Interview: Lordi

By Tinu
 
Angepisst über illegale Downloads.



«Ladies and gentlemen, please fasten your seat belt and enjoy your flight with Scare Force One!» Die Monsterrocker aus Finnland veröffentlichten mit ihrem neusten Streich «Scare Force One» einmal mehr ein sehr unterhaltsames und packendes Album. Man kann sich sicher darüber streiten, inwiefern man eine Truppe wie Lordi neben Alice Cooper und Kiss braucht, aber solange die Gewinner des «Eurovision Song Contest» mit dermassen viel Freude ans Werk gehen, fällt eine solche Anklage unter den Tisch. Auch wenn die Showelemente manchmal sehr derb unter die Gürtellinie gehen, ein Konzert der Nordländer ist immer wieder ein Ereignis. Nach dem Konzert im Z7 und dem Überbringen einer feinen Schokoladen-Geburtstagstorte, stand dem Interview mit dem in voller Montur neben mir stehenden Mister Lordi nichts mehr im Wege. Der bekennende Kiss-Fan entpuppte sich als sehr redseliger Gesprächspartner, der das berühmtberüchtigte «F»-Wort mehr in seinen Ausführungen benutzt, als Sebastian Bach…

MF: Happy birthday!

Mister Lordi: Thanks man!!!

MF: Ist es ein spezieller Moment, deinen Geburtstag hier im Z7 zu feiern?

Mister Lordi: Absolut! Als es an die Planung für diese Tour ging… Ich führte zwei Interviews und die Journalisten fragten mich, ob es spezielle Auftrittsorte für mich gibt. Ja, das Z7! Es ist unglaublich, dass wir schon elf Mal hier gespielt haben. Es ist alles so wunderbar in Pratteln, die Leute sind nett, die Halle hat einen unglaublichen Charme und die Stimmung hier ist immer der Hammer. «It's fucking awesome!» Wir lieben diese Halle, wir lieben diesen Platz… darum bin ich so glücklich heute, meinen Geburtstag hier feiern zu können. Das Essen im Z7… UNGLAUBLICH. «Fuck yeah!» Es funktioniert alles so perfekt! «I love it, I love this fucking place!»

MF: War es für dich ein spezieller Moment, ganz am Schluss der Show noch «God Of Thunder» von Kiss zu spielen?

Mister Lordi: Das war erst das zweite Mal, dass wir diesen Song auf der Bühne spielten. Das erste Mal war bei einer Release-Show in Helsinki. Ich sagte meiner Band hey, das ist mein verdammter Geburtstag und ich will, dass wir hier im Z7 «God Of Thunder» spielen! Ja, es ist mein Lieblingssong von Kiss, das ist sehr einfach zu sagen. «Destroyer» war mein erstes Album, welches ich von den Schockrockern aus den Staaten kaufte. «God Of Thunder» beschreibt sehr gut, was wir tun und ist für mich mehr oder weniger der ultimative Kiss-Track. Oft verwenden wir diesen Song vor unserem Intro bei den Shows. Was heute natürlich nicht möglich war, darum haben wir «Unholy» als Einstieg ausgewählt (lacht), der passt auch sehr gut zu Lordi! Ob «God Of Thunder» der beste Song von Kiss ist? Vielleicht, ja?! Aber für mich persönlich beschreibt er Kiss am besten. «Destroyer» ist mein absolutes Lieblingsalbum. Ich liebe «Revenge», ich liebe «Lick It Up», ich liebe «Creatures Of The Night», ich liebe «Carnival Of Souls»…

MF: …WIRKLICH???

Mister Lordi: «I fucking love it!» Ich war so überrascht, als das Album veröffentlicht wurde. Als die Jungs wieder geschminkt auftraten, gehörte ich zu den ganz Wenigen, die sagten: «Nein, lasst die Schminke beiseite, ihr seid so gute Musiker und habt euch dermassen entwickelt, lasst die Schminke und das alte Line-Up sein».

MF: Wer oder was ist «Scare Force One»?

Mister Lordi: «Good question! I have no fucking idea» (lachend). Der Titel stand schon zur Diskussion beim Vorgänger-Album «To Beast Or Not To Beast». Viele mögliche Albumtitel schwirrten uns damals im Kopf herum und einer war «Scare Force One». Alle waren der Meinung, dass es ein brillanter Titel sei, aber wir hatten schon die Grundidee zu «To Beast Or Not To Beast». Es war das erste Mal, dass wir schon wussten, wie das kommende Album betitelt würde, bevor wir überhaupt einen Song dafür komponierten. Die Idee stammte von mir und Amen (Gitarrist). Auch wenn es viele vermuten, aber hinter «Scare Force One» liegt kein Konzept. Ich liebe es mit Wörtern zu spielen, und den Sound von «Scare Force One» finde ich einfach genial. Wie schon bei «The Monsterican Dream». Logisch haben wir bei «Air Force One» und der Boeing 747 abgekupfert. Dem Flugzeug des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. «Scare Force One» ist die Lordi-Version eines solchen Flugobjekts.

Es war lustig, als wir die neuen Songs schrieben, kamen uns alle diese typischen, amerikanischen Dinge in den Sinn. Als wir bei einem Interview darauf angesprochen wurden, ob die neue Scheibe ein politisches Statement sei, konnte ich nur laut loslachen. «Oh fuck NO, it's just entertainment!» Die Titel klingen nach einem coolen Scheiss und sonst steht gar nichts hinter den Titeln oder den Texten. Da besteht «no fucking connection to the real world». «Aber, handelt der Song «Sir, Mr. Presideath, Sir» nicht von Obama?», war die nächste Frage dieses Journalisten. Nein, wieso sollte er auch? Es geht hier um Mister Presideath, um Mister Lordi. «What the fuck?» Da sind wirklich lustige Fragen, dabei wollen Lordi doch nur unterhalten und keine politischen Statements abgeben!

Viele Ideen entstanden während der letzten Tour. Nach einer Show nehme ich eine Dusche, gehe in den Bus und habe so viele Melodien und Sounds im Kopf, die ich sofort für mich auf mein Handy speichern muss (singt ein paar Riffs vor). Jeden Scheiss nehme ich auf, was dann später zu einem Problem für mich führt. Aus sechzig Fragmenten sollen neue Lieder komponiert werden. So habe ich immer viel zu viele Ideen oder Songs, welche ich aufnehmen möchte und dann nicht mehr weiss, auf welche Dinge ich mich konzentrieren soll. Ich produziere viel zu viele Sounds. Das Dumme an der Geschichte ist, dass bei allen Teilen, die ich scheisse finde, dies die persönlichen Favoriten meiner Mitmusiker sind. Wir haben im Vergleich zum Vorgängeralbum mit etwas moderneren Sounds experimentiert. Einfach, weil wir einen neuen Schlagzeuger (Mana) haben, der diesen Scheiss auch spielen kann. Dazu klingen die Songs ein klein wenig technischer und gehen eine Spur mehr in Richtung Judas Priest und Anthrax, betreffend des Mix. Aber nur ein klein bisschen!

Wir wollten die typischen Lordi-Melodien von «Get Heavy» und «The Arockcalypse» zurück bringen. Wie es damals Alice Cooper mit «Trash» veröffentlichte. Dabei wurde das Ganze etwas moderner gestaltet. Trotzdem haben wir unseren Weg nicht verlassen, sondern sind ihm treu gefolgt. Das Lustige an der Sache ist, und was «To Beast Or Not To Beast» und «Scare Force One» verbindet, dass die Lieder, welche ich in der Mitte während des ganzen Songwritingprozesses geschrieben habe, nun jeweils auf diesen beiden Werken gelandet sind. Ich schrieb zusätzlich viele Tracks, die eine richtige AOR-Attitüde hatten. Das klang wie bei Foreigner oder Journey. Aber auch Sounds wie Pantera oder King Diamond hatte ich komponiert. Da ich ein grosser King Diamond-Fan bin, wollte ich zuerst in diese Richtung tendieren, aber nicht jeder in der Band fand diese Meinung gut.

Unsere Plattenfirma hat mich dann wieder auf den richtigen Weg gebracht, als sie fragte: «Wenn AC/DC ein Disco-Album veröffentlichen, was würden wohl ihre Fans darüber denken?» Wir wollen unsere Fans nicht abfucken. Sie lieben unsere Musik, so wie sie klingt. Darum dürfen wir unseren Sound nicht zu stark ändern. Kiss haben dies in der Vergangenheit oftmals getan. Vielleicht werden wir beim nächsten Album in eine neue "Lordi AOR"- oder in eine ganz brutale Richtung gehen (Mister Lordi beginnt zu growlen!) Hey, ich bin kein Fan von Black oder Death Metal, aber ich liebe diese eher komplexeren Songstrukturen von King Diamond oder Pantera.

MF: Was war einfacher oder schwieriger mit dem neuen Album?

Mister Lordi: Es war das Einfachste, dieses Album zu produzieren. EVER! Wir hatten den finnischen Produzenten Mikko Karmila, während wir vorher in Nashville in den Staaten zusammen mit Michael Wagner arbeiteten. Er zimmerte uns diesen 80er-Jahre Hair Metal Sound. Da wir viele junge Fans haben, überlegten wir, ob es nicht Sinn macht, zusammen mit einem modernen, finnischen Sound zu spielen. Es war so «fucking easy» mit Mikko zusammen zu arbeiten! Damit will ich nicht sagen, dass wir mit seinen Vorgängern Probleme hatten. Aber es war so verdammt locker in Lappland, in dieser gottverlassenen Wildnis zu produzieren. Stell dir vor, dort war «the hottest place in Europe» zu der Zeit, als wir im Studio waren. Jeder dachte doch, dass wir uns den Arsch abfrieren würden und was passierte? Überraschung! Lappland war zu dieser Zeit der heisseste Platz in ganz Europa. Heisser als Italien und Spanien, die gerade mal 20 Grad hatten. Und wir "froren" uns den Arsch bei 36 oder 38 Grad ab. Es war verdammt nochmal heisser als in der Hölle! Jeder spricht von der globalen Erwärmung und dem «Green House Effect». Kommt nach Lappland, dort wird beides zelebriert!

MF: Wie wichtig sind für dich die Chart-Platzierungen?

Mister Lordi: Nicht mehr so wichtig wie früher. Ich mache dir ein gutes Beispiel. Hast du eine Ahnung, wer gerade die Spitzenplatzierung in den Charts hat? Ich habe verdammt nochmal keinen Plan, wer gerade auf Platz eins ist (lachend). Keine Ahnung, was gerade populär ist. All diese Hip-Hop Motherfucker..., die veröffentlichen jeweils eine Scheibe und sind weg vom Fenster und andere Künstler oder Bands veröffentlichen «fucking» fünfzehn Scheiben. Dazwischen gibt es heute doch kaum was, entweder du verkaufst Millionen oder gar nichts! Im Rock, Hard Rock oder Metal sind die Fans viel loyaler als sonst wo. Irgendwann brachte Amen ein Stück Papier ins Studio. Er sagt zu mir, dass ich mir dieses Blatt ansehen soll und ihm erzählen, wen ich von all den Truppen kenne. Ich schaute auf diese Liste und hatte keine Ahnung, was dies für Alben oder Künstler sind. «Was ist das für eine Liste?», wollte ich von ihm wissen, und er sagte mit einem breiten Grinsen: «Alter, das sind die Charts aus Finnland!» Wir kannten weder die Combos, die Alben noch die Lieder. Darum sind diese Platzierungen für mich absolut unwichtig!

All diese Download-Portale… «It's killing the motherfucking business!» Die Leute haben bis heute nicht begriffen, dass die Bands auch Geld verdienen wollen und müssen. Wenn niemand mehr die «fucking» Scheiben kauft und die Plattenfirmen kein Geld mehr damit kassieren, werden genau diese Firmen keine Kohle mehr haben, um überhaupt neue Songs produzieren zu können. Wir verdienen heute kaum mehr Geld mit einer neuen Scheibe. Was, wenn plötzlich überhaupt kein Geld mehr vorhanden ist für neue Produktionen? So ein Aufnahme-Prozess kann über ein Jahr dauern. Würdest du gratis für ein Jahr arbeiten gehen? Das ist dieser Scheiss-Part, den die Leute da draussen mit all ihren Downloads nicht verstehen. Wir haben diese neue Generation, die den Kreislauf nicht verstanden hat. Wenn etwas möglich ist, ist es auch legal?!? Ist es möglich, in einem Geschäft ein Auto oder ein Brot zu klauen, ist sowas legal? Wie kann es dann verdammt nochmals sein, dass die heutige Generation nur noch Musik auf diesem fucking YouTube-Kanal hört und keine Alben mehr kauft? Das ist so verrückt und zerstört das ganze Business. So haben wir schon viele Truppen abserbeln sehen, weil niemand mehr für ihre Produkte zahlen wollte. So blieb das Geld weg, um eine neue Produktion zu bezahlen.

MF: War für Lordi der «Eurovision Song Contes» der richtige Event zum richtigen Zeitpunkt?

Mister Lordi: Ich sag da immer, wir waren die falsche Band am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt (lachend)!

MF: Oder die beste Band zum richtigen Moment?

Mister Lordi: Ja, absolut! Aber der Song und der Sieg waren für die Band ein absoluter Segen! «Hell yeah!!!» Hey… Du kannst in Europa in jede Stadt gehen und zeig den Leuten das Bild von Lordi. Sei es eine alte Grossmutter oder ein Kleinkind. Sie werden sich an uns erinnern. Vielleicht nicht an den Bandnamen, aber an unsere Kostüme und bringen es in Verbindung mit dem «Eurovision Song Contest». Einer meiner grössten Idole, Udo Dirkschneider..., zeig das Bild von Udo den Menschen in einer Stadt, es wird ihn kaum jemand erkennen. Das haben wir vom Sieg bei diesem Event mitgenommen. Die Leute kennen Lordi! Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob wir einen solchen Wettbewerb gewinnen oder auf Tour gehen. Schlussendlich sind wir uns immer treu geblieben und haben nie was geändert. Es ist unsere Bühne, es sind unsere Songs und es ist unsere Performance für drei Minuten oder länger. Als das Gemeckere, dass Combos niemals bei «Eurovision Song Contest» auftreten würden..., wieso? Bist du so überzeugt von dir, dass du dich vor TV-Auftritten oder TV-Shows fürchtest? Du musst nur an das glauben, was du machst. Es spielt keine Rolle, wo das ist. Geh auf die Bühne und «kick ass»!

MF: Wie wichtig sind deine Einflüsse für dich heute noch?

Mister Lordi: Musikalisch gesehen nicht mehr so wie früher. Logisch hörst du noch immer Kiss und Alice Cooper bei Lordi heraus, aber für mich ist es wichtiger geworden, diese Idole als meine Freunde bezeichnen zu dürfen. Udo..., er ist der liebenswerteste Mensch, den man sich überhaupt vorstellen kann. Ich mochte Accept, aber was U.D.O. mit «Animal House» veröffentlichten. OH MEIN GOTT! Das war so verdammt unglaublich! Dann «Mean Machine»… «FUCK YEAH!» und dann erschien die absolute Offenbarung mit «Faceless World». Diese Scheibe bringe ich jedes Mal ins Studio mit als Referenz-Werk. Ich habe mir immer wieder gewünscht, dass er Songs von diesem Album spielt und heute tut er dies wieder! YEEEEEEAAAAHHHHHHH!!!

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Mister Lordi: Well, ich werde bei Lordi bleiben, bis ich sterbe (lachend). Ich bin wie ein verdammter Kaugummi in deinem Haar. So lange uns die Leute hören wollen, werden wir weiter neue Songs schreiben und als Monster auf der Bühne stehen. Ich liebe diese Kostüme. Was soll ich denn sonst tun?

MF: Gibt es bald eine Live-DVD?

Mister Lordi: Gute Frage und du bist nicht der Erste, der danach fragt. Die Scheisse ist, das wir bei zu vielen Labels waren und somit die Rechte der einzelnen Tracks bei zu vielen Leuten sind. So können wir nicht, auch wenn wir es noch so gerne tun würden, eine «fucking» Live-DVD veröffentlichen.

MF: Was machst du in deiner Freizeit?

Mister Lordi: Ich schaue TV, schaue TV, esse Kekse, schaue mir Filme an, spiele mit meinen Tieren… Ich habe drei Hunde, eine Katze, sechzehn Schlangen, zwanzig Taranteln, einige Echsen…

MF: …wie ein kleiner Zoo…

Mister Lordi: …ja, was noch fehlt, ist ein Schimpanse oder eine Giraffe (lachend). Ich liege aber meistens faul auf dem Sofa und werde fett! «Drinking fucking Coke or Pepsi!», esse all diese gesunden Dinge wie Kekse und Schokolade und rauche wie ein verdammter «Motherfucker».

MF: Danke für das Interview und geniess deinen Abend noch!

Mister Lordi: Danke dir, das werde ich tun!