Interview: Lamb of God
By El Muerte
Als Lamb of God im Rahmen der Unholly Alliance-Tour endlich auch für die Schweiz bestätigt wurden, konnte ich mich vor Vorfreude kaum im Zaum halten. Noch nie hatte der charismatische Fünfer um Frontkläffer Randy Blythe Schweizer Boden betreten - Ein erster für letzten Sommer angekündigter Gig wurde im letzten Moment wieder abgesagt. Als ich dann zum vereinbarten Zeitpunkt vor der Eulachhalle auftauchte, war allerdings von Randy vorerst keine Spur zu sehen. Zusammen mit der Mitarbeiterin von SonyBMG machte ich mich auf die Suche, und wir entdeckten in kurz darauf in einem kleinen Wäldchen hinter der Halle beim Schnitzen eines Gehstocks - «Hellhammer» waren bereits darauf verewigt, weitere Bands sollten nach Ende des Interviews noch folgen. Im Lauf der folgenden Konversation entpuppte sich Randy als ausgesprochen gut aufgelegter Zeitgenosse, der scheinbar mit beiden Füssen auf dem Boden steht, das aber nicht so ernst zu nehmen scheint - und sich trotz seines leicht anfechtbaren Musikgeschmacks bestens mit den Wurzeln des Metals auskennt...

Metal Factory: Warum hat es so lange gedauert, bis ihr in endlich in die Schweiz gekommen seid?

Randy Blythe: Nun,... (Atmet tief ein) - Wir hatten da dieses Problem mit einer Gang aus der Schweiz, die haben uns andauernd bedroht (Lacht laut heraus)... Nein, quatsch - Nur ein Witz. Keine Ahnung. Wir waren ja erst zwei oder drei Mal in Europa, und es hat einfach nie geklappt. Wir freuen uns allerdings sehr, endlich hier zu sein.

MF: Ihr wart letzten Sommer für einen Gig angekündigt, der wurde aber gecancelt - was war passiert?

RB: Keine Ahnung, ich tauche einfach auf und schreie rum...

MF: Nun gut. Da ihr ja noch nie hier wart, was erwartest du von der heutigen Show?

RB: Heisse Schokolade. Nein, ich will dass die Schweizer Leute auftauchen und durchdrehen. Und vielleicht mit Schweizer Armee-Messer nach uns werfen, keine Ahnung.

MF: Werdet ihr auch mal zurückkommen, oder war's das dann schon?

RB: Ja, wir werden im Jahr 2007 wieder in Europa unterwegs sein, Mitte bis Ende Jahr. Wir werden wahrscheinlich die Sommer-Festivals abklappern, und dann eine Headliner-Tour auf die Beine stellen.

MF: Jetzt, wo du Einblick in die Amerikanische und die Europäische Variante der Unholly Alliance-Tour hast, wo unterscheiden sich die beiden?

RB: Ehm, nun... in Amerika hatten wir Mastodon, hier haben wir In Flames. Das ist anders. Nein, echt - es hat sich nicht viel geändert, es ist nun mal eine Slayer-Show. Und Slayer Fans sind in Amerika genau gleich wie in der Schweiz und wahrscheinlich auch am Nordpol - Die sind immer gleich, einfach wahnsinnig. Letzte Nacht haben wir in Italien gespielt. Der Unterschied war, dass der Saft während unseres Gigs dreimal ausging, und zweimal während dem Auftritt von Children of Bodom. Einige Sachen wurden auch gestohlen - Scheiss Mafia... Mikrofone, solche Sachen. Es war eine gute Show, den Leuten hat's gefallen... Aber wenn du nach Italien gehst, pass auf, dass alles festgenagelt ist! (Lacht laut)

MF: Was hältst du von den anderen Bands auf dieser Tour? Ich denke, über Slayer gibt's nicht mehr viel zu sagen...

RB: Über Slayer habe ich wirklich nix mehr zu sagen. Thine Eyes Bleed, klasse Jungs, die waren auch auf der US-Tour dabei - Eine gute, aufsteigende Band. Bodom... wirklich, wirklich, wirklich gute Freunde von uns, wir haben mittlerweile etwa drei oder vier Mal mit denen getourt, die holzen alles weg. Mit In Flames sind wir das erste Mal unterwegs, da bin ich noch nicht so mitgekommen, mir fehlt noch der Zugang. Aber sie sind super nett, sie halfen uns gestern mit dem geklauten Equipment - alles läuft prima.

MF: Du hast mal erwähnt, dass du versuchen würdest, vom Alkohol fernzubleiben - wie läuft's bis jetzt?

RB: Geht prima (Schwingt seinen Kaffee-Becher)! Ich bin jetzt auf Kaffee gekommen...

MF: Lass uns ein wenig über Lamb of God sprechen - In deinen eigenen Worten, was macht die Band so speziell?

RB: Schmerz! (Grinst) Elend! Wir sind fünf Typen aus Virginia, wir lassen einfach die Agressionen raus. Es ist keine fröhliche Musik, da findet sich keine Lockerheit drin...

MF: So traurig sieht das aus?

RB: Nein quatsch, es ist der Wahnsinn. Die Musik selber ist einfach nicht fröhlich. Touren ist der Hammer, ich habe den besten Job der Welt!

MF: Was am Bandleben gefällt dir denn am besten?

RB: Live spielen, zu 100% - Keine Zweifel. Ich hasse Aufnahmen, ich hasse all diese technische Scheisse.

MF: Weil dich die Produzenten dabei um die Blocks laufen lassen? (Auf der Making-Of-DVD zur aktuellen Scheibe, wird Randy vom Produzenten um die Blocks gehetzt, damit seine Vocal-Parts möglichst ausgekotzt klingen... - MF)

RB: Ja Mann! Es ist einfach langweilig. Im Studio zu sein ist unglaublich langweilig. Vor 8'000 Leuten zu spielen, das ist nicht langweilig. Es ist alles andere als langweilig...

MF: Sind die anderen Bandmitglieder da der gleichen Meinung?

RB: Nun, jede Person ist anders. Mark beispielsweise, unser Gitarrist: Er hasst das Touren! Er hasst es. Aber er spielt gerne live.

MF: Also eher wegen den Umständen?

RB: Ja, genau. Wenn er zu Hause ist, verlässt er selten die Wohnung. Er ist einfach nicht gerne weg von zu Hause. Er hasst den ganzen Aspekt vom Umherreisen. Er hasst den Aspekt, immer alle um sich zu haben. Aber er steht auf Aufnahmen, auf im Studio rumhängen - ich hasse es, es macht mich wahnsinnig. Also, die Antwort fällt wirklich für jeden anders aus, fünf komplett unterschiedliche Antworten. Bei mir läuft's prima auf Tour. Ich sorge dafür, dass es mir gut geht. Scheissegal auf wessen Rechnung, mir egal. (Grinst breit)

MF: Auf der «Killadelphia»-DVD gibt's einige schwierige Situationen zu bestaunen, unter anderem ein Faustkampf zwischen dir und Mark. Wie lange habt ihr gebraucht, um zu realisieren, dass ihr vielleicht immer mit solchen Situationen zu tun haben werdet?

RB: Das war schon lange im voraus bemerkbar...Es ist einfach... Ich und Mark sind sehr gute Freunde, weisst du. Es ist nicht so, dass wir uns da mal eben verprügelt haben, und danach war alles am Ende. Tatsächlich stehen wir nun noch näher zueinander. Wir waren in Schottland, betrunken, und sind einfach viel zu lange aufeinander gesessen. Weisst du, Scheisse passiert eben. Ich und er haben aus keinem wirklichen Grund die Fäuste fliegen lassen. Ich und Chris (Adler, der Drummer) haben überhitzt diskutiert, und Mark hatte einfach genug davon, er wollte es wissen. Dieser Kampf war gut für uns. Er musste einige Shows aussetzen, weil er darauf so schlecht dran war. Ich konnte mit meinem schwarzen Auge noch auftreten, aber er hatte einen gebrochenen Finger und eine kaputte Schulter. Es hat uns einfach gezeigt, dass wir gewisse Dinge nicht eskalieren lassen sollten. Wir schreien immer noch rum und sowas, aber so sind wir nun mal. Fünf Arschlöcher, grundsätzlich. Aber der Kampf hat uns schon etwas abgekühlt.

MF: Auf der «Making Of»-DVD zur letzten Scheibe wird seitens der Band ein Paar mal erwähnt, dass es schwierig sei, mit dir zu arbeiten - kannst du das ein wenig erklären?

RB: Ja, die sind scheisse. Nein, quatsch. Sie sind scheisse, aber andersrum. Diese Typen schreiben Musik, und ich bin nicht mal ein Musiker. Ich texte, ich bin der Typ der schreit. Ich spiele keine Gitarre, ich spiele keine Drums, keinen Bass - ich schreibe keine einzige Note Musik. Die können rumsitzen und über 20 Sekunden eines Songs diskutieren, für drei oder vier Tage - und sie machen das auch! Und dann schauen sie mich an, und fragen «Was meinst du?», und ich sage «Ich habe keinen blassen Schimmer!» - Für mich klingt das alles gleich. «Ihr sprecht hier über tididididi gegen tididitidi!». Ich fühle mich da immer total unbrauchbar, keine Ahnung was ich da machen sollte - Ich könnte zu Hause sitzen, texten. Aber das pisst sie an, dass ich nicht dort bin, mit ihnen diskutiere. Aber ich will das einfach nicht, ich weigere mich. Es ist genau dasselbe, wie beim Soundcheck! Es macht keinen Sinn für mich, beim Soundcheck dabei zu sein - Total! Weil, was passiert ist folgendes: Ich mache «Grrrrrrrr!!!!!!!! - Kannst du mich verstehen?» «Ja!» «Ok, toll - bis später!». Nutzlos! Und sobald wir spielen ist sowieso alles anders, weil Leute im Raum sind. Ich muss immernoch den Monitor-Typen angucken und sagen «Mach mich lauter/Mach mich leiser!». Du siehst, es spielt keine Rolle. Es gefällt ihnen einfach nicht, dass ich denke, dass ich das nicht tun muss.

MF: Also deswegen ist es ihrer Ansicht nach schwer, mit dir zu arbeiten...

RB: Es ist schwer für mich mit ihnen zu arbeiten! Ach was solls, wir sind alle Idioten. Wir kommen prima miteinander aus, und manchmal halt eben nicht. Ich bin eben nicht gerne im Studio, ich hasse es. Es nervt mich - Langweilig!

MF: Lamb of God sind nun ja schon eine ganze Weile dabei - Was hat sich denn geändert, seit ihr den Deal bei Sony gekriegt habt?

RB: Nun, wir sind in der Schweiz! Ich werde dafür bezahlt, in der Schweiz zu sein, anstatt den Abwasch zu machen, um mein Leben zu finanzieren. Das ist das Grundsätzlichste, wir haben nun keine regulären Jobs mehr. Aber keiner von uns ist reich... Bevor wir zu Sony kamen, waren wir schon acht oder neun Jahre in der Band. Jeder arbeitete Doppelschichtig. Diese ganze Maschinerie im Rücken zu haben, hat uns erlaubt, uns auf die Band zu fokussieren. Wir sind nicht reich, wir haben keine Millionen an Platten verkauft. Ich fahre keinen Rolls Royce, ich fahre einen Volvo Station Wagon, das ist mein Teil. Aber ich muss nicht mehr in Restaurants arbeiten. Ich kann mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren - Und wenn die sagen «Ok, ihr geht jetzt in die Schweiz!», dann muss ich nicht zu meinem Boss gehen, und sagen «Ach, übrigens - ich verschwinde für sechs Monate!», und dann zurückkommen und mir was Neues suchen. Aber mal davon abgesehen ist alles gleich geblieben.

MF: Lamb of God sind stetig die Erfolgsleiter heraufgestiegen, was ist nun der nächste Schritt?

RB: Rudimentär, wir touren einfach - diese Tour hier geht bis Ende November, dann gehen wir für einen Monat nach Hause, danach folgt eine Headliner-Tour in Kanada, danach, also etwa April, anfangs März, geht's wahrscheinlich nach Japan und Australien. Im Sommer beackern wir wahrscheinlich die europäischen Festivals, danach folgt eine Headliner-Tour, ebenfalls durch Europa. Wir touren, bis uns die Beine abfallen.

MF: Lamb of God werden oft mit Pantera verglichen, was hältst du davon?

RB: Echt? Hab' ich noch nie gehört... Wir kommen aus dem Süden... Whatever. Pantera waren eine grossartige Band. Dimebag - God bless him - war ein Hammer-Kerl, ich war einige Male mit ihm unterwegs, er war klasse - Eine Tragödie, dass er erschossen wurde. Wir hatten nie vor, wie Pantera zu klingen. Aber weisst du, wir werden mit einer Menge Bands verglichen. Man hat uns schon mit Meshuggah verglichen... Uns ist das egal.

MF: In deinen eigenen Worten, was unterscheidet Lamb of God von anderen Bands?

RB: Ehrlichkeit. Wir sagen was zur Hölle wir wollen, wann immer wir wollen, und wo auch immer wir wollen. Wir gehen einfach raus, es gibt keine grosse Show, kein Make-Up, es gibt keine Explosionen oder Drachen, die durch die Luft fliegen und sowas. Es gibt fünf schwitzende Typen auf der Bühne, die 110% geben - Da ist kein Image, du kriegst, was du siehst.

MF: Erzähl mir ein bisschen von den Fortschritten der Band, was sollte nich unerwähnt bleiben?

RB: Ich denke, die Band hat herausgefunden, dass sie einen Sänger haben, und dass der auch wirklich dazu gehört - Wenn sie jetzt Musik schreiben, lassen sie mehr Platz für mich - Anstelle dass alles so vollgepumpt ist. Ich denke das ist ein unglaublicher Teil! Zudem denke ich, dass wir musikalisch gesehen einfach grösser geworden sind.

MF: Welche Musik hörst du privat, und nutzt du sie als Inspiration für deine Arbeit bei Lamb of God?

RB: Nein, ich höre Musk zum Vergnügen. Viel Old-School Punkrock. Ich habe zum Beispiel soeben die Original-Demos für «Nevermind The Ballocks», die erste Scheibe der Sex Pistols, gekriegt. Zudem noch ein wenig Dub-Reggae aus den Siebzigern, dazu Jazz, alten R'n'B. Eigentlich alles ausser Heavy Metal.

MF: Wie fühlt es sich eigentlich an, für ein Publikum aufzutreten, das beinahe halb so alt wie du ist?

RB: Nun, ich fühle mich halt alt dabei... wie alt bist du?

MF: 22.

RB: Ok, du bist ein Youngster. Ich habe jetzt dreissig Jahre auf dem Buckel. Die Kids, die sind klasse - und vor allem enthusiastisch. Zudem ist Rock'n'Roll ein «Young Man's Business». Vielleicht bin ich zu alt dafür, aber ich bin zu nahe dran, ich merke das nicht.

MF: Also ist für dich nichts schräges dabei, wenn halb so alte Leute deine Texte nachgröhlen?

RB: Nein, wir haben ja auch Fans, die doppelt so alt sind. Wir waren ja auch gerade mit Overkill auf Tour, die sind steinalt - aber genial! Es gibt eine Menge alte Bands da draussen...

MF: Lass uns noch etwas über die ganze Internet-Geschichte reden - Du bist ja bekannt dafür, tatsächlich einige Dinge über euer offizielles Forum auszudiskutieren. Denkst du, dass diese ganzen Foren-/Myspace-Geschichten ein Segen sind?

RB: Myspace, das muss eines Tages einfach zusammenbrechen. Weisst du, als ich in deinem Alter war, da gab es noch kein Internet, so wie wir es jetzt kennen. Es gab kein ...all diese Scheisse, verstehst du? Wenn du an ein Konzert wolltest, musstest du rumtelefonieren, wenn du eine Tour buchen wolltest, musstest du telefonieren, Briefe schreiben. Diese Computer-Scheisse gab's nicht. Und diese Dinger sind letztendlich auch dafür verantwortlich, dass irgendwelche Leute sich zu Bands zusammenrotten, das ganze digital aufnhemen, und das Resultat dann manipulieren. Es klingt dann so, als ob sie Dinge tun könnten, die sie gar nicht können. Die Computer sind für einen ganzen Haufen beschissener, beschissener Bands verantwortlich, die ihre Demo-Cds rausbringen, und sie mir jeden Abend hinterher werfen. Als wir aufwuchsen, gab es noch keine digitale Medien. Es gab Tape, Zwei-Zoll-Tape. Weisst du, was du konntest, dass kriegtest du auch - es war real. Wir versuchen, das real zu halten. Also, diese Internet-Geschichte, das ist ein Segen und ein Fluch. Es ist ein wunderbares Werkzeug, aber es erlaubt auch viel Scheisse. Und ich rate den Kids, befor sie irgendwelche Scheiss-Demos rausbringen und ihre Scheiss-Myspace-Page online stellen, und das ganze mir nachwerfen, sie sollen lernen Gitarre zu spielen, bevor sie damit am Computer rumbasteln. Weil mich interessiert dein beschissener Computer nicht, oder deine beschissene Band, die du dir ausgedacht hast. Komm, und spiele richtige Musik.

MF: Ok, letzte Frage: Was hast du den Schweizer Fans noch zu sagen?

RB: Hört Hellhammer!

MF: Was hat es eigentlich mit diesem Stock (Ich deute auf seine begonnene Schnitzarbeit) da auf sich?

RB: (Atmet tief ein)... Children of Bodom - Gute Freunde von mir, die sind hier mit dabei -, die kommen aus Finnland. Ihr Tourmanager ist ein Typ Namens Noidi (Sorry Leute, den Namen hab' ich nicht richtig mitgekriegt - MF). Im Jahr 1982 - Der Kerl kommt übrigens aus dieser Stadt! Winterthur, stimmt das? Das ist seine Heimatstadt! - war er der Drummer von Hellhammer, die bald darauf Celtic Frost wurden, welche ja eine der Original-Bands des Heavy Metal ist. Und die hatten keine Computer! Also, Schweiz - hört Hellhammer! Und Celtic Frost!

MF: Ok, ich werd's durchgeben - Besten Dank für's Interview!

RB: No Problem.





Unser El Muerte (l) mit Randy Blythe >>>>