Interview: Michael Monroe

By Tinu
 
Unschuldig an all den Klischees.



Der ehemalige Hanoi Rocks-Sänger ist eine Koryphäe im Musik-Business. Keiner hat die Szene dermassen beeinflusst wie der platinblonde Finne, der seit Jahren mit seinen Soloscheiben auf sich aufmerksam macht. Hier ein bisschen Punk, da ein bisschen Sleaze, erweitert mit fetten Rhythmen und tragischen Parts, die aber auch mit viel Schmackes serviert werden. Matti Fagerholm, so der bürgerliche Name von Michael, bedient sich bei der Rezeptur seiner Lieder wie in einem Frisch-Food-Laden und nimmt nur die erlesensten Produkte für seine Musik. Er ist auf der Bühne ein kleiner Derwisch, der den Spagatsprung noch heute beherrscht und damit David Lee Roth (Van Halen) schon lange an Akrobatik auf der Bühne überholt hat. Wenn er dabei seinen schwarzen Fächer schwingt oder den schwarzen Kayalstrich zur Show führt, bleibt kein Auge trocken. Schon gar nicht diejenigen von Mister Monroe, bei denen es scheint, dass sie jeden Moment aus den Augenhöhlen fliegen. Wie sich Michael selber sieht, ob als normaler Musiker oder Trendsetter, könnt ihr im folgenden Interview nachlesen. Und ja, er ist eine spezielle Persönlichkeit, der an Chaotentum, Zerstreutheit und kindlicher Freundlichkeit nicht zu übertreffen ist. Einer der in seiner Art sehr nett, zuvorkommend, aber auch überdreht und völlig verrückt erscheint.

MF: Wie kam es zu «Blackout States»?

Michael Monroe: Alles startete mit den Liedern (lacht). Viele Dinge schreiben wir nur für uns und sehen dann, was sich daraus ergibt. Im Proberaum arbeiten wir an diesen Ideen zusammen weiter. Daraus ergeben sich die neuen Lieder. Es ist immer das Gleiche mit den Japanern, die noch exklusive Bonustracks wollen. Beim letzten Album hatten wir die Möglichkeit, Songs aus der Songwritingphase zu verwenden. Dieses Mal blieb nichts übrig.

MF: Was sind für dich die «Blackout States»?

Michael Monroe: «The states in mind»! Der Songs handelt von einem Junkie. Aber es gibt im Leben immer unterschiedliche Sichtweise. Da spielt es keine Rolle, ob du Drogen nimmst oder trinkst. Eine viel tiefere Bedeutung hat der Song nicht, schlussendlich ist es nur der Titel dieses Liedes. Als wir nach einem Albumtitel suchten, fanden wir, dass «Blackout States» wirklich cool klingt. Weisst du, für mich sind die Texte wichtiger als die Musik.

MF: Hattest du Blackouts in deiner Karriere?

Michael Monroe: Blackouts? Oh immer wieder (lacht). Das ist mein Spitzname (lacht). Ich denke aber, dass jeder Momente hat, in denen er nicht mehr so genau weiss, was gerade passiert. «There's always darkness before the dawn» (lacht).

MF: Einer deiner dunkelsten Momente war mit Sicherheit der Tod von Razzle, deinem Schlagzeuger von Hanoi Rocks, der bei einem Autounfall ums Leben kam, als Vince Neil (Mötley Crüe) am Steuer sass!?

Michael Monroe: …das war ein schrecklicher, trauriger Moment. Und ja, das war damals wirklich ein «Blackout State». Eine schlechte, dunkle und traurige Zeit. Mein Leben war ein einziger Schatten. Weisst du (lachend), ich habe Vince Neil danach nie mehr getroffen, und darum kann ich auch nicht sagen, dass unsere Freundschaft gelitten hat. Es war ein verdammter Unfall, und ich gab Vince nie die Schuld am Ganzen. Das war ein Schicksal, das niemand wollte, aber passierte. Es ist verrückt, von diesem Moment an wollte ich nie mehr ein Auto lenken. Diese Tragödie hat mich davon abgehalten, und es wäre vielleicht besser gewesen, ich hätte mich wieder hinters Steuer gesetzt. Da hätte ich vielleicht gelernt besser mit diesem Unfall umzugehen. Auch wenn dir deine Mama sagt, dass du die Vergangenheit ruhen lassen sollst, oftmals ist dies nicht möglich. Ich traf Vince nie mehr, aber Tommy und Nikki. Es besteht keine grosse Historie zwischen Mötley Crüe und Hanoi Rocks. Razzle und Vince hatten sich vorher drei oder vier Mal getroffen. Alleine aus diesem Grund bestand keine allzu grosse Freundschaft. Das ist Vergangenheit!

MF: Aber hat der Tod von Razzle dein Leben verändert?

Michael Monroe: (verächtliches Lachen): Ob es mein Leben veränderte? Es hat alles verändert und mein Leben gebrochen! Meine Band und mein Leben waren weg. Aber ich hab es überlebt. Es gab nur eine Person, die in dieser Zeit immer für mich da war, er hat mir über diese Tragödie hinweggeholfen und mich beim Start der Solo-Karriere unterstützt. Es lag nicht nur am Tod von Razzle, dass Hanoi Rocks nicht mehr existierten. Sami Yaffa verliess die Band. Da waren nur noch ich, Nasty und Andy. Zusammen gab es keinen Halt mehr. So zog ich nach New York City und lebte da für die nächsten zehn Jahre. Die Originalbesetzung von Hanoi Rocks war meine Familie. Alles war weg, als die Band sich auflöste. Heute sitze ich mit dir zusammen und versuche es besser zu machen (grinst). Weisst du, ein stabiles Line-Up ist sehr wichtig. Seit 2010, mit Ausnahme des einen Gitarristen, spielen wir in der gleichen Besetzung zusammen. Als Sami wieder mit mir zusammen arbeiten wollte… Wow, das war richtig geil! Er war einer der Schlüsselpunkte für die heutige Besetzung. Zuerst spielte Ginger von den Wildhearts bei uns. Er wurde von Dregen (Backyard Babies) ersetzt und dieser schliesslich von Rich Jones. Alle Musiker haben in der Band die Freiheit zu schreiben, was sie wollen. Klar obliegt mir eine gewisse Kontrolle, so dass das Endprodukt nach Michael Monroe klingt. Aber da stehen uns unsere Egos glücklicherweise nicht im Weg! Ich will kein Kontrollfreak sein, sondern versuche alle Inputs zusammen zufassen und zu einem guten Monroe-Song werden zu lassen. Was du gibst, kommt zurück und entlädt sich in einer grossen Kreativität. Das sind alles hervorragende Songschreiber. Karl Rockfist (Drum), Steve Conte (Gitarre) und Rich bringen sich stark ein. Die Basics sind vorgegeben, aber wir harmonieren und ergänzen uns sehr gut. Das fühlt sich verdammt gut an. Die Band hat eine sehr seltene und kreative Chemie.

MF: Ist «Man With No Eyes» ein autobiografischer Text?

Michael Monroe: Nein… Ja! Also… Nein und Ja (lacht). Der Track handelt von Diktatoren. Die meisten von ihnen tragen einen langen Schatten. Die ursprüngliche Idee stammt vom Film «Cool Hand Luck» («Der Unbeugsame»). Die Hauptrolle spielte Paul Newman. Das ist mein absoluter Lieblingsfilm aller Zeit. Der Spiegelschatten, der nie ein Wort sprach, das ist der «Man With No Eyes». «Don't mess with the man with no eyes!»

MF: Wie wichtig war für dich die Zusammenarbeit mit Axl Rose (Guns n' Roses) beim Song «Dead, Jail Or Rock 'n Roll»?

Michael Monroe: Das war grossartig und hat eine Menge Spass gemacht. Er wollte beim Video unbedingt mitmachen, weil er ein grosser Fan von mir ist. Axl ist ein so verdammt netter Typ. Zu mir war er immer freundlich und es gab keine Probleme! Ich könnte nichts Schlechtes über Axl sagen. Er ist ein Gentleman und hat sich nie verspätet, wenn wir uns verabredeten. Sehen wir uns in New York und treffen uns zum Essen, kommt er nie zu spät. Unsere Konversationen drehen sich um spirituelle Dinge und lockere Gespräche. Nie über Hollywood, Partys oder irgendwelche Mädels. Wenn wir uns unterhalten, sind dies immer sehr tiefgehende und intelligente Gespräche. Uns verbinden sehr viele lustige Momente.

MF: Wenn wir schon in Hollywood sind, wie wichtig waren für dich «Sex, Drugs and Rock 'n Roll»?

Michael Monroe: (lachend): So wichtig, dass ich nichts über diese Klischee erzählen kann. Das ist das Wichtigste für mich! Ich war in meinem ganzen Leben nie mit einem Groupie zusammen. Ich kann mir nicht vorstellen wie das sein soll, mir mit einer fremden Person die Nacht um die Ohren zu hauen. Eine Frau, die ich dann nie mehr sehen würde. Es macht mich krank, die ganzen Klischees zu hören. Viele Musiker sehen in mir nur das Party-Tier, das mit seinen Posen auf sich aufmerksam macht. Dieser ganze Hair-Metal… «Gebt mir nicht die Schuld für diesen Scheiss!» Viele dieser Musiker können besser mit der Haarsparydose hantieren, als mit einem Instrument. Für mich stand immer der Song und die Musik im Vordergrund. Natürlich will ich eine gute Show bieten, aber das hat nichts mit Posen, dem Eyeliner und einer Fönfrisur zu tun. Viele Leute sehen so albern aus, wie ich (grinst). Aber ich bin ein Freak (lacht). «Michael, you startet this fashion!» Leute, gebt nicht mir die Schuld. Klar gibt auch viele gute Truppen. Guns n' Roses wurden durch Hanoi Rocks beeinflusst, aber sie gingen immer ihren eigenen Weg. Ihr Sound war heavier als jener von Aerosmith. Sie haben die punkige Attitüde von Hanoi Rocks noch härter gemacht. Das ist etwas, was viele dieser Hair-Bands vermissen lassen. Eine eigene Identität.

MF: Was machst du in deiner Freizeit?

Michael Monroe: Ich geniesse mein Leben zu Hause mit meiner Frau und meinen zwei Katzen. Ich liebe es zu Hause zu sein. Dabei nichts zu tun (schallendes Gelächter) und TV zu schauen.

MF: «Relaxing und enjoy your life»…

Michael Monroe: …du hast es erfasst! Weisst du, auf Tour zu gehen… «it sucks»! Konzerte zu spielen, das ist grossartig! Aber das Leben im Tourbus ist die verdammte Hölle. Wenn da nicht mal eine Hoteldusche vorhanden ist, weicht dieses Dasein stark von einem glamourösen Leben ab! Da kann ich nur lachen, wenn die Leute von einem interesanten Leben auf Tour sprechen (lacht). Das Touren, die ganzen Reisen, das ist ein Tritt in den Arsch. ABER! Diese neunzig Minuten, die man auf der Bühne steht, entschädigen für alles. Das ist auch der Grund, wieso wir uns diesen Scheiss immer noch antun (grinst).

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Michael Monroe: «Keep doing what I'm doing and trying to be better!» Alles was ich bisher tat, war nicht wirklich gut genug, sondern hatte noch immer Potenzial. Weiterhin mit dieser Band viel Freude zu haben, versuchen noch ein bisschen berühmter zu werden und dabei die Möglichkeit zu haben vor einem noch grösseren Publikum zu spielen. Auch wenn du uns nicht kennst und kein Rocker bist, aber unser Shows wirst du mögen (lacht)! Es kommt vom Herzen und ist romantischer Rock 'n Roll mit vielen guten Melodien. Alles was ich machen kann ist, mich immer zu verbessern und das Bestmöglichste abzuliefern...

MF: …und dazu wünsche ich dir alles Gute!

Michael Monroe: Danke dir! Es war mir ein Vergnügen.