Interview: Ken Hensley
By Roger W.
Ken Hensley war in der Schweiz! Nein, nicht für ein Konzert mit seiner Ex-Band Uriah Heep, sondern um den von ihm geschriebenen Heep-Klassiker „Lady In Black“ neu aufzunehmen. Duet-Partner war dabei der Ex-Music-Star und Rocker Daniel Kandlbauer. Diese Kooperation war aber nicht der Hauptgrund, wieso ich an jenem Dienstag ins Powerplay-Studio in Maur getingelt bin. Vielmehr ging es darum, den Altmeister über sein neustes Solomeisterwerk „Blood On The Highway – When Too Many Dreams Come True“ auszufragen. Auf diesem parallel zu seiner Biographie erschienenem Album verarbeitet er die ereignisreiche Zeit mit Uriah Heep. Als Gastsänger fungierten er, Jorn Lande, Glenn Hughes, John Lawton (Ex-Uriah Heep) und Eve Gallagher. Und nun Bühne frei für den Grossmeister!

MF: Willkommen in der Schweiz. Wie geht es dir?

KH: Mir geht’s gut. Ich freue mich sehr, hier zu sein.

MF: Du bist heute nicht zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal in der Schweiz. Was magst du an der Schweiz?

KH: Nein, es ist definitiv nicht mein erstes Mal. Zum ersten Mal war ich 1970 hier mit Uriah Heep. Wir haben auf unseren Europa-Tourneen auch immer in der Schweiz gespielt, weil das Publikum hier immer „Rock’n’Roll“ war. Und so machte es auch immer Spass. Seither habe ich viele Freunde in der Schweiz. Vor allem nach der Zeit mit Uriah Heep durfte ich das Land ein wenig kennen lernen. Ich mag das Essen, die Leute und anderes. Ich fühle mich sehr wohl hier.

MF: Erst kürzlich ist „Blood On The Highway“ erschienen. Ein Album, auf welchem du autobiographisch deine Zeit mit Uriah Heep verarbeitest. Wieso hast du es gerade jetzt aufgenommen?

KH: Die Zeit war definitiv Reif dazu. Ich hatte ein paar Jahre zuvor damit begonnen, meine Biographie zu schreiben, was sehr viel Zeit brauchte. Und letztes Jahr kam der Boss von meiner Plattenfirma auf mich zu, weil sie auch mein Buch herausbringt. Er rief mich an und sagte: „Ich habe dein Buch gelesen. Wieso versuchen wir nicht, deine Biographie musikalisch umzusetzen und als CD raus zu bringen?“ So habe ich darüber nachgedacht und ein paar Lieder geschrieben. Und danach sagte ich zu, weil ich sicher war, das es klappen könnte. Wir nahmen die Songs in meinem Studio in Alacante (Spanien) auf. Dann kamen sie (Leute von der Plattenfirma) von Deutschland runter, hörten die Songs, wir gingen essen und danach unterschrieben wir den Vertrag. Das Timing ist perfekt, weil ich gerade einen Lebensabschnitt beendet habe. Ich bin glücklich mit dem Leben, dasich vorher hatte und ich bin sehr zufrieden mit meinem aktuellen Leben. Also für mich war während dieser Veränderung von einer Phase zur anderen der richtige Zeitpunkt, meine Geschichte nieder zu schreiben.

MF: Du hast also gemerkt, dass bei dir ein Lebensabschnitt zu Ende ging. Woran hast du das Ende dieses Abschnitts bemerkt?

KH: Eine sehr gute Frage. Ich denke das war genau dann, als ich den Song „I Did It All“ geschrieben habe, welcher auf „Blood On The Highway“ ist. Dieser Song war meine Art, mit den Veränderungen von damals zu heute umzugehen. Es ist ein schwieriges psychologisches Ding für jede berühmte Persönlichkeit. Also wenn für ein Musiker, Schauspieler oder Fussballer der meist gefeierte Teil seiner Karriere vorbei ist. Du musst dann akzeptieren, dass du global gesehen nicht mehr so wichtig und berühmt bist, wie du es vorher warst. Es gibt zwei Wege die dazu führen, dass du das akzeptierst. Erstens: Du kannst es einfach akzeptieren, in dem du wütend auf diese Tatsache oder verärgert über die Musikindustrie bist. Oder zweitens: Du kannst es akzeptieren, in dem du dir selber sagst: „Gut, ich hatte eine tolle Zeit und habe viele Dinge erreicht.“ Und letzteres habe jetzt auch getan. Aber ich mag auch mein heutiges Leben. Und heute schaue ich vorwärts auf neue Herausforderungen, welche völlig anders sein werden. Ich habe mich entschieden, das eine positive Art zu tun. Und „I Did It All“ erzählt die gesamte Geschichte über diesen Wandel in mir selbst. Das war der Moment, als mir klar wurde, dass es mir gut geht.

MF: Wann kam dann die Idee, verschiedene Sänger wie z.B. Jorn Lande in das Projekt einzubeziehen?

KH: Das geschah bereits ganz am Anfang. Wir haben das sogar entschieden, bevor wir den Vertrag unterzeichnet haben. Jürgen (Jabosen), Ronald (David) und ich haben darüber diskutiert. Da gibt es viele Gründe dazu. Erstens: Ich bin kein grosser, herausragender Rocksänger. Ich kann zwar Balladen und ähnliches singen, bin aber kein guter Rocksänger. In den 70er Jahren gab es einige tolle Rocksänger wie z.B. Paul Rodgers (Free, Bad Company), Rod Stewart, David Coverdale (Whitesnake, Deep Purple), Ian Gillan (Deep Purple), usw. Da gab es so viele herausragende Rocksänger und ich brauchte eine Stimme, die dieses Flair von damals auf die Platte transferiert. Ich kannte Jorn bereits, weil meine gesamte Band aus Norwegen kommt, und ich dadurch bereits einige Jams mit Jorn hatte und so wusste ich, dass er die perfekte Stimme für dieses Projekt bringen würde. Speziell für die Songs, die er jetzt singt. John Lawton kenne ich natürlich noch von der gemeinsamen Zeit bei Uriah Heep. Glenn Hughes und ich redeten schon lange darüber, mal was zusammen zu machen. Und dieses Album war die erste, perfekte Gelegenheit, es zu tun. Und Christoph (Berger) war der, der mich mit Eve (Gallagher) bekannt gemacht hat. Ich brauchte eine weibliche Stimme für die Beziehungssongs. Und sie hatte genau die richtige Stimme dazu. Der Grund, wieso wir verschiedene Sänger mit einbezogen war, dass wir verschiedene Klangfarben und Charaktere an verschiedenen Punkten auf der Platte haben wollten. Aber ich wusste ebenfalls, dass meine beschränkten Möglichkeiten als Sänger verhindern würden, den besten Job abzuliefern.

MF: Auf dem Album ist es eine Frau, die die verfluchten Worte „Hey honey, you know you really are the band“ (Liebling, weißt du was? Du alleine bist die Band) spricht und damit den Untergang einleitet. Gab es da bei Uriah Heep wirklich eine Frau, die dir das eingeredet hat?

KH: Zu diesem Thema solltest du den Film Spinal Tap schauen. Spinal Tap ist zwar eine Komödie, aber was da passiert ist wirklich sehr real. Du könntest sicher 25 Musiker aus den 70er Jahren interviewen und die alle würden dir bestätigen, dass das mit den Frauen wirklich geschah. Die Freundinnen, du weißt schon, die betrinken sich, nehmen Drogen und so. Und die Freundin wird damit beginnen, dem Sänger oder dem Gitarristen einzureden, „You know, you really are the Band“ (weißt du? Eigentlich machst du alleine die Band aus). Du solltest mehr Geld erhalten als die anderen Bandmitglieder, du bekämest nicht genug Aufmerksamkeit und Würdigung und blablablabla. Also all diese Ego-Sachen. Es ist sehr gefährlich und es geschieht wirklich. Oder besser gesagt, es geschah so.

MF: Aber trotz diesen Sachen, ist dein Verhältnis zu Mick Box immer noch gut oder heute besser denn früher?

KH: Wir haben ein berufliches Verhältnis zueinander. Wir waren nie wirklich gute Freunde. Aber als Musiker und Teil von Uriah Heep arbeiteten wir gut zusammen. Und heute haben wir eine solide berufliche Beziehung zueinander. Mick macht sein Ding, während ich mein Ding tue. Ich bin glücklich damit und ich hoffe, er ist es auch.

MF: Im CD Booklet gibt es zwei interessante schöne Fotos. Eines zeigt den jungen Ken Hensley und eines den heutigen. Beide sind aber in derselben Pose. Wo siehst du die Unterschiede zwischen diesen beiden Personen?

KH: (lacht) Also das Foto von mir, das zeigt, wie ich heute aussehe, könnte man als gute Werbung für das Photoshop-Programm nehmen. Der Fotograf drehte durch wegen all den Nachbearbeitungen. Aber wir wollten es so. Die Idee war, ein Gestern-Heute-Bild zu haben. Und es klappte ja fast.

MF: Speziell die ersten fünf Songs von „Blood On The Highway“ rocken gewaltig. Warum flacht es danach ab?

KH: Das liegt an der Geschichte. Die Story beginnt mit einem jungen Musiker, der versucht, im Musikbusiness Fuss zu fassen, jede Stufe erklimmt und das Risiko eingeht. Und zu dieser speziellen Zeit, wie ich mich an mein eigenes Leben zurückerinnere, hatte ich gar nichts ausser sehr viel Energie und Enthusiasmus. Also auch nicht viel Talent, aber sehr viel Energie und Enthusiasmus. Und dann, als die Sache richtig ins Rollen kam, ging die Energie verloren. Und in dem Moment, als der Erfolg kam, wurden auch die negativen Aspekte sichtbar. Die Dynamik der CD widerspiegelt also mehr oder weniger exakt die Dynamik meiner Karriere in den 70er Jahren. Diese hatte mit viel Power gestartet, wuchs mit mehr Power, Energie und mehr Stärke. Und dann kamen die Probleme mit den Drogen und allem anderen. Dass war der Punkt, wo sich die Dinge zu ändern begannen.

MF: Die CD endet ja Ende 70er Jahre. Stimmt das?

KH: Ja, das stimmt. Grundsätzlich deckt das Album meine 10½ Jahre mit Uriah Heep ab. Das ist der einfachste Teil meines Lebens um mich zurück zu erinnern. Das war der Teil, wo ich am meisten Erfolg hatte. Ich machte also ein grosses Bild von den 10½ Jahren mit Uriah Heep. Jedes kleine Bild im grossen Bild stellt dabei einen Aspekt dieser Zeit dar.

MF: Also gibt es von der Zeit nach Uriah Heep nicht viel zu erzählen?

KH: Hm… Nein. Mit Ausnahme der Songs „I Did It All“ „What You Gonna Do“ und „The Last Dance“, welches sehr aktuelle Geschichten sind. Weil sie behandeln, was du machen wirst, wenn die Telefone nicht mehr klingeln. Was wirst du machen, wenn die Welt aufhört, deine Lieder zu singen und anstelle derer Songs anderer singt Du musst dich dann damit arrangieren können. Das ist aktuell. „I Did It All“ ist wie bereits gesagt mein Weg, um mit psychologischen Dingen fertig zu werden wie: „Warum bin ich nicht mehr so berühmt wie früher?“ Und dann „The Last Dance“. Er ist sehr ähnlich zu dem, was ich hier mit Kandlbauer mache. Grundsätzlich versuche ich hier, die Flamme am lodern zu halten. Den Spirit einem jüngeren Musiker zu übertragen. Jemand hat mich in einem anderen Interview gefragt, ob das wirklich „my last Dance“ (mein letzter Tanz) war. Aber natürlich ist es das nicht. Ich hätte den Song „The Last Tomatoe“ nennen sollen. Und dann wären die Leute gekommen und hätten gefragt: „Ah, du wirst wohl niemals mehr Tomaten essen?!“ Nein, nein. Ich denke nicht, dass etwas zu Ende gegangen ist. Es ist nur eine Phase, ein Kapitel in meinem Leben als Schriftsteller, Musiker und Produzent.

MF: Und die Menschen singen ja auch nach wie vor deine Songs. Ich habe Uriah Heep letztes Jahr live erlebt und da haben sowohl ältere wie auch junge Leute zusammen Klassiker wie „Lady In Black“ oder „Easy Livin’“.

KH: Das ist etwas, was mir bis heute eine tiefe Zufriedenheit gibt. Dass ich mitten im Chaos der 70er Jahre fähig war, Lieder zu schreiben, an die sich bis heute Menschen erinnern, sie lieben und sogar lernen. Es gibt keinen Ort, an dem ich den ersten Vers von „July Morning“ vorsingen muss, weil es bereits das Publikum tut. Es gibt keinen Ort, wo ich den ersten Vers von „Lady In Black“ vorsingen muss, weil es das Publikum bereits immer macht. Das ist eine grossartige Sache für mich und ich bin sehr dankbar dafür. Weil das zeigt, dass ich etwas Bedeutungsvolles gemacht habe. Und das fühlt sich sehr gut an.

MF: Magst du die aktuelle Uriah Heep-Besetzung?

KH: Das ist für mich eine sehr schwierige Frage. Weil ich immer in der Band war, als sie sehr berühmt und erfolgreich war. Ich war in der Band, als wir Millionen von Platten verkauft haben. Darum bestehen für mich Uriah Heep aus David Byron (Gesang), Mick Box (Gitarre), Gary Thain (Bass), Lee Kerslake (Schlagzeug), und mir. Das sind Uriah Heep für mich. Alles ausserhalb von dieser Besetzung ist nicht dasselbe. Natürlich respektiere ich Mick dafür, dass er den Namen und die Legende am Leben erhält. Es ist wirklich schwierig für Berny (Sänger) und die anderen von der aktuellen Besetzung, diese Lücke zu füllen und eine ähnliche Atmosphäre herzustellen. Aber wenn es Mick schafft, Uriah Heep’s Musik und Geschichte einer neuen Generation zu präsentieren, finde ich das eine gute Sache.

MF: Ich denke, dass schafft er auch.

KH: Das ist eine sehr gute Sache, weil ich denke, dass Uriah Heep gute Musik und sehr gute Platten gemachten haben und ich hoffe, dass das die Leute immer noch geniessen können.

MF: Nach deinem Uriah Heep-Ausstieg bist du bei Blackfoot eingestiegen. Wieso hast du diese Band bereits nach zwei Alben wieder verlassen?

KH: Ich wollte mit ihnen eigentlich nur ein einziges Album aufnehmen. Aber sie drängten mich, noch eine Tour und noch ein zweites Album mit ihnen zu machen. Ich habe Blackfoot verlassen, nachdem ich einen Anruf von London erhalten hatte und erfuhr, dass David Byron tot sei. Das war der Moment als ich entschied, Blackfoot zu verlassen. Weil das mit David Byron hätte ebenso gut mit mir passieren können. Aber ich fühlte mich bei Blackfoot nie richtig wohl, weil ihr Musikstil komplett anders war als meiner. Und ich hatte auch immer sehr grosse Probleme, meine Art zu spielen mit ihrem Songwriting zu verbinden.

MF: Heute bist du hier in der Schweiz, um „Lady In Black“ neu aufzunehmen. Wie kam es dazu?

KH: Christoph (Berger) fragte mich, ob ich was mit Kandlbauer tun möchte. Ich kannte ihn überhaupt nicht, habe dann aber einige seiner Songs auf dem Internet angehört. Klar werde ich oft dazu angefragt und es gibt sehr viele Coverversionen von „Lady In Black“. Und natürlich bin ich schon von sehr vielen guten Sängern angefragt worden. Vor zwei Jahren fragte mich eine Sängerin aus Norwegen, welche wirklich sehr gut ist, eine grossartige Stimme hat und sehr erfolgreich ist. Da hat mich ihre Plattenfirma gefragt, ob ich ein Duett mit ihr singen würde. Und ich sagte ab, weil meiner Meinung nach unsere beiden Stimmen nicht zusammengepasst hätten. Aber Daniels Stimme ergänzt sich gut mit meiner Stimme, was du auch hören wirst, wenn das Lied fertig aufgenommen und gemischt ist. Er ist ein junger Musiker und das hier ist ein musikalisches Projekt. Und da dachte ich mir, dass es eine gute Sache werden könnte. Das ist der Grund, wieso ich gekommen bin. Und die Zusammenarbeit klappte sehr gut. Klar waren das jetzt zwei Tage harter Arbeit, aber ich mag das Ergebnis sehr. Und wenn es dem Song neues Leben einhaucht ist das gut. Ich meine, ich singe diesen Song jetzt seit 36 Jahren und wenn ich dann mal sterben werde, wird „Lady In Black“ weiterleben, weil Daniel ihn immer noch singen wird. (lacht)

MF: Dann wünsche ich dir viel Glück und Erfolg mit den neuen Aufnahmen. Hast du vielleicht noch ein paar abschliessende Worte an deine Schweizer Fans? (Ich fragte nach den berühmten „famous last words“).

KH: (lacht)

MF: Okay, ich hoffe natürlich nicht, dass es deine letzten Worte sein werden…

KH: (lacht) Wir sollten aufhören, das Worte „Last“ zu brauchen. Aber ich habe keine berühmten abschliessenden Worte. Ich bin nur glücklich, dass ich immer noch Musik machen und Songs schreiben kann. Ich bin sehr zufrieden mit „Blood On The Highway“. Ich hoffe, dass es jeder kaufen und geniessen wird.



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