backstage mit exakt diesem Tapetenmuster einen Kübel umarmte.

MF: Ihr macht ja "Röhrensoundmusik", um es mal ganz förmlich nennen zu dürfen. Wie sieht denn das Equipment, nebst den Röhren so aus? Will schreiben, wie setzt sich das Equipment bei Okto Vulgaris denn so zusammen?

Mähna: Bass: 5-Saiten Fender Jazzbass, und Sperrml, ein 4-Saiter, gefunden aufm Sperrmüll?! Auf Ampeg 12*10.

Jack: Pearl Standard DrumKit mit Meindel Becken. Im Proberaum preiswertes Beckenset zum zerhacken.

Gitarre Mary: Marshall JVM Stack, Fender Strat mit Lipstick pick ups oder Gibson Les Paul Studio.

Gitarre Sarah: Marshall JTM 60 Combo, mit Fender Telecaster oder Gibson SG Standard.

Mic: MXL CR77. Effektpedal TC Helikon VoiceTone X1. MicStänder garniert mit Totenköpfen, Weihnachtsbeleuchtung, Katzenschädel und allerlei.

MF: Der Frühling, Sommer und Herbst kommt, da stehen wohl viele Shows an, die nun teilweise verschoben worden sind. Absagen sind bekanntlich eher weniger als erwartet eingetroffen, was auch fair und gut ist. Was ist bei euch geplant?

Mary: Die aktuelle Lage sorgt leider für einen konzertfreien Sommer. Für Herbst September/Oktober steht eine CH-Tour auf dem Programm. "Under One Hat"-Tour geht in die zweite Runde, vier Bands, in zehn bis fünfzehn Schweizer Destinationen. Hoffentlich herrscht bis dann einigermassen Normalzustand, denn die Entzugserscheinungen sind gewaltig, auf und vor der Bühne. Im Allgemeinen ist es sehr schwierig, Konzerte zu planen, da die ganze Welt verrückt spielt. Keiner weiss, wie lange das anhalten wird. Wenn möglich werden wir 2021 wieder eine Auslandtour auf die Beine stellen.

MF: Wie sind die ersten Reaktionen auf das neue Album ausgefallen? Was erhofft ihr euch davon und den allenfalls anstehenden Touren?

Jack: Fett! Wir sind zufrieden. Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Kaufen kann man die Scherbe momentan bei uns auf der Homepage, physisch oder als SMS im Onlinevertrieb von Spotify/Apple. Also greift zu!

MF: So, jetzt dürft und könnt ihr noch sagen, was ihr sagen möchtet, einfach das, was euch gerade so bewegt und ihr loswerden möchtet, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.

OV: Vielen Dank fürs Lesen. Bleibt gesund, haltet durch, macht das Beste daraus. Wir freuen uns, wenn wir uns bald an einem Konzert über den Weg laufen und diese Scheiss-Krise endlich vorüber ist! Keep on rockin' in the free world! Ahoi.

Danke nochmals für das interessante und ausführliche Interview. Wie gesagt, die Vorarbeit für das neue Album ist hiermit geleistet, jetzt liegt es noch an den Fans, euch fleissig an Konzerten zu besuchen und diese unglaubliche Power zu tanken. Ein herrlich grooviges Album einer sehr tighten Band. See you on stage...